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Die Würger ( Laniidae).

Wo in Gärten, Hainen und Vorhölzern dorniges Gesträuch steht, auch mal aus einem einzelnen wilden Obstbaum im Felde finden wir, zur großen Verwunderung des Nichtkenners, hier und da eine Stelle, an welcher nackte Nestvögelchen, Mäuschen, Frösche, Käfer und allerlei andere junge und alte Thiere auf die spitzen Dornen gespießt sind. Dann können wir auch beobachten, daß dies ein Vogel verrichtet, welchen der Volksmund Neuntödter nennt, weil die Sage behauptet, daß er erst immer neun Opfer aufspieße, bevor er zu fressen beginne. Erklärlicherweise bringt der Würger jene Thiere auf die Dornen, entweder um sie aufzubewahren oder wahrscheinlicher, um sie gemächlich verzehren zu können. Neuerdings ist behauptet worden, es geschehe, um Insekten anzulocken und diese leicht fangen und fressen zu können.

Die Würger sind kräftig gebaute Vögel mit gedrungnem Körper, großem runden Kopf, geradem, hohem, seitlich zusammengedrücktem Schnabel, der am Oberkiefer einen Zahn und eine raubvogelähnliche Spitze hat und am Grunde mit steifen Borsten besetzt ist. Ihr Gefieder ist locker und weich, immer angenehm gefärbt. Die Flügel sind kurz und abgerundet und die dritte oder vierte Schwinge ist am längsten. Der Schwanz besteht aus zwölf Federn und ist lang und keilförmig. Die Füße sind kräftig mit stark gekrümmten scharfen Nägeln. Die Größe wechselt von der mittlerer Finken bis fast zu der einer Drossel. Die Geschlechter sind verschieden gefärbt; das Weibchen erscheint immer schlichter. Das Jugendkleid ist gleichfalls abweichend.

Nach ihrem Körperbau sowol als auch nach ihrer Ernährung und anderen Lebensgewohnheiten dürfen sie als ein Übergangsglied von den Singvögeln zu den Raubvögeln betrachtet werden.

Über alle Erdtheile verbreitet, bilden sie ein sehr artenreiches und mannigfach verschieden gegliedertes Geschlecht. Unsere einheimischen Würger, auf welche die gegebne Beschreibung vornehmlich paßt, sind Zugvögel mit Ausnahme einer Art, die Standvogel ist. Da allerlei Kerbthiere, vornehmlich die großen und vorzugsweise schädlichen, wie Maikäfer, Heuschrecken, Maulwurfsgrillen u. a. m. doch hauptsächlich ihre Nahrung bilden und da sie von solchem Gethier noch ungleich mehr aufspießen, als sie verzehren können, so entwickeln sie immerhin eine beachtenswerthe Nützlichkeit im Naturhaushalt und das Urtheil, namentlich inbetreff der kleineren Arten, ist recht schwankend, die großen aber sind entschieden vorwaltend schädlich, insbesondre da sie als überaus arge Nestplünderer sich zeigen.

Der Würger sitzt gewöhnlich auf einem der höchsten hervorragenden Zweige des Strauchs oder Baums, welchen er bewohnt und späht nach allen Seiten hinaus, nicht allein um auf vorüberfliegende Kerbthiere Jagd zu machen, sondern auch um auf jeden etwa sich zeigenden Feind zu achten. Daher nennt ihn der Volksmund auch Wächter und dies umsomehr mit Recht, indem die umwohnenden anderen Thiere, sowol Vierfüßler als Vögel, sobald er durch seine Warnungsrufe täk, täk, täk das Nahen eines Jägers, eines Raubvogels, einer Katze oder eines andern Störefrieds kund gibt, sogleich davon flüchten. In seinen Bewegungen anscheinend schwerfällig, fliegt er doch sehr hurtig mit raschem Flügelschlag und schwanzzuckend weithin in Schlangenlinien. Über einem Thier hält er sich einige Augenblicke rüttelnd in der Luft, stößt dann herab und kehrt mit der Beute auf seinen Sitz zurück. An der Erde hüpft er ziemlich ungeschickt. Wenn auch nicht besonders gewandt, so ist er doch sehr lebendig und unruhig, sodann dreist dem Menschen gegenüber, unverträglich mit anderen Vögeln; alle Krähen und selbst Raubvögel greift er stürmisch an, vertreibt und verfolgt sie. Als Sänger an sich sind die Würger keine hervorragenden Künstler, aber als Spötter gehören sie, namentlich der rothrückige Würger, zu den Hervorragendsten unter allen Vögeln überhaupt, indem sie die Lieder zahlreicher und sehr verschiedener Sänger ungemein treu nachzuahmen vermögen.

In recht wechselnder Höhe, vom niedrigen, dicht bewachsnen Baumstumpf, mannshohen Dornstrauch bis auf dem weitabstehenden höchsten Ast eines mittelhohen Stamms im Obstgarten steht das Nest, immer jedoch versteckt, aus Halmen, Würzelchen, Fasern, recht künstlich als eine dickwandige offne Mulde geflochten und mit Federn, Pflanzen- und Thierharen ausgepolstert. Vier bis sieben buntfarbige Eier bilden das Gelege, welches je nach der Größe der Art in 13 bis 15 Tagen vom Weibchen allein erbrütet wird, während dieses vom Männchen gefüttert und die Jungen von beiden gemeinsam ernährt werden. Sie lieben die Brut sehr und vertheidigen sie muthvoll, trotzdem verlassen sie das Nest mit den Eiern merkwürdigerweise bei der geringsten Störung. Gewöhnlich macht das Paar nur eine Brut im Jahr.

Für die Liebhaberei haben einige Würger bedeutenden Werth und sie werden mit Leimruten, Schlingen, Schlaggarn, Meisenschlag u. a. gefangen, theils aber auch aus dem Nest geraubt und aufgefüttert. Da sie stürmisch und störrisch sich zeigen, so müssen sie meistens mit gebundenen Flügeln im verhüllten Käfig und bei entsprechendem Stopfen, wenn sie nicht von selber fressen wollen, eingewöhnt werden, und zwar mit Ameisenpuppen und Mehlwürmern, sowie allerlei lebenden Kerbthieren an Nachtigalfutter, jedoch ohne Möre, dagegen mit gehacktem, rohen Herz oder anderm guten Fleisch, auch mit Maikäfer- oder Garnelenschrot und an ein Gemisch von Gerstengries, geriebnem Weißbrot und gemahlenem Hanf nebst reichlichem Fleisch u. a. Die Jungen päppelt man mit frischen Ameisenpuppen, allerlei Kerbthieren, denen man die Köpfe, Flügel und Füße abgerissen, sowie mit rohem oder besser gekochtem, gehacktem Fleisch nebst Semmel in Milch auf. Am besten beherbergt man einen Würger in einem geräumigen Drosselkäfig, in welchen man auch wol einen frischen Zweig mit scharfen Dornen steckt. Man darf ihn nicht mit kleineren, aber auch kaum mit größeren Vögeln zusammenbringen. Jeder Würger in der Gefangenschaft muß namentlich in der Mauserzeit und dann wiederum in den Wintermonaten sorgsam gepflegt und noch abends bei Licht gefüttert werden. Trotzdem hält er fast regelmäßig nur wenige Jahre im Käfig aus.


Der große Würger (Lanins excubitor, L.

Tafel XXXVI, Vogel b.

Tafel XXXVI. Arge Räuber:
a. Elster (Corvus pica, L.),
b. Großer Würger (Lanius excubitor, L.)
[Tafel fehlt]

Soweit wir blicken, umhüllt einförmiges Weiß die Landschaft und schwere Schneemassen lagern nicht allein auf den Fluren, sondern auch auf Baum und Strauch. An einer Waldecke, wo der Abhang nach Mittag zu sich senkt, steht vor dem Walde dichtes Dorngebüsch und Gestrüpp und in diesem haust ein arger Räuber, der große Würger. Während wir einen Augenblick im Überwind rasten, belebt sich plötzlich das Gebüsch rings um uns her, denn ein Schwarm Meisen, Goldhähnchen und Kleiber zieht, aus den Baumgärten drüben kommend, munter in den Ästen sich tummelnd, zirpend und wispernd vorüber. Plötzlich aber stürzt sich das kleine Gefieder ins dichteste Gebüsch und am schrillen Geschrei hören wir, daß der Würger eine Meise gepackt und sie auch zugleich auf einen Dorn gespießt hat. Bei solcher Gelegenheit pflegt der Jäger gern den Rächer zu spielen und den Räuber herabzuschießen. Überblicken wir den Lebenslauf des großen Würgers während des ganzen Jahrs, so müssen wir selbst das rücksichtslose Tödten desselben als gerechtfertigt gelten lassen.

Er ist an der Oberseite hellaschgrau; ein breiter Streif durch's Auge bis zum Nacken hin ist schwarz; die Schwingen sind schwarz, am Grunde und an den Spitzen weiß, wodurch zwei weiße Binden über den Flügel gebildet werden; die großen Deckfedern sind schwarz, die kleinen aschgrau; die Schwanzfedern sind in der Mitte schwarz, die äußeren jederseits fast reinweiß; die ganze Unterseite ist reinweiß und die Brust- und Bauchseiten sind hellgelblichbraun angehaucht; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind dunkelbraun und die Füße schwarz. In der Größe übertrifft er um etwas die Singdrossel. Länge 26 cm; Flügelbreite 36 cm; Schwanz 12 cm). Das Weibchen ist düstrer gefärbt, an der Brust mit fahlgrauen Wellenlinien.

Durch fast ganz Europa erstreckt sich seine Heimat und auch in Nordafrika, Süd- und Mittelasien kommt er vor; in Deutschland findet man ihn allenthalben, doch immer nur in einzelnen Pärchen, welche vornehmlich Striche, in denen Gebüsch zwischen Wiesen und Feldern liegt, nicht in sumpfiger Gegend, wol aber gleicherweise in der Ebene wie im Gebirge bewohnen, auch siedeln sie sich gern in großen Gärten in der Nahe von menschlichen Wohnungen an. Hier lebt er als Standvogel, der nur nach vollendeter Brut familienweise und im Februar einzeln umherstreicht. Auf einem hohen freien Ast sitzend und scharf ausspähend, weiß er durch sein warnendes täk, täk, muthigen Angriff und stürmische Beunruhigung Krähen, Elstern und selbst Raubvögel zu vertreiben, vor den schlimmsten Feinden aber, dem Sperber und den Falken, seinesgleichen und alle umwohnenden Vögel zu warnen. Auch wenn ein Jäger daherkommt, erhebt er sogleich sein täk, tak, während er den Hirten oder Ackerer ruhig vorüberziehen läßt. Im hurtigen Flug, nicht sehr gewandt, mit raschen Flügelschlägen, in weiten Entfernungen schlangenlinig, fliegt er dahin und auf dem Boden hüpft er. Allerlei lebende Thiere, welche er überwältigen kann, von größeren Insekten, insbesondre Käfern, Heuschrecken, Schmetterlingen bis zu Kriechthieren und Lurchen, sodann aber auch junge und alte Vögel, sowie Mäuse u. a. bilden seine Nahrung. Sein Lockton erklingt trüh, trüh und hellflötend hür. Der Gesang ist leise, wechselnd mit kreischenden Tönen und mit den Rufen anderer Vögel durchwebt. Zu Anfang des Monats Mai erfolgt die Brut, vorzugsweise im Obstgarten, auf einem Baum, sonst aber auch wol in einem großen dichten Dorngebüsch, finden wir das Nest mit einem Gelege von graugrünlichen oder graulichweißen, grünlichgrau und aschgrau gefleckten und gepunkteten Eiern, welche in 15 Tagen erbrütet werden. Ein Blick hinein genügt zuweilen, daß das Pärchen das Nest verläßt. Das Jugendkleid ist düstrer gefärbt, am Rücken mehr bräunlich und hier wie an der Brust dunkelgrau gebändert. Man fängt diesen Würger wol mit Leimruten, Schlingen, Sprenkeln oder Meisenschlag oder füttert die aus dem Nest geraubten Jungen auf, welche letzteren ungemein zahm werden, sonst aber haben weder sie noch der Wildfang erwähnenswerthe Vorzüge. Die auffallende Erscheinung hat diesem Würger vielerlei Benennungen im Volksmund verschafft; so heißt er auch noch: Abdecker, großer Dorndreher, Berg-, Busch-, Krik-, Krickerl-, Kriegel-, Kraus-, Sperel-, Strauß- und Wildelster, Buschfalk, Hetzenkönig, Hetzenbarenkönig, Metzger, großer Neuntödter, Otter- und Wahrvogel, Waldherr, Wildwald, aschfarbiger, blauer, gemeiner, grauer, großer und Raub-Würger, Würgengel, Würgvogel und dann auch Wächter. (Ich bitte in meinem Buch »In der freien Natur« I die Schilderung »Der Taubenwächter« nachzulesen.)


Der graue Würger ( Lanius minor. L.)

Tafel XXI, Vogel c.

Tafel XXI. Würger:
a. Rothköpfiger Würger (Lanius rufus, Briss.),
b. Rothrückiger Würger (L. collurio, L.),
c. Grauer Würger (L. minor, L.)
[Tafel fehlt]

In den meisten Eigenthümlichkeiten dem vorigen gleich, auch muthig gegen Krähenvögel u. a., aber nicht gegen Habicht und Sperber, im Wesen etwas ruhiger, anmuthiger, weniger scheu und stürmisch, sitzt er in der Regel auf der Spitze eines kleines Baums oder Strauchs, von wo aus er auf seine Beute herabschießt, sie sogleich oder einige Augenblicke in der Luft rüttelnd ergreift und auf seinen Sitz zurückkehrt, um sie zu verzehren. Fast nur Kerbthiere bilden seine Nahrung und er verursacht daher an den Nestern anderer Vögel viel weniger Schaden als der vorige; auch spießt er nur zuweilen ein Thier auf. Seine Verbreitung erstreckt sich mehr südlich und in Mittel- und Süddeutschland ist er am häufigsten. Hier finden wir ihn etwa in denselben Örtlichkeiten, in denen der vorige sich aufhält, auch oft in der Nähe menschlicher Wohnungen, und zwar vom Beginn des Mai bis zum Ende des Monats August. Sein Lockton erschallt kä, kä, tschek und scharrek, am Nest ängstlich täk, täk. Das letztre steht etwa mannshoch auf einem dicken Ast, seltner auf hohem Baumstumpf, oder, wo er verfolgt wird, im höchsten Wipfel eines Baums. Es ist aus denselben Stoffen wie das des vorigen gebaut, aber lockerer, und enthält grünlichweiße, olivengrünlichbraun und violettgrau gefleckte und bespritzte Eier mit Fleckenkranz am stumpfen Ende. Nach der Brut, welche zu Ende des Monats Mai begonnen wird, schweift die Familie in Hainen und Gärten umher, im leichten, auf weite Entfernung in Bogenlinien sich schwingendem Fluge. Da der Gesang dieses Würgers, wenn auch an sich unbedeutend, doch durch die Nachahmung zahlreicher anderen Vogelstimmen interessant ist, so wird er hier und da wol mit Leimruten gern gefangen; auch ist er als ein schöner Vogel beliebt. Aber er ist ungemein zart und weichlich, so daß er immer nur wenige Jahre ausdauert; am Nest gefangen, stirbt er regelmäßig schon nach kurzer Zeit.

An der ganzen Oberseite ist er hellaschgrau; die Stirn und ein Streif durch's Auge sind tiefschwarz; die Flügel sind schwarz, die Schwingen an der untern Hälfte weiß, wodurch ein großer weißer Fleck im Flügel gebildet ist; der Schwanz ist in der Mitte schwarz, die äußeren Federn sind weiß; an der ganzen Unterseite ist er reinweiß, nur Brust und Seiten sind rosenroth angehaucht; der Schnabel ist schwarz; die Augen sind dunkelbraun und die Füße schwarz. Von dem vorigen unterscheidet er sich eigentlich nur durch die schwarze Stirn und die geringere Größe (Länge 23 cm; Flügelbrette 36 cm; Schwanz 9 cm). Das Weibchen ist kaum abweichend gefärbt, der Streif durch's Auge ist schmäler und die Brust weniger deutlich roth. Das Jugendkleid ist an der Oberseite bräunlichaschgrau und mit weißen Wellenlinien gezeichnet; das schwarze Stirnband fehlt; die Unterseite ist gelblichweiß mit dunkelgrauen Wellenlinien; Schnabel und Füße sind bleigrau.

Man nennt ihn auch schwarzstirniger Würger, kleine Berg-, Krickel- Krieg- und Scheckelelster, kleiner grauer Neuntödter, Dorndreher und Schäferdickkopf.


Der rothköpfige Würger (Lanins rufus, Briss.)

Tafel XXI, Vogel a

Tafel XXI. Würger:
a. Rothköpfiger Würger (Lanius rufus, Briss.),
b. Rothrückiger Würger (L. collurio, L.),
c. Grauer Würger (L. minor, L.)
[Tafel fehlt]

ist bei uns in Deutschland nur in bestimmten Gegenden zu finden, während seine Verbreitung sich allerdings über das ganze gemäßigte und südliche Europa, von Schweden bis nach Spanien hin, erstreckt. Im Laubgehölz, zwischen Wiesen und Feldern, und auch in Baumgürten finden wir ihn, etwa zu Ende des Monats April, wenn er einzeln ankommt, doch lebt er versteckter als die anderen Würger und hält sich fast immer in den dichten Wipfeln mittelhoher Bäume auf. Bei der Annäherung des Menschen scheu und vorsichtig, seitwärts schwanzwippend und warnend ein rauhes schäk, schäk rufend, zeigt er sich muthig gegen Krähenvögel, nicht aber Raubvögeln gegenüber und bösartig gegen kleines harmloses Gefieder.

Er ist an der ganzen Oberseite, insbesondre Stirn und Augenbrauen, schwarz, am Hinterkopf und Nacken bräunlichrostroth, Rücken bräunlich, Unterrücken grau und Bürzel weiß; die Flügel sind schwarzbraun mit großem weißen Schulterfleck; am Schwanz sind die Mittelfedern schwarz, die äußersten Federn weiß; ein Streif an den Halsseiten ist schwarz; die ganze untre Körperseite ist gelblichweiß; der Schnabel ist bläulichschwarz, die Augen sind dunkelbraun und die Füße dunkelgrau. Die Größe ist bedeutend geringer als die des vorigen (Lange 19 cm; Flügelbreite 30 cm; Schwanz 8 cm). Das Weibchen ist nur matter gefärbt, sonst aber in den Abzeichen übereinstimmend.

Gewöhnlich steht das Nest in den Kronen kleinerer Bäume oder auch im hohen Gesträuch, und in der Gestalt sowol als auch in den Baustoffen gleicht es denen der vorigen, nur ist es zuweilen anstatt der Reiser, Würzelchen und Halmen aus frischem Kraut geformt. Die Eier sind grünlichweiß, aschgrau oder bräunlich gefleckt und bespritzt. Das Jugendkleid erscheint an der Oberseite düster rostrothbraun, dunkelgrau und fahl bräunlich geschuppt; die Schwingen und Deckfedern sind schwarzbraun, rostroth gekantet, wodurch ein großer, fast gelblichweiß erscheinender Fleck auf dem Flügel gebildet ist; die Kehle ist weiß; die ganze übrige Unterseite erscheint düsterweiß, bräunlichgrau geschuppt; der Schnabel ist bleigrau, die Augen sind schwarz und die Füße bleigrau. Nach der Brut, welche zu Anfang des Monats Juni begonnen wird, schweift die Familie nahrungsuchend umher und zieht zum Beginn des Monats September nachts wandernd bis Mittelafrika. Als Stubenvogel hat dieser Würger nur für besondere Liebhaber Werth, denn sein Gesang ist ein schwirrendes, nicht besonders angenehmes Lied, in welches aber die Strofen vieler anderen Vögel verwebt werden. Er wird wie die Verwandten gefangen, ist aber schwierig einzugewöhnen, weil er sich sehr störrisch zeigt. Leichter ist es, Nestjunge aufzufüttern. Diese singen dann sehr fleißig, sind sehr gelehrig und werden auch recht zahm, sind jedoch weichlich, wie die der anderen Arten. Er wird auch Finkenbeißer und -Würger, mittlerer und rother Neuntödter, Pommeraner, Rothkopf, Waldelster, Waldkatze und pommerscher Würger genannt.


Der rothrückige Würger ( Lanius collurio, L.).

Tafel XXI, Vogel b.

Tafel XXI. Würger:
a. Rothköpfiger Würger (Lanius rufus, Briss.),
b. Rothrückiger Würger (L. collurio, L.),
c. Grauer Würger (L. minor, L.)
[Tafel fehlt]

Wenn am lauen Frühlingsabend die lieblichsten unserer Sänger im Wetteifer ihre Lieder erschallen lassen, dann liegt für den begeisterten Freund der gefiederten Welt ein absonderlicher Reiz darin, den hervorragenden Gesang des Einzelnen zu belauschen; doch wenn wir so, vom Waldrand her das lichte Gebüsch vor uns überschauend, mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Stimmen und Laute hören – da werden wir wol völlig verwirrt durch die Gesangskunst eines Vogels, der eine ganz absonderliche Leistung entwickelt. Es ist der rothrückige Würger, der als Spötter ersten Rangs Laute und Strofen der vorzüglichsten Sänger in sein Lied zu verweben vermag. Sein Gesang ist an sich viel bedeutender als der aller übrigen Würger, aber er kann auch die Lieder der Nachtigal, aller Grasmücken und Lerchen, die Rufe des Edelfink, der Amsel, des Rebhuhns, kurz und gut die Stimmen aller umwohnenden Genossen treu wiederholen und harmonisch verschmelzen; Gesangskenner behaupten, daß ein rothrückiger Würger die Weisen von nahezu dreißig Vögeln nachzuahmen vermöge. Im Volksmunde aber lebt er keineswegs als ein beliebter Sänger, sondern als der grausame gefiederte Räuber, welcher ebenso wie die anderen Würger allerlei kleines Gethier auf die Dornen spießt; man nennt ihn sogar vorzugsweise Neuntödter. Außerdem heißt er auch Dorndreher, -Graul, -Drechsler, -Reich und -Treter, Finkenbeißer, kleiner Dick-, Groß- und Ochsenkopf, Millwürger, Spießer, Warg- und Würgengel, blauköpfiger und scheckiger Würger.

Er ist an der Oberseite, vornehmlich an Rücken und Flügeldecken rothbraun; Kopf, Unterrücken und Bürzel sind aschgrau, der erstre mit breitem schwarzen Augenbrauenstreif; die Schwingen sind schwarzbraun, breit-rostbraun gekantet; die Schwanzfedern sind schwarzbraun und die mittleren haben weiße Längsflecken; die ganze Unterseite ist weiß, an den Brust- und Bauchseiten rosenroth angehaucht; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind braun und die Füße grauschwarz. Er ist der kleinste unter unseren Würgern (Länge 18 cm; Flügelbreite 29 cm; Schwanz 8 cm). Das Weibchen ist an der ganzen Oberseite düsterrothbraun; der Kopf ist nicht aschgrau, sondern gleichfalls rothbraun mit einem düsterweißen Augenbrauenstrich und braunem Streif durch's Auge; die Schwingen sind dunkelbraun; der Schwanz ist rostrothbraun, matt weiß gefleckt; die Kehle ist weiß, die ganze übrige Unterseite gelblichweiß mit feinen dunkelbraunen Querwellen und Schuppen gezeichnet. Der Schnabel ist heller als der des Männchens.

Überall durch ganz Europa, im Norden bis Skandinavien und Sibirien und im Süden bis Afrika finden wir diesen Würger. Bei uns bewohnt er vornehmlich Haine, lichte Vorwälder und allerlei Hecken, besonders dort, wo an Feldern, Wiesen und weiten Triften hier und da dichtes Dorngebüsch steht. Hier kommt er zum Beginn des Mai einzeln an und wir sehen ihn dann auf einem hervorragenden Zweige oder auf dem Wipfel des Dornstrauchs nach Beute ausspähend, wie er bei jeder Annäherung schwanzschwippend sein lautes täk, täk, täk und in der Beängstigung ein rauhes schräh erschallen läßt. In seinem ganzen Wesen gleicht er durchaus den vorhergegangenen Verwandten, auch zeigt er sich ebenso muthig gegen Krähen und selbst Raubvögel; aber obwol seine Nahrung vorzugsweise in Kerbthieren besteht, so ist er doch gegen die umwohnenden kleinen Vögel, besonders Erdsänger, Grasmücken, Laubvögel, Bachstelzen u. a. unverträglich und räuberisch, denn er befehdet sie fortwährend und raubt ihre Nester aus, selbst die der in Höhlen nistenden Meisen. Alle größeren Thiere, welche er überwältigen kann, spießt er auf und frißt ihnen gewöhnlich nur das Gehirn aus. Folgen wir dem erwähnten Lockton, bzw. Warnungsruf, so finden wir das Nest im Juni in den dichtesten Dorn- u. a. Hecken, auch wol im Nadelholz-Dickicht, bis etwa 3 Meter hoch, in gleicher Weise erbaut wie das der vorigen, doch außen mehr aus Quecken und Mos geformt und innen mit Würzelchen und Gräserrispenausgelegt. Die Eier sind sehr veränderlich, röthlich-, gelblich- oder grünlichweiß, rothbraun und aschgrau gepunktet mit einem Fleckenkranz am dickern Ende gezeichnet. Das Weibchen brütet so fest, daß es sich fast ergreifen läßt, trotzdem verläßt es leicht die Eier. Das Jugendkleid ist dem des alten Weibchens ähnlich, an der ganzen Oberseite düsterrostbraun (beim jungen Männchen lebhaft zimmtbraun, beim Weibchen mehr graubraun) und jede Feder ist rothgelb gekantet und schwarzbraun gewellt. Die Unterseite ist beim Männchen reinweiß, beim Weibchen düsterweiß, bei beiden an den Brustseiten mit dunklen Wellenlinien gezeichnet; der Schnabel ist gelblich fleischfarben mit schwarzer Spitze, die Augen sind hellbraun und die Füße gelblichbleigrau.

Nach dem Flüggewerden der Jungen streicht die Familie nahrungsuchend, vornehmlich in Gemüsegärten, Hainen und Feldhölzern umher und zieht dann zu Ende des Monats August, nachts wandernd, zur Überwinterung nach Afrika. Als Stubenvogel ist der rothrückige Würger erklärlicherweise mehr beliebt als alle anderen Arten, ja man schätzt ihn wol gar höher als manche anderen hervorragenden Sänger. Hinsichtlich des Fangens, der Eingewöhnung und Ernährung gilt bei ihm das von den anderen Gesagte. Alt eingefangen zeigt er sich ungemein wild und störrisch und ist schwer einzugewöhnen; deshalb raubt man vielmehr Nestlinge und füttert sie auf. Am rathsamsten aber ist es, die schon flüggen Jungen vor dem Abzug im August zu fangen, da sie kräftiger sind als die Nestlinge, sich besser halten und auch nicht so unangenehm wie jene kreischen. Selbst dieser kleine Würger darf niemals mit anderen Vögeln zusammen gehalten werden, da er die schwächeren mörderisch überfällt und sogar mit den stärkeren in blutige Fehde geräth. Im übrigen zeigt er sich im Käfig recht weichlich und muß namentlich zur Mauserzeit im Januar und Februar sorgsam gepflegt werden.


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