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welche uns wiederum nur in einer europäischen Art entgegentreten, haben folgende Kennzeichen:
Der Kopf ist dick und breit, mit flacher Stirn und großen hervorstehenden Augen. Der Schnabel ist sehr kurz und klein, an der Spitze gebogen, mit einer überaus großen bis weit hinter die Augen reichenden Mundspalte, und stark umborstet. Die Flügel sind lang und spitz mit zehn Handschwingen, deren zweite am längsten ist, während die erste und dritte nur wenig kürzer sind. Der Schwanz ist verhältnißmäßig groß, mittellang und gerundet, er besteht aus zehn Federn. Die Füße sind schwach, kurzbeinig mit sehr verlängerter Mittelzehe und kleinen schwachen Krallen. Das Gefieder ist sehr voll und weich, ähnlich wie das der Eulen.
Ihre Lebensweise werde ich bei unsrer Nachtschwalbe im Folgenden schildern; ebenso auch alle ihre Beziehungen für das Menschenleben, ihre Nützlichkeit für den Naturhaushalt u. a. m.
Tafel XXII, Vogel b.
Tafel XXII. Sommergäste:
a. Blaurake (Coracias garrula, L.),
b. Nachtschwalbe (Caprimulgus europaeus, L.)
Fast volle Dunkelheit ist im tiefen Walde eingetreten. So ziehen wir den Weg dahin, langsam und mühselig, denn einerseits sind wir schon eine weite Strecke gewandert und andrerseits waten wir im tiefen, losen Sande; auch sind wir schwer beladen, denn die Jagd auf dem Anstand weit draußen am Waldsaum, zwischen den angrenzenden Getreide- und Kartoffelfeldern hat seltne Beute ergeben, ein Wildschwein nämlich, aus dem Rudel, welches die Äcker ringsum zu verwüsten pflegt. Abwechselnd tragen die Jäger das Stück Wild zu zweien, über eine Stange gehängt. So treten wir aus der Heide heraus, auf eine weite, freie Fläche, und als nun der Vollmond plötzlich aus dem Gewölk hervorbrechend, mit schönem, milden Licht die Landschaft übergießt, schwebt dicht vor uns ein Vogel huschend hin und her. Die Jüngsten unter den Waidmännern können es trotz aller Müdigkeit nicht über sich gewinnen, den Schuß nach einem solchen Ziel zu unterlassen. Sie reißen die Flinten von den Schultern und die Schüsse krachen. Während der Knall durch das Waldthal verhallt, hier und da im Echo sich wiederholend, und der Pulverdampf dahinzieht, freuen wir uns darüber, daß trotz der Harmlosigkeit des Vogels und seiner unmittelbaren Nähe die Schüsse fehl gegangen, denn die Nachtschwalbe, der sie galten, gehört zu den allernützlichsten unserer Vögel der Heimat. Leider nur zu oft wird sie trotzdem von heimkehrenden jugendlichen Schützen, insbesondre aber Sonntagsjägern, lediglich aus Muthwillen, vielleicht nur um vor der Heimkehr die Schüsse zu lösen, heruntergeschmettert.
Sie ist an der ganzen Oberseite grau, dunkelrostroth und schwarzbraun gefleckt, gepunktet und gewellt; Kopfmitte und Nacken sind schwach heller aschgrau mit rostgelblichem Schein und schwarzbraun längsgefleckt; Zügelstreif und Kopfseiten sind schwarzbraun, hellrostroth gefleckt; an den drei ersten Schwingen ist je ein weißer Fleck, die großen Flügeldecken haben weiße Endflecke und über die Schulter zieht sich eine breite weißliche, schwarzbraun gefleckte Binde; der Schwanz ist ebenso wie der Oberkörper grau, schwarzbraun und rostroth gewellt und die beiden äußersten Federn jederseits haben große weiße Endflecke; die ganze Unterseite ist weißlichgrau mit dichten rostgelben und schwarzbraunen Wellenlinien; der Schnabel ist schwärzlichhorngrau, die Augen sind tiefbraun, die Füße bläulichdunkelgrau und die Mittelzehe ist mit den beiden anderen durch ein Häutchen bis zum ersten Gelenk verbunden. Das Weibchen ist im ganzen düstrer gefärbt; der Fleck auf den Schwingen ist gelb und der Endfleck an den Schwanzfedern ist schwach roströthlichgelb. Nahezu in Taubengröße, ist sie doch viel schlanker und mehr lang gestreckt (Länge 28 cm, Flügelbreite 55 cm, Schwanz 15 cm).
In fast ganz Europa und ebenso in Westasien und Sibirien ist unsre Nachtschwalbe heimisch; bei uns in Deutschland kommt sie trotz der geschilderten und leider auch noch vieler anderen Verfolgungen doch stellenweise noch ziemlich häufig vor und vornehmlich innerhalb großer Waldungen, in denen freie Stellen, Wiesen- und Haidekrautflächen wechseln, sodann aber auch Vorhölzer und selbst minder große Feldhölzer mit alten Bäumen beherbergen sie. Wenn wir uns hier, besonders auf den nach Süden hin sich erstreckenden, also gegen die rauhen Winde geschützten Blößen, umsehen, so können wir den wunderlichen Vogel vom Beginn des Monats Mai an unschwer belauschen. Zu den Nacht- oder richtiger Dämmerungs-Vögeln gehörend, ruht er am Tage auf der Erde oder einem schräg stehenden Baumstumpf, einem niedrigen dicken Ast, auf letzterm der Länge nach hingekauert, sodaß man ihn fast mit den Händen ergreifen kann. Da seine Gefiederfärbung von der Baumrinde oder der Bedeckung des Fußbodens sich nur wenig abhebt, so ist er schwierig zu bemerken. Mit der heranbrechenden Dämmerung wird die Nachtschwalbe munter, fliegt hurtig dahinschießend, dann schwebend und gaukelnd, geräuschlos hin und her, ihrer Nahrung nachgehend, welche in den schädlichsten Kerbthieren, vornehmlich Nachtschmetterlingen, großen Käfern u. a. m. besteht. Zu Anfang des Monats Juni hören wir an den erwähnten Orten abends vielfach die Locktöne, leise dak, dak und lauteres häit, mit denen die Gatten des Pärchens einander rufen, und dann läßt das Männchen auch sein sonderbares, weithin schallendes schnurrendes errr und örrr, wechselnd im höhern oder tiefern Ton, seinen Liebessang hören. Suchen wir sodann am Tage, so finden wir auch wol das Nest, d. h. das Gelege von zwei düsterweißen, braun- und bläulichgrau gemarmorten Eiern, welche ohne einen Nestbau auf der bloßen Erde an einer versteckten Stelle, zwischen Haidekraut und Gestrüpp oder auch im Mos auf einem Baumstumpf liegen und von beiden Alten in 16 Tagen erbrütet werden. In ähnlicher Weise, wie ich es bei den Grasmücken geschildert, stellen sich die Alten flügellahm, um einen nahenden Feind von ihrer Brut hinwegzulocken. Das Jugendkleid gleicht dem der Alten, nur ist es fahler gefärbt, matter gezeichnet und hat nicht die auffallenden helleren Flecke. Nach Beendigung der Brut schweifen Alte und Junge umher, ohne sich viel um einander zu bekümmern, doch schlagen sie sich auch wol mit anderen zu einem, freilich niemals vielköpfigen Schwarm zusammen und wandern so, schon gegen den September hin, zur Überwinterung bis tief nach Afrika hinein. Für die Vogelliebhaberei ist die Nachtschwalbe kaum zugänglich; alteingefangen stirbt sie regelmäßig und wenn man dagegen aus dem Nest gehobene Junge mit frischen Ameisenpuppen, Quarkkäse und gekochtem, geriebnem Rinderherz auffüttert und dann mit einem Mischfutter unter Zugabe von allerlei lebenden Kerbthieren ernährt, so sind sie immerhin aufzubringen, jedoch nur mühsam, und auch nicht für längere Dauer zu erhalten. Um der großen Nützlichkeit willen sollte man diesen Vogel niemals fangen oder tödten. Sein sonderbares Aussehen und Wesen hat ihn im Volksglauben früherer Zeiten mit vielen wunderlichen Vorstellungen verknüpft und dementsprechend lauten manche seiner Namen; er wird auch Brillennase, Hexe, Kalfater, Pfaffe, Nachtrabe, -Schade, -Schatten, -Wanderer, Gais-, Geis-, Kinder-, Kuh- und Ziegenmelker, Milch- und Ziegensauger, bärtige Schwalbe, Tagschlaf und Tagschläfer genannt.