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Die Grasmücken ( Sylviinae)

zählen von vornherein zu den lieblichsten und liebenswürdigsten unter allen unseren einheimischen Singvögeln. Als kleine, schlank gebaute, nicht glänzend bunte, aber angenehm gefärbte und seidenartig zart gefiederte Vögel zeigen sie folgende Eigenthümlichkeiten:

Der Schnabel ist ziemlich stark, an der Wurzel ebenso hoch wie breit, pfriemenförmig zugespitzt, an der Spitze übergebogen; die Flügel sind leicht gerundet, mittellang und die dritte oder vierte Schwinge ist am längsten; der Schwanz ist zugerundet, gerade oder spitz, verschieden lang und zwölffederig; die Füße sind kräftig, mittelhoch mit kurzen Zehen; die Farbe des Gefieders ist bräunlich oder röthlichgrau und die Geschlechter sind wenig oder garnicht von einander abweichend gefärbt. Die Grasmückengröße ist im allgemeinen bekannt; alle hierher gehörenden Vögel gleichen mehr oder minder dem Rothkehlchen, doch sind sie beiweitem schlanker und stehen nicht so hochbeinig da.

Im Jugendkleide sind die Grasmücken dem alten Weibchen ähnlich, jedoch etwas abweichend gefärbt.

Vorzugsweise der Norden der alten Welt ist ihr Verbreitungsgebiet, und der Laubwald oder doch gemischtes Gehölz, selten reines Nadelholz, bilden ihre Heimstätten. Ungemein lebhaft und anmuthig, zierlich in allen Bewegungen, hüpfen und schlüpfen sie gewandt durch das Dickicht, und in diesem halten sie sich auch, infolge ihrer überaus großen Ängstlichkeit, vornehmlich auf. Ihr Flug ist unsicher und geht auf weitere Entfernungen hin in Bogenlinien. Zur Erde kommen sie nur selten herab, vielmehr sind sie eigentliche Baumvögel, die sich auch gern in den Wipfeln jüngerer Bäume umhertummeln. Sie sind Zugvögel, welche zum Theil schon früh, etwa im Beginn des April oder doch bis zum Mai hin ankommen und erst spät familienweise wandern, um bis zur Mitte Afrikas zur Überwinterung zu ziehen.

Alle Grasmücken sind angenehme Sänger und manche gehören zu den hervorragendsten unter unseren Gesangskünstlern. Ihr Nest steht fast immer niedrig bis mannshoch im dichten Gebüsch, selten höher im Wipfel eines jungen Obstbaums. Es ist eine zierliche, offne Mulde, aus Halmen, Stengeln, Mos und Kerbthiergespinnsten gewebt, mit Pferdeharen, Würzelchen und Gräsern ausgerundet. Vier bis sechs, seltner mehr Eier bilden das Gelege.

Die Jungen verlassen das Nest sehr frühe, schlüpfen in dichtes Gestrüpp und wissen sich hier vor ihren vielen Feinden gut zu verbergen. Gewöhnlich erfolgen mehrere Bruten in einem Jahr. Die Brutdauer beträgt 13 bis 14 Tage und das Männchen löst sein Weibchen in der Regel nur mittags ab. Alle Grasmücken lieben ihre Brut außerordentlich. Das Weibchen brütet sehr fest, so daß es sich fast mit der Hand ergreifen läßt. Beim Nahen eines Feindes pflegen sie wunderliche Verstellungskünste anzuwenden, indem sie sich flügellahm stellen und scheinbar unbeholfen, leicht zu erhaschen, dicht vor ihm herhüpfen, um ihn aus der Nähe der Brut fortzulocken, dann aber wenn dies geglückt ist, plötzlich auf und davon und im Bogen zum Nest zurückzufliegen. Trotzdem verlassen sie beinahe sämmtlich das Nest leicht, wenn man die Eier oder noch kleinen Jungen berührt, ja, manchmal sogar schon, wenn man nur hineinsieht.

In kriechenden und fliegenden Kerbthieren nebst deren Bruten und allen Verwandlungsstufen, insbesondre in Haften, Motten, Kleinschmetterlingen, sowie auch allerlei weichem Gewürm besteht ihre Nahrung, und zur Zeit nehmen sie sodann auch sehr gern Kirschen, Weintrauben, andere Beren und dergleichen Früchte. Als Vertilger schädlicher Insekten stehen sie in den Reihen unserer nützlichen Vögel hochobenan. Da ihnen an Hecken und dichtem Gebüsch in Gärten und Hainen, Feldgehölzen, Waldrändern und Flußufern leider immer mehr die Niststätten geraubt werden, so verringert sich bedauerlicherweise ihre Anzahl allenthalben auffallend. Die Vogelfreunde sollten sie daher vornehmlich thatkräftig schützen; als ihr schlimmster Feind, namentlich in Gärten und Hainen, darf die Hauskatze gelten.

Für viele Vogelliebhaber haben die Grasmücken besondern Reiz, nicht allein um ihres Gesangs willen, sondern auch weil sie ungemein zahm und zutraulich werden und sodann weil sie, wenigstens in manchen Arten, überall leicht zu erlangen sind; andere freilich sind selten und sehr begehrt. Bei sorgsamer Pflege, welche im wesentlichen mit der bei den Erdsängern angegebnen übereinstimmt, vor allem bei Vermeidung der erwähnten schädlichen Einflüsse, dauern sie, obwol sie im allgemeinen doch recht zarte Vögel sind, vortrefflich aus. Ihr Käfig muß in Größe und Einrichtung mit dem Nachtigalkäfig übereinstimmen. Auch im Gesellschaftskäfig werden sie gehalten, mit Ausnahme der einen oder andern Art, z. B. der Klappergrasmücke, welche unfriedlich ist. Die Eingewöhnung geschieht wie bei der Nachtigal, aber im verdeckten Käfige mit frischen Ameisenpuppen, kleinen Mehlwürmern, frischen oder angequellten Hollunderberen an Nachtigalfutter unter Zugabe von Schnittchen süßen Apfels und Birne, auch Weinberen und etwas Weizenbrot in Milch geweicht. Zur Zug- und Nistzeit zeigen sie im Käfig überaus große Unruhe, und um zu verhindern, daß sie sich dann beschädigen oder auch das Gefieder abstoßen, bringt man den Käfig, in welchem der einzelne Sänger wohnt, in der Dämmerung in ein Zimmer, welches völlig dunkel wird und wo er ungestört bis zum nächsten Morgen verbleibt. Die meisten Grasmücken nisten auch unschwer in der Gefangenschaft oder sie füttern fremde Junge, selbst von anderen Vogelarten, natürlich nur Kerbthierfressern, eifrig und mit Erfolg groß.


Die Gartengrasmücke ( Sylvia hortensis, Gmel.)

Tafel VI, Vogel a.

Tafel VI. Grasmücken:
a. Gartengrasmücke (Sylvia hortensis, Gunel.),
b. schwarzköpfige Grasmücke (S. atricapilla, L.),
c. Dorngrasmücke (S. cinerea, Lath.),
d. Zaungrasmücke (S. curruca, L.)

Nur im gemäßigten Europa heimisch, in Deutschland an vielen Orten zahlreich, ist sie anderwärts dagegen kaum mehr zu finden.

Ihr Kopf ist braungrau, über dem Auge jederseits mit einem weißlichen Streif; Rücken, Flügel und Schwanz sind braungrau, an den Nackenseiten ein wenig heller aschgrau; die Schwingen sind fahl gesäumt; die Kehle ist reinweiß; Brust und -Seiten sind gelblich angehaucht, und die ganze übrige Unterseite ist grauweiß; der Schnabel ist dunkelbraun, am Grunde heller, die Augen sind dunkelbraun und die Füße grau. Das Weibchen ist kaum zu unterscheiden, wenig matter gefärbt, an der Brust gelblich, und etwas kleiner. Sie gehört zu den größten Grasmücken (Länge 16 cm; Flügelbreite 15 cm, Schwanz 6 cm).

Zu Ende des Monats April oder auch erst im Beginn des Mai können wir sie in Hainen und Vorhölzern und außerdem namentlich in niedrigen Nadelholzschlägen mit einigem Laubholz gemischt, ferner in einzelnen dichten, dornigen Gebüschen in Gärten und auf Triften, niemals aber im reinen Nadelholz oder Hochwald, antreffen. Im September verläßt sie uns, nachts wandernd, und zieht bis Nordafrika, auch Kleinasien. Gegen den Juni hin erblicken wir im mittelhohen Gebüsch, vornehmlich in Dorn-, Haselnuß- u. a. Sträuchern, seltner auf jungen Hainbuchen, zuweilen sogar in hohem Nesselkraut, hier und da mehrere angefangene Nester und endlich finden wir auch das vollendete, eine ziemlich tiefe Mulde, die mit Grasrispen ausgelegt, aber so lose ist, daß wir manchmal die Eier von außen hindurch sehen können; sehr ungünstiger Witterung leistet es kaum Widerstand. Die Eier sind braunröthlich, bläulich schimmernd, grau und mattbraun gepunktet, gefleckt und gemarmort. Das Jugendkleid ist an der ganzen Oberseite grünlichbraungrau, an der Unterseite heller gelbgrau. Im Beginn des Juli erfolgt eine zweite Brut.

Während die Gartengrasmücke in der Ernährung mit den verwandten Arten als übereinstimmend sich zeigt, ist sie im Spätsommer doch vornehmlich Fruchtfresser, indem sie an Kirschen, allerlei Beren, Weintrauben u. a. zehrt. Ihre Locktöne erklingen täk, täk, täk, wä, wä, wüh, der Warnungsruf kreischend, bahr oder wahr. Als Sänger ist sie hochgeschätzt, denn ihr Lied ist melodienreich, erschallt angenehm flötend und wird unter lebhaftem Umherhüpfen von frühmorgens bis zum Sonnenuntergang und von der Ankunft bis etwa zum Ende des Monats Juni, seltner und einzeln auch noch im August vorgetragen. Als arger Feigenfresser wird sie auf dem Zuge in Südeuropa zahlreich gefangen und getödtet, und da sie bei uns besonders gern in unmittelbarer Nähe der menschlichen Wohnungen nistet, so fällt sie leider nur zu oft den Hauskatzen zur Beute. Ihre infolgedessen allenthalben bemerkbare Verringerung ist umsomehr zu bedauern, da sie eben zu den lieblichsten Erscheinungen unter unseren einheimischen Vögeln gehört. Obwol nicht scheu, ist sie doch ungemein vorsichtig und verläßt vorzugsweise leicht das Nest. Sie hat noch folgende Namen: graue, italienische, spanische und welsche oder welschende Grasmücke, Baumnachtigal, graue Nachtigal, Dornreich, Hagspatz, Heckenschmätzer, weißer und großer Fliegenschnäpper, grauer Sänger, grauer Spottvogel, große Weißkehle.

Auch sie ist als Stubenvogel beliebt, und hinsichtlich ihrer Behandlung und Verpflegung gilt ebenfalls das von der Nachtigal Gesagte. Ihre Eingewöhnung ist nicht schwer, wenn man sie in einen Käfig bringt, welcher an der nach dem Fenster hingekehrten Seite verdeckt und nach der Stube hin offen bleibt, weil sie sich sonst nicht beruhigt, sondern immerfort tobt. Zum Nachtigalfutter muß man ihr auch das fein zerschnittene Innere von Feigen oder allerlei Beren und ein wenig erweichtes Eierbrot bieten. Sie zählt übrigens zu den weichlichsten Stubenvögeln und dauert, selbst bei guter Pflege, meistens nur drei Jahre, in einzelnen Fällen allerdings auch zehn bis fünfzehn Jahre, aus. Im Käfig singt sie vom Dezember bis zum August und nimmt auch Strofen aus anderen Vogelliedern auf. Bei den Vogelhändlern ist sie nicht häufig zu finden.


Die Sperbergrasmücke ( Sylvia nisoria, Bechst.)

Lauschen wir still und bewegungslos dem Leben und Weben um uns her, so haben wir einen absonderlichen Anblick, wenn ungemein lebhaft und gewandt, zugleich jedoch scheu und furchtsam, eine der schönsten Grasmücken, die namentlich durch ihr grell gefärbtes Auge auffällt, vor und neben uns im dichten Gebüsch sich regt.

Sie ist an der ganzen Oberseite bläulichaschgrau mit dunkelgrauen Halbmondflecken gezeichnet; die Flügel sind bräunlichgrau, jede Feder ist hell gesäumt und hat gleichfalls einen schwarzbraunen Mondfleck; die Schwanzfedern sind dunkelgrau und sämmtlich, nur mit Ausnahme der beiden mittelsten, an der Spitze und Innenfahne weißlich gerandet; die Wangen sind grau, mit schwärzlichem Zügelstreif; die ganze Unterseite ist grauweiß, von der Kehle bis zum Steiß mit querlaufenden zierlichen Wellenlinien gezeichnet, welche an den unteren Schwanzdecken sehr breit sind und spitz endigen, so daß das ganze Gefieder gesperbert erscheint. Der Schnabel ist schwarzbraun, schwarz beborstet, die Augen sind lebhaft zitrongelb und die Füße grau. Das Weibchen ist düster-, nicht bläulichgrau, mit weniger dichten und lebhaften Wellenlinien gezeichnet und mit mattergelben Augen. Sie ist die größte unter unseren einheimischen Grasmücken (Länge 18 cm; Flügelbreite 28 cm; Schwanz 7,5 cm).

Auf einem hervorragenden Zweige sitzend, läßt sie ihre Lockrufe tschük, tschäk – errr und dann ihren melodienreichen lauten Gesang erschallen, in welchen sie auch Rufe und Strofen anderer Vögel, Pirol, Fink, Meisen u. a. hineinwebt und der jedesmal mit einem kräftigen tak, tak – errr beendigt wird; eifrig im Gebüsch hin und her hüpfend, dann und wann singend senkrecht emporsteigend und sich langsam wieder hinabsenkend, läßt sie sich so den ganzen Tag über und von der Ankunft, welche freilich unter allen Grasmücken am spätesten, erst zu Anfang des Monats Mai erfolgt, bis zur Mitte des Juni hören.

Ihre Verbreitung erstreckt sich über Mittel- und Südeuropa, doch auch nördlich bis Südschweden, und gleicherweise ist sie in Westasien heimisch. In Deutschland finden wir sie nur noch hier und da häufig, in manchen Gegenden garnicht. Gemischtes Dickicht, Haine, zwischen Auen und Feldern, auch Feldgehölze, selten Gärten, bilden ihren Aufenthalt. Das Nest steht gewöhnlich gut versteckt bis höchstens 3 Meter hoch, zuweilen dicht über der Erde im Dorngebüsch, zwischen Bromberranken u. a. Es ist etwas fester als das der anderen Arten, besonders aus Haidekrautwurzeln, geflochten und bildet eine ziemlich große und tiefe mit Pferdeharen ausgerundete Mulde. Die Eier sind grauweiß, aschgrau bis grünlichbraun gefleckt, am stumpfen Ende meistens mit einem Fleckenkranz gezeichnet. Das Jugendkleid ist an der Stirn gelbgrau, mit röthlichgelbem Augenbrauenstreif; an der ganzen Oberseite gelbgrau, jede Feder fahl gelb gesäumt; die Flügel sind dunkelgrau; der Schwanz ist dunkelaschgrau; die ganze Unterseite ist reinweiß, Brust- und Bauchseiten sind röthlichgelb. Nur eine Brut erfolgt in jedem Jahre und zwar zu Ende des Monats Mai oder im Beginn des Juni. Nächst kriechenden Kerbthieren, deren Larven und Puppen, sowie kleinem Gewürm besteht die Nahrung im Spätsommer auch in Hollunder-, Faulbaum- u. a. Beren. Im August schon wendet sich die Familie südwärts und zieht bis tief nach Afrika hinein.

Die Sperbergrasmücke gehört zu den beliebtesten, aber auch zartesten Stubenvögeln und ist nur bei kenntnißreicher und sorgfältiger Pflege für die Dauer zu erhalten. Mit Mehlwürmern, frischen Ameisenpuppen, frischen oder angequellten Hollunderberen und kleinen Stückchen von innerer Feige muß sie eingewöhnt und an ein Winterfutter aus getrockneten Ameisenpuppen, reichlich vermischt mit feinen Würfelchen von Birne oder süßem, weichem Apfel, gebracht werden. Da sie überaus stürmisch und unbändig ist und sich leicht wund stößt, so verhängt man den Käfig und bindet ihr auch wol die Flügel. Überaus schwierig ist sie zu überwintern, und wer eine vorjährige Sperbergrasmücke im guten Zustande und im vollen Gesange hat, darf fragelos als ein tüchtiger Vogelwirth gelten. Sie leidet auch vorzugsweise an Ungeziefer und muß äußerst sauber gehalten werden. Man nennt sie noch: große und spanische Grasmücke, großer Feigenfresser, gesperberte Nachtigal, gesperberter Sänger und Sperbernachtigal.


Die Dorngrasmücke ( Sylvia cinerea, Lath.)

Tafel VI, Vogel c.

Tafel VI. Grasmücken:
a. Gartengrasmücke (Sylvia hortensis, Gunel.),
b. schwarzköpfige Grasmücke (S. atricapilla, L.),
c. Dorngrasmücke (S. cinerea, Lath.),
d. Zaungrasmücke (S. curruca, L.)

Vom April oder Anfang Mai an begegnet uns durch fast ganz Europa, wo wir dichtes, dorniges, nicht zu hohes Gebüsch, mit einzelnen alten Bäumen, gleichviel auf trocknem oder feuchtem Boden, in Ebenen oder bergigen Gegenden betreten, die Dorngrasmücke, denn sie ist die häufigste und daher bekannteste von allen; auch in Kleinasien ist sie heimisch. Im Nadel- oder gebüschlosen Stangenholz, auch in unmittelbarer Nähe von menschlichen Wohnungen ist sie nicht zu finden und selbst kaum in großen Gärten.

An der ganzen Oberseite ist sie röthlichbraungrau; Kopf und Wangen sind aschgrau; die Flügel sind dunkelgrau, jede Feder breit rostroth gesäumt; der Schwanz ist dunkelbraun, die erste bis dritte Feder jederseits heller gesäumt, mit weißem Spitzfleck; Hals- und Brustseiten sind schwach röthlichgelb, die ganze übrige Unterseite ist reinweiß; der Schnabel ist horngrau, der Unterschnabel gelblich, die Augen sind bräunlichgelb und die Füße röthlichgelb. Das Weibchen ist am Kopf kaum aschgrau, sondern dunkelgrau, seine Flügelfedern sind nur schmal und matt rostroth gesäumt; die Kehle ist nicht rein-, sondern gelblich- oder grauweiß. Sie gehört zu den kleineren Grasmücken (Länge 15 cm; Flügelbreite 22 cm; Schwanz 6,5 cm).

Bei uns kommt sie zunächst einzeln an, und obwol sie sich vorsichtigerweise immer im Dickicht aufhält, so fällt sie doch durch ihre Lebhaftigkeit und fortwährenden Neckereien mit allem andern kleinen Gefieder bald auf. Ihr Flug ist hurtig und geht weithin in Schlangenlinien. Dak, dak, dak erklingen ihre Lockrufe, raa der Warnungslaut, den sie bei vermeintlicher oder wirklicher Gefahr mit gesträubten Stirnfedern und erhobenem Schwanz hören läßt. Inmitten des Gebüsches hin und her hüpfend, läßt sie auch ihren melodieenreichen, in hellen Flötentönen mit leisem Geplauder wechselnden Gesang eifrig erschallen, indem sie sich dann und wann jubelnd schnurgerade in die Luft emporschwingt. Da sie sich vorzugsweise von kriechenden Kerbthieren ernährt, so ist sie als Raupenvertilgerin in Gemüsegärten, welche sie dann zeitweise aufsucht, nützlich.

Im Mai oder Anfang des Monats Juni finden wir das Nest niedrig stehend, selten bis zu Mannshöhe, im dichten Dorngebüsch, auch wol im hohen Gras und Kraut, zuweilen an der Erde, immer jedoch sehr versteckt. Es ist lose zusammengeschichtet und mit Pferdeharen ausgerundet. Bläulich- oder grünlichweiße, hellblau bespritzte und gefleckte, am dickern Ende mit Fleckenkranz gezeichnete Eier bilden das Gelege. Das Jugendkleid ist dem der alten ziemlich gleich; die jungen Männchen sind lebhafter in den Farben, haben kräftiger rothgesäumte Flügelfedern und reiner weiße Kehle als die jungen Weibchen. Nur eine Brut alljährlich macht das Pärchen, und bereits im August, spätestens im September, zieht die Familie von dannen, zur Überwinterung bis nach den kanarischen Inseln und tief nach Afrika hinein.

Auch diese Grasmücke ist als Stubenvogel sehr beliebt, und man hat ihr gleichfalls zahlreiche Namen beigelegt: großes Müllerchen, Dornschmatz, Dornschmätzer, Dornreich, braune, fahle, gemeine und rostflügelige Grasmücke, Grasmutsche, Heckenschmätzer, Hagschlüpfer, Nachtsänger, fahler Sänger, Schnepfle, Spottvogel, Waldsänger, Weißkehlchen, kleine braune Weißkehle und Zaunhitscher. Hinsichtlich ihres Fangs, ihrer Ernährung und Verpflegung überhaupt gilt das bei der Nachtigal und den übrigen Grasmücken Gesagte. Ihre Eingewöhnung hat keine besondre Schwierigkeit und geschieht meistens im unverhängten Käfig; dagegen ist sie überaus zart und weichlich und kann selbst bei sorgfältiger Pflege kaum einige Jahre im Käfig erhalten werden.


Die Zaungrasmücke ( Sylvia curruca, L.)

Tafel VI, Vogel d.

Tafel VI. Grasmücken:
a. Gartengrasmücke (Sylvia hortensis, Gunel.),
b. schwarzköpfige Grasmücke (S. atricapilla, L.),
c. Dorngrasmücke (S. cinerea, Lath.),
d. Zaungrasmücke (S. curruca, L.)

Früher als alle anderen, etwa schon im Beginn des Monats April, kommt das liebenswürdige Müllerchen, seiner seltsamen, wie klapp, klapp, klapp erschallenden Locktöne wegen so oder auch Klappergrasmücke geheißen, bei uns an, und dann ist es in ganz Europa, von Südschweden bis Rußland und Italien, auch in Sibirien und Kleinasien zu finden, in Mitteleuropa, besonders Deutschland, aber am häufigsten. Gebüschreiche Gärten rings um die Ortschaften, auch innerhalb der letzteren, lichte Feldhölzer und der niedrige Vorwald, junge Nadelholzbestände, dann namentlich Weidensträucher längs der Flüsse, niemals jedoch der Hochwald oder finstere Dickichte, bilden ihre Aufenthaltsorte.

An der Oberseite ist sie röthlichbraungrau; der Oberkopf ist hellaschgrau, ein Streif über dem Auge schwach gelb, die Schwingen sind dunkelbraungrau, hellgelblich gesäumt, alle Deckfedern schwarzgrau; der Schwanz ist reiner grau, die äußerste Feder jederseits weißlich; die Kehle ist auffallend weiß; der ganze übrige Unterkörper ist gleichfalls, doch nicht so reinweiß, die Seiten sind hellröthlichgrau; der Schnabel ist bräunlichhorngrau, die Augen sind hellbraun, die Füße bleigrau. Das Weibchen ist schwierig zu unterscheiden. Sie ist eine der kleinsten Grasmücken (Länge 13,5 cm; Flügelbreite 21 cm; Schwanz 5,8 cm).

Als ein überaus lebhafter und beweglicher Vogel, hurtig dahinfliegend, auf der Erde schief seitwärts springend, dicht vor uns ungemein gewandt durch das Gebüsch schlüpfend und ihre leisen Locktöne tak, tak, tak rufend, fällt sie uns bald ins Auge, wenn sie ihr wunderliches Klappern ertönen läßt, immer hin und her hüpfend, dann mit aufgeblasner Kehle ihr leises, leierndes, doch melodisches Lied anstimmt und mit dem klappernden Triller beschließt. So erscheint es uns wol erklärlich, daß dieses Vögelchen allenthalben beliebt ist. Der Volksmund hat ihm außer den erwähnten auch noch mancherlei andere Namen beigelegt: blaue, geschwätzige, kleine graue und kleine weiße Grasmücke, kleiner Dornreich, kleiner Fliegenschnäpper, kleiner Heckenschmätzer, kleiner Hagspatz, kleiner Weißbart und kleines Weißkehlchen, Klappernachtigal und Waldsänger. Auch sie singt fleißig fast den ganzen Tag und während der ganzen Zeit, in welcher sie bei uns weilt.

Vorzugsweise kleine, nackte Raupen u. a. Larven, Blattläuse und späterhin Beren bilden ihre Nahrung. Niedrig bis etwa 3 Meter hoch steht das Nest im dornigen Gesträuch, namentlich in Stachelber-, Schwarz- und Weißdornhecken, leicht und flach gebaut und innen mit Schweinsborsten oder anderen Haren ausgelegt. Die Eier sind weiß oder bläulich, violettgrau, gelbbraun und schwarz gepunktet. Das Jugendkleid ist dem Alterskleide ähnlich, nur fahler, jedoch schon mit reinweißer Kehle. Das Pärchen nistet nur einmal im Jahr und zwar im Beginn des Monats Mai. Im September ziehen sie dann familienweise zur Überwinterung bis nach Nordafrika und Asien.

Das Müllerchen ist gleichfalls als Stubenvogel geschätzt und hinsichtlich des Fangs, der Eingewöhnung und Verpflegung gilt bei ihm das von den anderen Arten und insbesondre von der Nachtigal Gesagte. Es ist recht weichlich und schwierig länger als ein Jahr zu erhalten. Außer Ameisenpuppen und Mehlwürmern muß es an feines Nachtigalfutter und erweichtes Eierbrot gewöhnt werden und das Innere von Feigen als Zugabe bekommen. Wie diese Grasmücke in der Freiheit sich gern mit Ihresgleichen und anderen Vögeln neckt, so zeigt sie sich auch im Gesellschaftskäfig überaus muthwillig, sie läßt sich daher, namentlich mit kleinen Vögeln, nicht gut zusammenhalten.


Die schwarköpfige Grasmücke ( Sylvia atricapilla, L.).

Tafel VI, Vogel b.

Tafel VI. Grasmücken:
a. Gartengrasmücke (Sylvia hortensis, Gunel.),
b. schwarzköpfige Grasmücke (S. atricapilla, L.),
c. Dorngrasmücke (S. cinerea, Lath.),
d. Laungrasmücke (S. curruca, L.)

Im Wipfel eines Obstbäumchens ruhig dasitzend, mit aufgeblasener Kehle und herabhängendem Schwanz, nur die Stirnfedern sträubend, sehen und mehr noch hören wir einen der beliebtesten und geschätztesten Sänger, allbekannt als Schwarzplattl, Mönch oder Mönchsgrasmücke. Von der Mitte des Monats April an vernehmen wir seine wohllautigen Lockrufe tak, tak, tak – arrr und einige Tage weiterhin erhebt er auch bereits seinen herrlichen, überaus wechselvollen, melodieenreichen, mit Flötenrufen durchwebten Gesang, in welchen er später auch Strofen aus den Liedern anderer Vögel, insbesondre der Nachtigal, des Pirols, der Drosseln u. a. m. mischt. So singt er fast den ganzen Tag, von früh bis spät und von der Ankunft bis zum Abzug im September.

Seine Verbreitung erstreckt sich über ganz Europa, im Norden bis Lappland hinauf; auch in Westasien, auf den kanarischen Inseln und den Azoren ist er heimisch. In Laubwäldern und Feldhölzern, zumal wenn die letzteren einzelne hohe Bäume haben, seltner im reinen Nadelholzwald, dagegen im Weidengebüsch, am Flußufer und namentlich in Baum-, Gemüse- und Ziergärten, auch dicht neben menschlichen Wohnungen ist das Schwarzplättchen überall zu finden. Hier schlüpft es überaus beweglich und gewandt, aber scheu und vorsichtig, neugierig und bei jedem Anlaß die Kopffedern sträubend und schwanzzuckend im dichtesten Gebüsch umher. Sein Flug ist hurtig, geradeausgehend, auf der Erde hüpft es ungeschickt, schief seitwärts.

Die schwarzköpfige Grasmücke ist, wie der Name sagt, am Oberkopf schwarz, an der ganzen übrigen Oberseite grünlichbraungrau; die Schwingen und Schwanzfedern sind licht schwarzbraun, grünlichbraungrau gesäumt, die Flügeldecken mehr aschgrau; die Wangen und Halsseiten sind aschgrau, die Kehle ist grauweiß; die ganze übrige Unterseite ist düsterweiß, an den Seiten dunkelgrünlichbraun; der Schnabel ist schwarzbraun, die Augen sind dunkelbraun und die Füße bleigrau. Das Weibchen hat eine rostbraune Kopfplatte und ist im übrigen heller, an der Brust gelbgrau überlaufen. Sie gehört zu den mittelgroßen Grasmücken (Länge 15 cm; Flügelbreite 23 cm; Schwanz 6 cm).

Im Dorngesträuch, seltner im Nadelholzdickicht, steht das Nest meistens niedrig, doch bis zur Höhe von 4 Metern. Es ist etwas mehr dickwandig gewebt als die der anderen Arten. Die Eier sind röthlichweiß, braunroth und aschgrau gefleckt, gepunktet und bekritzelt. Das Jugendkleid ist dem des alten Weibchens ähnlich, mit bräunlicher Kopfplatte, welche beim jungen Männchen dunkler ist und mit hellgelber Unterseite. Nach der ersten Brut im Mai erfolgt noch eine zweite im Juli. Im September wandert das Schwarzköpfchen bis Afrika, bei mildem Wetter bleiben einzelne wol bis zum November hier. Inbetreff der Ernährung ist nur zu bemerken, daß es auch vorzugsweise gern süßes Obst nimmt.

Als Sänger erfreut es sich großer Beliebtheit und diese ergibt sich schon aus den zahlreichen Namen, welche ihm der Volksmund beigelegt hat; man heißt es noch: schwarzköpfige Nachtigal, Afternachtigal, schwarzköpfiger Sänger, ungarischer Flötenschläger, Kardinälchen, Nonnengrasmücke, Mohrenkopf, Klosterwenzel, Pfaff, Plattenkopf, Schwarzkuppe, Schwarzblättchen, Schwarzplatte, Maus- und Schwarzkopf, Plättl. Hinsichtlich des Fangs, der Eingewöhnung, Verpflegung u. a. m. gilt im allgemeinen das bei der Nachtigal Gesagte. Das Schwarzplättchen ist weniger weichlich als andere Arten; es dauert, freilich nur bei verständiger und liebevoller Pflege, wol 10 bis 15 Jahre im Käfig aus. Mehrfach ist es sogar schon in Käfigen und Vogelstuben gezüchtet. Betrügerische Händler sollen die Kopfplatten der Weibchen mit Höllenstein schwarz färben, um dieselben als Männchen zu höherm Preise verkaufen zu können.


Die Sängergrasmücke ( Sylvia orphea, Temm.)

Tafel XIX, Vogel b.

Tafel XIX. Gäste aus dem Süden:
a. Steindrossel (Turdus saxatilis, L.),
b. Sängergrasmücke (Sylvia orphea, Temm.),
c. Bienenfresser (Meropa apiaster, L.)

In Südeuropa, auch Südrußland und Westasien heimisch, gehört sie also streng genommen nicht mehr zu den Vögeln unsrer Heimat. Trotzdem dürfen wir sie nicht unbeachtet lassen, weil sie, wenn auch äußerst selten und nur als Irrgast, doch in Deutschland vorkommt und sodann und hauptsächlich weil sie als Stubenvogel bei uns sehr geschätzt ist. Zu Ende des Monats März oder im Beginn des April kommt sie in Italien, Spanien, Südfrankreich, auch Griechenland und in der Türkei an, und dann bewohnt sie dichtes Laubholzgebüsch mit einzelnen hohen Bäumen, auch Nadelholzwälder und Gärten und zwar ebensowol in gebirgigen wie ebenen Gegenden. Überaus lebhaft und beweglich, ist sie zugleich scheu und vorsichtig und hält sich daher fast immer in den dichten Kronen der Bäume auf.

Als ein schlicht gefärbter Vogel macht sie trotzdem einen angenehmen Eindruck.

Sie ist an Kopf und Nacken schwarzgrau mit schwarzem Zügelstreif; der Rücken ist bräunlich, die ganze übrige Oberseite aschgrau; die Schwingen sind schwarzbraun, fahl gelb gesäumt; die Schwanzfedern sind schwarzbraun, weiß gespitzt; die ganze Unterseite ist weiß, die Kehle reinweiß, Unterhals und Brust sind schön röthlich, Seiten und Bauch rostgelb überhaucht; der Schnabel ist schwarzbraun, der Unterschnabel heller, schwarz beborstet; die Augen sind gelbbraun mit blaugrauem nacktem Ring umgeben; die Füße sind hell bleigrau. Das Weibchen ist ein wenig kleiner mit hellerer Kopfplatte, dunkelgrauem Zügelstreif, im ganzen matter gefärbt und ohne den röthlichen Anflug an der Unterseite. Sie gehört zu den größten unter den Grasmücken (Länge 16,5 cm; Flügelbreite 24 cm; Schwanz 7 cm).

In der Höhe von etwa 2 Metern, im dichtesten Gebüsch, in den Kronen kleiner Bäume u. a. steht das leicht gebaute, aber mit Pferdeharen und Rindenfasern dicht ausgerundete Nest mit einem Gelege von weißen oder grünlichweißen, gelblich gefleckten und braun gepunkteten Eiern. Das Jugendkleid gleicht dem des alten Weibchens, doch ist der Oberkopf nicht dunkel-, sondern reinaschgrau. Gleich den übrigen Grasmücken ernährt sie sich von allerlei insbesondre kleinen kriechenden Kerbthieren und Würmern; sodann frißt sie auch süße Früchte, Feigen, Trauben und allerlei Beren. Nachdem die Brut erwachsen ist, streicht die Familie umher und dann zieht sie zur Überwinterung nach Nord-, selbst Mittelafrika und Indien.

Wiek, Wiek erschallt ihr Lockruf und in Angst und Erregung ruft sie scherr – trirarara. Ihr Gesang soll der beste unter denen aller Grasmücken sein und um seinetwillen ist sie als Stubenvogel sehr begehrt, leider aber bei uns im Handel nur selten zu erlangen. Mit dem feinsten Grasmücken-Futter unter Zugabe von frischen Ameisenpuppen, Mehlwürmern und Beren muß sie überaus sorgsam verpflegt werden. Dann läßt sie sich wol im geräumigen Nachtigalkäfig mehrere Jahre gut erhalten.


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