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Die Raken ( Coracidae).

Im Gegensatz zu den letztbesprochenen Vögeln haben wir hier solche vor uns, die trotz ihrer weiten Verbreitung über alle Welttheile, mit Ausnahme von Amerika, doch nur in wenigen Arten und in Europa wiederum nur in einer vorkommen. Ihr Gefieder ist voll und ziemlich hart, mit prächtig glänzenden Farben und wenig verschiedner Färbung der beiden Geschlechter. In der Größe stehen sie den kleineren Krähenvögeln gleich, mit denen sie auch, wenigstens auf den ersten Blick, in der Erscheinung und im Wesen Ähnlichkeit haben, sodaß die älteren Vogelkundigen unsre einheimische Art fast immer ohne weitres zu denselben stellten; dies bezeugen auch zahlreiche volksthümliche Namen. Durch folgende Merkmale unterscheiden sich die Raken indessen durchaus:

Der Schnabel ist kräftig, mittellang, an der Wurzel ziemlich breit, seitlich wenig zusammengedrückt, an der Spitze des Oberschnabels gebogen und hakig, am Grunde ziemlich stark umborstet, mit länglichen, schiefstehenden nackten Nasenlöchern. Die Flügel sind lang und breit und von den zehn großen Schwingen ist die zweite am längsten. Der aus zwölf Federn bestehende Schwanz ist verhältnißmäßig lang und breit und hat bei manchen fremdländischen Arten jederseits eine weit hervorstehende Feder; bei der einheimischen Rake ist er abgerundet. Die Füße sind kurz und kräftig mit ganz freistehenden Zehen und starken spitzigen Nägeln.

Auch hier muß ich mir wiederum alles Nähere für die einzige einheimische Art vorbehalten.


Die Blaurake ( Coracias garrula, L.).

Tafel XXII, Vogel a.

Tafel XXII. Sommergäste:
a. Blaurake (Coracias garrula, L.),
b. Nachtschwalbe (Caprimulgus europaeus, L.)

Wiederum eine Erinnerung aus frühester Jugendzeit her gewährt mir dieser schöne, inmitten des nördlichen Waldes gar absonderlich fremdartig erscheinende Vogel. Der Stadtwald meines Heimatsorts, obwol so genannt, lag am weitesten entfernt von allem übrigen Gehölz, welches zum Bezirk des Städtchens gehörte; er bildete, weil er schon vielfach gelichtet und die uralten Eichen und Buchen größtentheils heruntergeschlagen waren, eigentlich nur ein Vorgehölz der meilenweit hin sich erstreckenden Statsforsten. Während jene aber durchgängig oder doch größtentheils in reinem Nadelholz bestanden, bildete gemischtes Laubholz mit Kiefern durchsetzt den Baldenburger Stadtwald. Schon als Knabe von höchstens zehn Jahren konnte ich hier die Mandelkrähe am Nest belauschen. Einst hatte die Forstabtheilung der hohen Obrigkeit des Städtchens, gar streng erwägend, Umschau gehalten, und eine Anzahl alter edler Baumriesen sollte wieder ihrem Wahrspruch zum Opfer fallen; sie wurden meistbietend versteigert. Ein solcher Baum, eine stattliche Eiche, die aber das Unglück gehabt, daß ihr der Sturm den Wipfel abgebrochen, sollte gleichfalls heruntergeschlagen werden. Mit dem Herantreten der Holzhauer aber flüchtete aus den verschiedenen Ast- und Stammlöchern mannigfaltiges Vogelleben. Noch gab es damals keine Gloger'schen Vogelschutzschriften und der praktische Vogelschutz war weder bekannt noch nothwendig; aber umsomehr fühlte die Jugend das Bedürfniß, sich der Vögel – wie der Thiere überhaupt – liebevoll anzunehmen. Als beim ehrsamen Ackerbürger der Einspruch, welcher an sein Herz und seine etwaigen thierfreundlichen Gefühle sich wandte, nichts verschlug, indem er achselzuckend darauf hinwies, daß er den Baum doch für Geld gekauft habe, und ihn nun zum Brennholz verbrauchen müsse, konnte der Knabe es schließlich nur durch einen Griff in die Sparbüchse mit der Bezahlung des Kaufpreises und einer Mehrzahlung von ›zwei guten Groschen‹, nach damaligem Gelde, erwirken, daß der Baum bis auf weitres stehen blieb. Diese alte verstümmelte Eiche im Stadtwalde war nun mein erstes namhaftes Eigenthum, und an jedem schulfreien Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittag wanderte ich den stundeweiten Weg hinaus, um auf einem Rasensitz, welchen das Wurzelwerk eines vom Sturm geworfnen Waldriesen gebildet, meinen Baum und das Thierleben auf demselben zu beobachten. Wenn ich lange Zeit laut- und regungslos dagesessen und Vierfüßler und Vögel beschaut, dann kamen zuletzt auch die scheuesten und vorsichtigsten herbei. Wer ermißt die Erregung des jugendlichen Naturforschers, wenn die prächtig bunte Rake oder Mandelkrähe in der Ferne sich zeigte, wie sie flüchtig und ruhelos, im leichten, gewandten Fluge durch das Dickicht schlüpfend und erst im großen Bogen den Nistbaum umfliegend, endlich herbeikam und in das tiefe Astloch, in welchem das Nest stand, hinabschlüpfte! Eine Reihe von Jahren hindurch habe ich hier im Vorgehölz immer zwei oder selbst drei Raken-Nester gesehen, während ich späterhin beim Durchschweifen und sorgfältigstem Durchsuchen der weiten Forsten hier niemals mehr ein solches fand. Selbstverständlich ließ ich es mir nicht nehmen, das eine und andre dieser Nester im Lauf der Jahre zu untersuchen. Als ich dann, zu Mitte oder Anfang des Monats Mai, den Nistbaum erklimmte und vermittelst eines Stemmeisens etwas nachhelfend zu dem Nest gelangte, fand ich es bestehend in einer aus dünnen Halmen, Fasern und Würzelchen kunstlos geformten und mit Thierharen und Federn ausgerundeten Mulde mit vier bis sechs rein- und glänzendweißen, sehr runden Eiern, welche von beiden Gatten des Pärchens abwechselnd in 18 Tagen erbrütet werden. Oft habe ich beobachten können, mit welchem Muth diese sonst so scheuen Vögel unter kreischendem räh, räh und krächzendem kräh, kräh, jeden annähernden Feind, wie Eichkätzchen, Elstern, Krähen, selbst den durchs Vorholz dahinstreichenden Raubvogel, den nach Nestern umhersuchenden Hirtenbuben verfolgten und mir selbst fast in's Gesicht flogen. Auch brütete das Weibchen so fest, daß ich es unschwer mit der Hand ergreifen konnte. War dann aber der Feind vertrieben, so riefen sie einander mit oft wiederholtem, wie frohlockend erklingendem rak, rak. Kam ich dann eine Woche später zum Nest, so mußte ich mich immer schnell von hinnen wenden, denn die Raken entfernen, ebensowenig wie die Wiedehopfe u. a., den Koth der Jungen und die Niststätte verbreitet bald scheußlichen Gestank. Ihre Nahrung besteht in allerlei Kerbthieren und Gewürm, auch Kriechthieren und ganz jungen, noch leicht zu erhaschenden Vierfüßlern und Vögeln; doch können sie kaum Schaden anrichten, während sie dagegen durch Vertilgung der in Wald und Feld allerschädlichsten Kerbthiere im höchsten Grade nützlich sind. Ihre Jungen füttern sie mit Maden und Larven, sowie mit weichen Kerbthieren auf.

Die Rake ist an Stirn und Oberkehle bläulichweiß; die ganze übrige Oberseite ist lebhaft blaugrün; der Bürzel reiner glänzend blau; der Rücken ist hellzimmtbraun; die Schwingen sind lasurblau und alle oberseitigen Flügeldecken blaugrün, am Grunde violettblauschwarz, die unterseitigen Flügeldecken aber sind tiefindigoblau; die Schwanzfedern sind hellblau, an der Innenfahne blauschwarz, die mittelsten reiner blaugrün; die ganze Unterseite ist blaugrün; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind braun und die Füße hellgelblichbraun. In der Größe bleibt sie etwas hinter der Dohle zurück (Länge 31 cm, Flügelbreite 70 cm, Schwanz 13 cm). Das Weibchen ist in allen Farben matter und mehr düstergrünlichblau; der Rücken ist graubraun und die schöne blaue Färbung der unterseitigen Flügeldecken ist schwächer und matter. Aber das ganz alte Weibchen ist dem Männchen gleich gefärbt. Das Jugendkleid ist an der Oberseite fahlgraugrün; am Rücken rostgelblichgrau, an den Schultern grünlichgraubraun; die Augen sind grau.

Als eigentlicher Sommervogel langt sie erst zu Ende des Monats April bei uns an. Obwol sie in ganz Europa bis Schweden hinauf vorkommt, so ist sie doch in allen nördlichen Theilen recht selten, dagegen im Süden häufiger zu finden; in Deutschland lebt sie stets in ebenen Gegenden, nicht aber in den Gebirgen, und zwar im Vorgehölz lichter, gemischter Waldungen, doch natürlich nur dann, wenn in denselben alte Bäume stehen, die ihr in Ast- und Stammlöchern entsprechende Nistgelegenheiten bieten. Wo diese mangeln, soll sie übrigens auch, besonders in Südeuropa, in Erdlöchern, wie die Schwalben, ja selbst in einem Mauerloch, nisten. Schon zu Anfang des Monats September wandern sie, zunächst in Familien und dann in allmälig größer werdenden Scharen bis nach Mittel- und Südafrika oder Indien zur Überwinterung. Für die Liebhaberei hat die Rake nur beiläufig Interesse. Infolge ihrer Schlauheit ist sie schon von vornherein schwierig, mit Leimruten oder Schlingen, zu fangen. Geschieht dies am Nest, so kommt der alte Vogel sowol als auch die Jungen meistens um, denn der erstre ist ungemein wild und stürmisch, zerstößt sich den Kopf und das Gefieder und läßt die Jungen verhungern. Es ist eine große Grausamkeit, wenn man den im Freileben nur wenig zur Erde herabkommenden Vogel mit verschnittenen Flügeln im Zimmer umherlaufen lassen will, denn er geht immer elendiglich zugrunde. Eher läßt es sich ermöglichen, aus dem Nest gehobene Junge mit frischen Ameisenpuppen, gehacktem Herz oder anderm magern Fleisch und Käsequark unter Zugabe von allerlei lebenden Kerbthieren aufzufüttern und an ein Mischfutter zu gewöhnen. Am besten erhalten sie sich in einem großen Flugkäfig, wo sie auch verträglich gegen andere Vögel sind, mehrere Jahre gut ausdauern und ungemein zahm werden. Aber ihre Gefräßigkeit und Schmutzerei verleidet sie dem Liebhaber doch bald. Ihre übrigen Namen lauten: Blaurock, Birk und leberfarbiger Birk, Haide-, Kuchen- und Kugelelster, Galgenröckel, Blau-, Mandel- und Mer-Heher, Blau-, Garben-, Gold-, Grün-, Mandel- und Straßburger -Krähe, deutscher Papagei, Raake, blauer Rabe, gemeine Racke, Racker und europäischer Roller, Galgen-, Gells-, Golk-, Hals-, Halt- und Rackervogel. An viele von diesen Namen knüpfen sich offenbar seit altersher abergläubische Vorstellungen.


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