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Die Kukuke ( Cuculidae).

Überaus mannigfaltig tritt uns die geschlecht- und artenreiche Familie der Kukuke entgegen, welche über alle Erdtheile verbreitet ist, während sie bei uns in Europa wiederum nur in einer einzigen Art vorkommt. In folgenden besonderen Merkzeichen unterscheiden sich die Kukuke von anderen Vögeln:

Etwa von Taubengröße, wechselnd auch geringer, sowie noch bedeutend größer, erscheinen sie schlank, von gestrecktem, aber überaus kräftigem Körperbau und mit vollem dichten Gefieder. Der Schnabel ist verhältnißmäßig klein, an der Spitze schwach gebogen und seitlich etwas zusammengedrückt, mit nackten, runden oder ritzenförmigen Nasenlöchern. Die mittellangen Flügel sind schmal und sehr spitz. Der ziemlich lange, gerundete Schwanz besteht aus zehn oder auch acht Federn. Der Fuß ist kurz, seltner hochbeinig, hat bei den meisten zwei Zehen nach vorn und zwei nach hinten (Kletterfuß), von deren letzteren die eine beweglich (Wendezehe) ist, mit sehr verschiedenen Krallen und bei einer Sippe mit einem Spornnagel.

Nächst diesen allgemeinen Kennzeichen haben die eigentlichen Kukuke, zu denen der unsrige gehört, noch folgende besondere Merkmale:

Das Gefieder ist dicht und derb. Der schlanke Schnabel ist am Grunde wenig verdickt, zusammengedrückt, scharfschneidig, vorn ein wenig gebogen, hat kaum die Länge des Kopfs und ritzenförmige Nasenlöcher. Die Zunge ist nicht vorschnellbar. An den mittellangen Flügeln ist die erste Schwinge verkürzt und die dritte am längsten. Der lange gerundete Schwanz besteht aus zehn Federn. Der kurze, bis an die Fersen befiederte Kletterfuß hat eine Wendezehe.


Der Kukuk ( Cuculus canorus, L.).

Tafel X, Vogel b.

Tafel X. Sommergäste:
a. Pirol (Oriol us galbula, L.),
b. Kukuk
[Tafel fehlt]

Im kleinen Hain, zwischen Wiesen und Auen, seitwärts einen weithin blinkenden Landsee vor uns und den tiefen dunkeln Hochwald hinter uns – so haben wir hier ein Stückchen schöne Natur, welches uns jetzt, im voll und reich eingekehrten Frühling, als ein Paradies des Thier- und Pflanzenlebens dünkt. Alles rings um uns her jubelt, singt und klingt, Alles prangt in den schönsten Farben und duftet süß und würzig. Zum Abend hin, mit der beginnenden Dämmerung, verstummen die lauten, schrillen und schnarrenden Stimmen mehr und mehr und die sanften, melodischen kommen zur Geltung. Aber inmitten des herrlichen Frühlingskonzerts der Gefiederten, wenn Nachtigal, Schwarzplättchen, Sprachmeister u. a. m. in ihren schönsten Melodieen wetteifern – da gehören auch einige absonderliche Töne in die Harmonie des wonnigen Stimmen-Vielerlei, die wir nimmer entbehren möchten: der Kukuksruf und der Flötenton des Pirols, ja das Summen der in der lauen Luft tanzenden Mückenschwärme und selbst den Brummton eines vorübersausenden Käfers. Heute aber wollen wir den stürmischen Vogel näher in's Auge fassen, der ein Weibchen durch das Erlengebüsch hin und her verfolgt, ihm immerfort wol fünfzehn- bis dreißigmal seinen lauten melodischen Ruf kukuk oder guguk entgegenjauchzt, während dieses mit heiseren Tönen kwawawa, welche der Volksmund das Gelächter des Kukuks nennt, antwortet und dann auch seinerseits einen hellkichernden Ruf kikikik ertönen läßt.

Der Kukuk ist an Kopf, Hals, Rücken, Flügel- und oberen Schwanzdecken bläulichaschgrau; die großen Schwingen sind schwarzgrau, an der Innenseite mit weißen Querflecken, die kleinen Schwingen sind dunkelgrau mit je drei weißen Flecken; die Schwanzfedern sind schwarz, weiß quergefleckt; die Wangen und der Hals sind reinaschgrau, die Brust ist bläulichaschgrau; der Bauch ist weiß mit rostgelbem Schein und schwach schwarzgestreift; die ganze übrige Unterseite ist düsterweiß; der Schnabel ist schwarzbraun, am Grunde gelblich mit orangerothem Rachen und gleichen Winkeln, die Augen sind feuerroth mit gelbem Rande und die Füße hellgelb. Die Kukuksgröße ist bekannt (Länge 33 cm, Flügelbreite 63 cm, Schwanz 17 cm). Das Weibchen ist bedeutend kleiner, in allen Farben und Zeichnungen matter; seine Augen sind heller.

In ganz Europa, auch in Asien und Afrika heimisch, ist der Kukuk bei uns in Deutschland überall, wo es mannigfaltigen Baumwuchs gibt, und vorzugsweise in der Nähe von Wiesen und Gewässern, gleicherweise wie im Laub- und Nadelwald, auch auf den Baumreihen der Landstraßen, in Baumpflanzungen und selbst in großen Gärten, etwa von der Mitte des April an zu hören, weniger aber zu sehen, denn er ist überaus scheu, flüchtig und so mißtrauisch, daß er nur selten die Annäherung eines Menschen erträgt. Im hurtigen, gewandten Fluge, in kurzer Entfernung geradeaus pfeilschnell durch das Dickicht dahinschießend, niemals aber weithin über eine Blöße fliegend, auf dem Boden ungeschickt hüpfend, wird er überall, wo er sich blicken läßt, von kleinen Vögeln geneckt und verfolgt. Zur Ruhe läßt er sich immer auf einem starken Ast nieder, weil er sich auf einem dünnen schwankenden mit seinen Kletterfüßen nicht zu halten vermag; trotzdem aber kann er auch nicht wirklich klettern. Bekanntlich lebt er nicht parweise und gleich den meisten anderen Vögeln in Einehe, sondern jeder einzelne Kukuk, Männchen wie Weibchen, durchstreift seinen Bezirk rastlos vom Morgengrauen bis zum späten Abend, indem er an bestimmten Stellen täglich mehrmals vorüberkommt. In der Liebeszeit, etwa vom Beginn des Mai an, ist er überaus erregt, fliegt wie blind und toll umher, oft mehrere Männchen hinter einem Weibchen, versäumt dann seine sonstige Vorsicht nicht selten und läßt sich durch Nachahmung des Rufs unschwer herbeilocken. Das Weibchen erbaut bekanntlich kein Nest, erbrütet und ernährt auch nicht die Jungen, sondern legt seine Eier in die Nester anderer Vögel, und zwar ebensowol in die von Körner- als auch von Kerbthierfressern. Freilich wird es unter den ersteren nur die Nester der Arten wählen, welche ihre Jungen in der frühesten Zeit ganz und später größtentheils gleichfalls mit Kerbthieren und deren Bruten ernähren. Übrigens hat man Kukukseier selbst in den Nestern von großen Vögeln, wie Heher und Elster, ja sogar in denen der Ringel- und Turteltauben gefunden. Im ganzen will man bis jetzt wol gegen siebzig Arten der verschiedensten Vögel festgestellt haben, in deren Nestern ein Kukuksei oder ein junger Kukuk gefunden worden; am meisten aber werden die Nester der Grasmücken, Laubvögel, Bachstelzen, Rothkehlchen, Rothschwänzchen, Schilfsänger und auch Pieper von ihm heimgesucht. Das Kukuksweibchen huscht, wennmöglich heimlich, zu einem Vogelnest heran, legt sein Ei hinein und wird dann meistens unter schrillem Klagegeschrei von den Vögeln verfolgt. Nur ein Ei legt es in jedes Nest, und wenn das letztre für seine Größe unzugänglich ist, so soll es das Ei auf die Erde legen und dasselbe mit dem Schnabel in das Nest hineinbringen. Die Eier sind in Größe, Gestalt und Färbung außerordentlich veränderlich und jedes Kukuksweibchen soll immer die Nester solcher Vogelarten wählen, denen seine Eier am meisten gleichen. Der junge Kukuk ist in jedem Vogelnest an der verhältnißmäßig bedeutendern Größe, dickem Kopf und großen Augen immer leicht zu erkennen, auch daran, daß er fortwährend sein zirpendes Geschrei zissis, zissis nahrungbettelnd erschallen läßt. Infolge seiner Gefräßigkeit müssen die anderen jungen Vögel im Nest umkommen, auch wirft er sie wol, indem er sich unter sie drängt, aus dem Nest heraus, sodaß sie zugrunde gehen. Wenn er ausgeflogen ist, schreit er kräftiger zirk, völlig flügge geworden, verhält er sich aber lautlos, bis er zu rufen beginnt. Im Jugendkleid erscheint er sehr veränderlich; an der ganzen Oberseite bräunlich-, röthlich- oder schwarzgrau, grauweiß und rothbraun geschuppt; an der Unterseite düsterbräunlich oder gelblichweiß, mit unregelmäßigen dunklen Wellenstreifen gezeichnet; der Schnabel ist röthlichgelb, die Augen sind grau, fahl rothgerandet, die Füße sind weißlichfleischfarben. Zuweilen kommt es vor, daß der junge Kukuk in einem Astloch steckt, aus welchem er nicht hinaus kann und in dem ihn die alten Vögel sehr lange Zeit füttern, bis sie ihn zuletzt nicht mehr zu ernähren vermögen und ihn dann verlassen, sodaß er elend umkommt. Durch die Zerstörung der vielen Vogelnester, in welche das Weibchen seine Eier legt, erscheint der Kukuk als schädlich; bedenkt man aber, daß er sich von den allerbösartigsten Kerbthieren, den beharten Raupen, welche keine anderen Vögel zu fressen vermögen, den Käfern u. a., die man nebst ihren Larven als ›Waldverderber‹ zu bezeichnen pflegt, vornehmlich ernährt, daß er ungemein freßgierig ist und soviel Nahrung verbraucht, als eine ganze Familie kleiner Vögel zusammen; erwägt man ferner, daß jene nützlichen Vögel durch den Kukuk, wenn auch in ihrer Vermehrung gehemmt, so doch keineswegs bedeutsam verringert oder gar in einer Gegend vertrieben werden; und ermißt man schließlich, daß uns in der Poesie des Naturlebens doch wol eine bedeutsame Anregung fehlen würde, wenn wir den Kukuksruf nicht mehr hören könnten – so werden wir einsehen, daß er zu den Vögeln zu zählen ist, die wir am thatkräftigsten schützen und hegen müssen. Mit dem Beginn des Monats Juli verstummt sein Ruf und gegen den September hin wandert jeder einzelne, die Männchen einige Tage früher als die Weibchen, nachts fliegend, südwärts bis nach Südafrika und Asien zur Überwinterung. Für die Liebhaberei an Stubenvögeln hat der Kukuk eigentlich ebensowenig Bedeutung wie die Schwalben. Wenn er zufällig in einer Schlinge oder auf Leim gefangen ist, so zeigt er sich zunächst überaus ungeberdig, läßt sich indessen eingewöhnen und mit frischen Ameisenpuppen, Mehlwürmern und allerlei anderen lebenden Kerbthieren an ein Mischfutter bringen; noch leichter ist es, junge Kukuke mit der genannten Nahrung, nebst Käsequark, gehacktem Herz u. a. aufzupäppeln. Aber dieser wie jene lohnen niemals die Mühe und Kosten, denn durch ihre Gefräßigkeit und Unreinlichkeit zugleich verleiden sie dem Liebhaber bald die Freude, machen auch überhaupt keinen angenehmen Eindruck; zum Rufen in der Gefangenschaft gelangt nur höchst selten ein solcher. Dann freilich kann, wer ein poetisches Gemüth hat, mit Schwarzköpfchen, Sprachmeister, Sumpfrohrsänger, dem rothrückigen Würger und daneben einem Kukuk sich auch in den Wintermonaten, wenn draußen Frost und Schnee das Naturleben gebannt, den Frühling in's Zimmer zaubern. Es ist wol erklärlich, daß ein Vogel, der sich in der Lebensweise so sehr abweichend von allen anderen zeigt und der sich allenthalben bemerkbar macht, Veranlassung zu mancherlei seltsamem Volksglauben gegeben; dementsprechend führt er eine beträchtliche Anzahl von Namen: Gauch, Guckaug', Gucker, Guckguck, Gugug, Gukguk, aschgrauer, europäischer, singender Kukuk und Waldlump.


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