Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Tafel XXXVI, Vogel a.
Tafel XXXVI. Arge Räuber:
a. Elster (Corvus pica, L.),
b. Großer Würger (Lanius excubitor, L.)
[Tafel fehlt]
Als ein Erzspitzbube, welcher an jungem Gethier aller Art vielfachen Schaden anrichtet, gleicherweise allerlei junges Wild raubt und die Vogelnester ausplündert, wie die Geflügelhöfe bestiehlt, ist die Elster heutzutage bereits allbekannt; umsomehr wundern wir uns aber darüber, wenn wir sie trotzdem in der Nähe von Dörfern und selbst Städten vielfach unbehelligt leben und ihr Wesen treiben sehen.
Sie ist an Kopf, Hals, Rücken, Flügeln, oberseitigen und unterseitigen Schwanzdecken und Schenkeln schwarz, an Kopf und Kehle tiefschwarz, wenig glänzend, an Hals und Rücken mit blauem, an den Flügeln mit grünem Metallglanz; der Schwanz ist goldgrün und purpurn metallschillernd schwarz; die Schulterdecken, ein zuweilen nur angedeuteter Fleck am Unterrücken und ein Fleck auf dem Bürzel sind weiß bis grauweiß; Brust und Bauch sind reinweiß; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind dunkelbraun und die Füße schwarz. Von geringer Krähengröße, erscheint sie doch durch ihren langen, beweglichen Schwanz und das dichte, volle Gefieder bedeutender, als sie in Wirklichkeit ist (Länge 48 cm, Flügelbreite bis 57 cm, Schwanz 26 cm). Das Weibchen sieht nur etwas matter in den Farben aus und der Schwanz ist kaum bemerkbar kürzer. Das Jugendkleid ist dem der alten Vögel gleich, doch am ganzen Körper ohne Glanz.
Immer regsam und beweglich, fortwährend flügelklappend und schwanzschwippend, gewandt in allen Bewegungen, im hurtigen, trotz der kurzen, runden Flügel geschickt durchs dichteste Gezweige gehenden, über eine Blöße rasch flügelschlagenden Fluge, wie im Schreiten auf der Erde, dabei ungemein dreist, doch vorsichtig, ja bei Gelegenheit staunenswerth listig, so können wir sie in Vorwäldern, Feldgehölzen, auf den Baumreihen der Landstraßen und in Gärten mit Baumwuchs, allenthalben, vorzugsweise aber in der Nähe menschlicher Wohnungen als Standvogel in ganz Europa jahrein und -aus beobachten, wie sie fortwährend auf Raub ausgehend allerlei Thiere tödtet und frißt, welche sie nur zu überwältigen vermag; nebenbei verzehrt sie auch Beren und andere Früchte. Durch Vertilgung von jungen und alten Mäusen und anderen schädlichen Nagern, bis zum Hamster hinauf, wird sie recht nützlich, aber durch die angegebenen Übelthaten zeigt sie sich doch so beiweitem überwiegend schädlich, daß sie keine Schonung verdient, sondern vielmehr in unnachsichtlicher Weise verfolgt werden muß.
Inbetreff ihrer, sowie der zunächst folgenden Verwandten, Eichel- und Tannenheher, und einer Anzahl anderer, uns in ähnlichem Verhältniß gegenüberstehenden Vögel, kann ich mich bei dieser Gelegenheit einer Bemerkung nicht enthalten. Angesichts der Thatsache, daß sie für den Naturhaushalt und die menschlichen Kulturen entschieden oder doch ihrer Nützlichkeit gegenüber beiweitem überwiegend schädlich sind, dürfte ihre rücksichtslose Verfolgung geboten oder den betheiligten Land-, Obst- und Forstwirthen u. a. m. wenigstens nicht zu verdenken sein; berücksichtigen wir aber, daß die einheimische Natur doch an und für sich bereits verhältnißmäßig arm und ler an thierischem Leben ist und daß die freilebenden Thiere, insbesondre die Vögel, allenthalben offenbar der Verringerung und schließlichem Aussterben unaufhaltsam entgegengehen, so können wir nur mit Bedauern auf die Ächtung und volle Ausrottung irgend eines lebenden Geschöpfs und vornehmlich eines jeden Vogels blicken. Um wieviel ärmer würden Wald und Flur erscheinen, wenn es gar keine Elstern und Heher mehr geben sollte, welche doch sowol durch ihre bunte Färbung, als auch durch ihr muntres, auffallendes Wesen vorzugsweise zur Belebung derselben beitragen.
Von fernher hören wir schon auf den hohen Pappeln das schack, schack der Elstern, mehrmals schnell hintereinander wiederholt, dazwischen ihr singendes Schwatzen und bei jeder geringsten Erregung ihr entrüstetes Keckern. Doch würden wir uns irren, wenn wir hier in der Nähe das Nest vermuthen. Meistens steht dasselbe vielmehr weitab von den Orten, wo sie sich umhertummeln, versteckt im höchsten und dichtesten Wipfel eines schlanken Baums, vornehmlich einer italienischen Pappel oder auch tief im etwas über mannshohen Kieferndickicht und nur selten noch niedriger in einem sehr dichten Dornstrauch. Es ist aus Reisern, besonders schmiegsamen Dornzweigen, geflochten, hat überall, wo die Elster verfolgt wird, einen dicken Boden von thoniger Erde, auf welchem die aus Würzelchen, Haren und Federn gerundete Mulde steht, die im Gegensatz zu den Nestern aller verwandten Vögel, mit einem aus Gezweige und Dornen dicht geflochtnen Dach überwölbt ist und von einer Seite her das Einschlupfloch hat. So ist das Nest in jeder Weise gesichert, denn von oben her ist der brütende Vogel wenig zu bemerken und also den Angriffen der gefiederten Räuber nicht ausgesetzt, und von unten her vermag selbst ein Schuß von starkem Schrot den Boden kaum zu durchdringen. Zu Mitte oder zu Ende des Monats April finden wir das Gelege von sechs bis acht Stück grünlichen, aschgrau und braun bespritzten Eiern, welche vom Weibchen allein in 18 Tagen erbrütet werden, während beide Gatten des Pärchens die Jungen gemeinsam ernähren. Nach Beendigung der nur einen Brut, welche alljährlich gemacht wird, schweifen die jungen Elstern im Spätherbst und Winter zwischen den Scharen von Krähen, auch wol mit Eichelhehern gesellig umher. Man verfolgt die Elstern am meisten durch Erlegen auf der Krähenhütte oder durch Zerstören ihrer Nester. Die alte Elster ist schwer zu fangen, dagegen werden die Jungen gern und häufig aus den Nestern gehoben und, wie bei den Krähen angegeben, aufgefüttert. Eine solche ist als Hof- und selbst als Stubenvogel recht beliebt, da sie ungemein zahm wird und komisch sich zeigt, auch eine Melodie nachflöten, sowie recht gut Worte sprechen lernt; im übrigen aber zeigt sie auch die unangenehmen Eigenthümlichkeiten der Krähenvögel und stiehlt, verschleppt und versteckt in listiger Weise allerlei glänzende und überhaupt auffallende Gegenstände. Als einen der bekanntesten unter allen unseren Vögeln hat sie der Volksmund erklärlicherweise auch mit zahlreichen Namen: Adelster, Aegerst, Alaster, Algarde, Alster, Ascholaster, Aster, Atzel, Egester, Elsterrabe, Gartenkrähe und -Rabe, Grückelster, Häster, Heister, Heste, Hetze und Scholaster benannt.