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Die Rallen ( Rallidae)

im weitesten Sinne des Worts treten uns in folgenden allgemeinen Merkmalen entgegen.

Der Körperbau ist dem der Schwimmvögel, insbesondre der Enten ähnlich, die Gestalt etwas zusammengedrückt, flach und länglichoval. Das Gefieder ist wie bei jenen dicht, aber weich und lose, durch Fett gegen Eindringen des Wassers geschützt. Der Kopf ist verhältnißmäßig klein, die Stirn ist hoch, bei manchen befiedert, bei anderen mit nackter Wachshaut-Platte. Der Schnabel ist verschieden gestaltet, seitlich zusammengedrückt, mittellang, am Grunde höher als breit, weich und nur an der Spitze hart. Der Hals ist mittellang, nicht sehr dünn. Die Flügel sind verhältnißmäßig kurz, nicht bis zur Schwanzmitte reichend, und gerundet. Der kurze, gleichfalls gerundete Schwanz besteht aus zwölf bis sechszehn Federn. Die Füße sind verhältnißmäßig hoch, die drei Vorderzehen sowol als auch der Hinterzeh zum Theil mit verschieden gestalteten Schwimmlappen (nicht Schwimmhaut) besetzt. Die Färbung ist meistens düster, braun oder schwarz. Ihre Größe wechselt von der einer Drossel bis zu der einer Ente.

In zahlreichen Arten über die ganze Erde verbreitet, gehören sie in mehreren bei uns zu den gemeinsten Vögeln, während sie infolge ihrer versteckten Lebensweise verhältnißmäßig wenig bekannt sind. Theils auf dem Wasser, im Gras-, Schilf-, und Rohrdickicht, theils auf Wiesen, Mor und Sümpfen, niemals aber auf trocknem Boden, Feldern, in Haide oder Wald, tummeln sie sich, in allen Bewegungen gewandt und behend, umher; sie schwimmen und tauchen vortrefflich, laufen flink und fliegen meistens hurtig, wenn auch geräuschvoll und anscheinend schwerfällig. Die meisten fliegen augenscheinlich ungern und nur im Nothfall; wenn sie auf dem Trocknen überrascht werden, so drücken sie sich so fest in's Gras und Kraut, daß man sie nicht selten mit den Händen erhaschen kann. Vorzugsweise in allerlei Wasserthieren und nur beiläufig in Sämereien und anderen Pflanzenstoffen, besteht ihre Nahrung. Gegen andere Vögel zeigen sie sich als arge Nestplünderer und selbst junge Säugethiere töten und fressen sie. Zur Parungszeit lassen sie absonderliche laute Rufe hören. Fast sämmtlich sind sie Nacht- oder vielmehr Dämmerungsvögel. Entweder schwimmend zwischen Rohr und Schilf auf dem Wasser oder im dichten Gras und Kraut auf nassem Boden wird das Nest aus Halmen und Gräsern kunstlos zusammengetragen. Wechselnd in 4 bis 12 Eiern, welche farbig und gezeichnet sind, besteht das Gelege und der Brutverlauf gleicht dem der Verwandten; die Daunenjungen verlassen sogleich laufend und schwimmend das Nest. Meistens sind sie Stand- oder Strichvögel und nur wenige Arten ziehen weithin südwärts. Fast immer ungesellig, leben sie nur par- oder familienweise beisammen. Als ergiebiges Wild kann man sie kaum betrachten, obwol das Fleisch mancher Rallen wohlschmeckend ist, weil sie nur beiläufig auf der Enten- und Schnepfenjagd einzeln geschossen werden. Hier und da hält man auch eine der Kleineren im Käfig und wenn der letztre recht weit und zweckmäßig eingerichtet ist und der gefiederte Gast an ein entsprechendes Mischfutter gewöhnt worden, so dauert er nicht allein gut aus, sondern zeigt sich auch anmuthig und liebenswürdig, doch darf man selbst die allerkleinsten Arten niemals in der Vogelstube frei beherbergen, weil sie so bösartig sind, daß sie selbst weit größere und stärkere Vögel überfallen und töten. In den Naturanstalten, zoologischen Gärten u. a. werden sie zahlreich und mannigfaltig gehalten.


Die Wasserralle ( Rallus aquaticus, L.)

ist an der Stirn befiedert; ihre ganze Oberseite ist olivengrünlichrothbraun, jede Feder mit schwarzem Mittelfleck; die Schwingen und die schwach nach unten gekrümmten Schwanzfedern sind schwarzbraun, die letzteren fahl gesäumt; die kleinen Flügeldecken mit kleinen weißen Flecken gezeichnet; die Kopfseiten sind bläulichaschgrau; die Kehle ist reinweiß, Brust und Oberbauch sind bläulichgrau, der Unterleib ist röthlich, die Bauchseiten sind schwarz und weiß quergebändert; die unteren Schwanzdecken sind in der Mitte weiß, an den Seiten schwarz und rostroth gebändert; der mehr als kopflange und schwach gebogne Schnabel ist gelbroth, an Spitze und First schwärzlich, die Augen sind orangeroth, die Füße sind grünlichrothbraun und ohne Schwimmlappen. In der Größe ist sie etwa einer kleinen Taube gleich. (Länge 30 cm; Flügelbreite 40 cm; Schwanz 6 cm). Das Weibchen ist nur düstrer und kleiner; das Jugendkleid ist an der Brust gelblichweiß und bräunlich gefleckt, an den Seiten schwarz und röthlich gestreift.

Über ganz Europa, sowie über große Theile von Asien und Afrika erstreckt sich ihre Verbreitung. Bei uns ist sie hier und da, in niedrig liegenden Gegenden, auf Sümpfen und an den ausgedehnten Ufern von Gewässern, welche weithin sehr naß und mit Dickicht von hohen Gräsern, Binsen, Wasserkräutern u. a. bestanden sind, noch recht häufig. Obwol sie bereits im März ankommt, steht das Nest doch erst zu Anfang Juni, sehr versteckt, auch wol im Weidengebüsch, auf dem Wasser schwimmend oder auf weichem Morast, mit einem Gelege bis zu 10 Eiern, welche roströthlichgelb, düsterweiß oder grünlich und grau und braun gepunktet und gefleckt sind. Kreischend kerr, kriii und lockend kik oder geck erschallt ihre Stimme und bei den Kämpfen der Männchen miteinander eigenthümlich brummend wuitt. Durch das Ausrauben der Nester anderer Sumpf- und Wasservögel, verursacht sie erheblichen Schaden, und da sie infolge dessen verfolgt wird, so zeigt sie sich ungemein scheu und vorsichtig. Erst spät vom Oktober ab, wandert sie südwärts; wenn man aber an besonderen, für sie günstigen Orten das ganze Jahr hindurch Rallen findet, so sind dies in der Regel aus dem Norden gekommene Gäste. Nur selten und einzeln wird sie in den zoologischen Gärten gehalten. Sie heißt auch: Asch-, Ried- und Sandhuhn, Sammthühnlein, europäische, gemeine und schwarze Ralle, Thauschnarre und schwarzer Wassertreter.


Der Wachtelkönig oder die Wiesenralle ( Crex pratensis, Bechst. s. Rallus crex, L.).

Tafel XXV, Vogel c.

Tafel XXV. An der alten Seeburg:
a. Kirschkernbeißer (Coccothraustes vulgaris, L.),
b. Steinkauz (Strix noctua, L.),
c. Wachtelkönig (Crex pratensis, Bechst.)

Stellenweise, namentlich im nördlichen Europa, häufiger als die anderen Rallen, kommt ein, im Aussehen und Wesen absonderlicher Vogel vor, den der Volksmund gewöhnlich Wachtelkönig nennt, weil er auf den ersten Blick der Wachtel in der Färbung und den hurtigen Bewegungen ähnlich erscheint, während er bei näherer Betrachtung zunächst schlanker, etwas größer und sodann auch im ganzen Wesen abweichend sich zeigt.

Er ist an der ganzen Oberseite schwarzbraun, jede Feder breit bräunlichgelb gesäumt; die Stirn ist befiedert; die Schwingen sind roströthlichgrau, die ersten großen Schwingen an der Außenfahne weiß, die großen Flügeldecken sind rostroth, zart heller gesäumt, der Flügelrand ist weiß (der Flügel ist lang und spitz); Augenbrauenstreif und Kopfseiten sind fahlbräunlich, die Wangen schwachbläulichgrau; die Kehle und der Vorderhals sind hellbläulichgrau; die Brust und Bauchmitte ist zart roströthlichweißgrau; die Seiten und unterseitigen Schwanzdecken sind braungrau, weißlich und roströthlich gebändert; der kurze Schnabel ist röthlichbraungrau, der Unterschnabel weißlich, die Augen sind braun; die Füße nackt (ohne Schwimmlappen) bräunlichfleischfarben. Länge 30 cm; Flügelbreite 48 cm; Schwanz 2 cm. Das Weibchen unterscheidet sich nur durch düstre Färbung und ist kleiner. Im Winterkleide sind beide gleich, an Kopf, Hals und Brust mehr roströthlichgrau. Das Jugendkleid ist an der Oberseite düstrer, mehr roströthlichbräunlich, ohne Grau und an der Unterseite heller.

Seine Verbreitung erstreckt sich über ganz Europa und einen Theil Asiens und als Zugvogel geht er bis Nordafrika. Bei uns kommt er sehr spät, etwa zu Mitte, meistens aber erst zu Ende des Monats Mai an, und dann ist er auf Wiesen mit üppigem Graswuchs und naheliegenden feuchten, fruchtbaren Äckern überall gemein. Immer sehr versteckt, im dichten Gras u. a., steht das Nest zu Ende Juni mit den gelblichweißen, gelb- bis braunroth und aschgrau gefleckten und gepunkteten Eiern. Während der Parungszeit hört man in der Dämmerung und nachts seine lauten, wie knarrend tönenden wechselvollen Rufe: rärp oder erp, schnerp oder knerp und arp-schnarp, auch kjü und kjo oder kja.

Hinsichtlich der Ernährung gilt das in der Übersicht Gesagte, da der Wachtelkönig aber einerseits sehr gefräßig ist, und andrerseits wol kaum so wie andere Rallen die Nester kleiner Vögel ausraubt, so ist er entschieden als nützlich anzusehen; daher ist es bedauerlich, daß sein Nest beim Grasmähen häufig vernichtet wird. In die Gefangenschaft gelangt er nur zufällig und in den zoologischen Gärten ist er kaum zu finden. Gerade ihn hat der Volksmund mit außerordentlich vielen Namen belegt: Arpschnarr, Feldwächter, Grasrätscher, Grasrutscher, Grössel, Heckenschär, Knarrer, Kreßler, Schnarf, Schnärz, Schnarper, Schnarrichen, Schnarker, Schnärzer, Schnerper, Schnerz, Schrecke, Schryk, Schnarrwachtel, Sumpfhuhn, Wiesenhuhn, Wiesenknarrer, Wiesenschnarcher, Wiesenschnärper und Wiesenschnerz. Alle diese Bezeichnungen beruhen in den Vorstellungen, welche sich der schlichte Mann von dem Vogel infolge seiner seltsamen, schnarrenden Laute, die er besonders am schönen Frühsommerabend anhaltend erschallen läßt, macht.


Das gepunktete Sumpfhuhn ( Rallus porzanus, L.)

ist an der ganzen Oberseite dunkel olivengrünlichbraun mit schwarzen Schaftflecken und außerdem weiß gefleckt und gestrichelt; ein Streif durchs Auge ist weiß, ein solcher unterm Auge schwarz; die befiederte Stirn, die Kopfseiten und Kehle bis zur Oberbrust sind hell schiefergrau; die Schwingen sind braun, olivengrünlich gesäumt, die erste ist weiß gesäumt; Unterrücken und Bürzel sind schwarz, grünlichbraun gefleckt und weiß gepunktet; die etwas abwärts gekrümmten Schwanzfedern sind schwarz, olivengrünlich gesäumt und weiß getüpfelt; die Oberbrust ist bräunlichgrau, fein weiß gepunktet, die Seiten sind olivengrünlichbraun, schwarz und weiß gebändert, die Brustmitte, der Bauch und die unterseitigen Schwanzdecken sind weiß; der kurze Schnabel ist grünlichgelb, am Grunde roth mit reingelber Spitze, die Augen sind rothbraun, die glatten Füße grünlichgelb. Seine Größe ist bemerkbar geringer, als die der vorigen (Länge 20 cm; Flügelbreite 40 cm; Schwanz 6 cm). Das Weibchen ist nur düstrer und kleiner. Das Winterkleid ist an Kopf und Hals mehr röthlich und weißlich; der Bauch ist grauweiß; die untern Schwanzdecken sind roströthlich; der Schnabel ist gelblichgrau. Der Nestflaum ist schwarz mit schwarzem, und am Grunde röthlichem Schnäbelchen. Das Jugendkleid ist nur fahler, mehr weiß getüpfelt, als das der Alten: die Abzeichen sind düstrer. Schnabel und Füße sind grünlichbraun.

Über das gemäßigte und warme Europa erstreckt sich seine Verbreitung und auch in Asien und Afrika ist es heimisch. In manchen Theilen Deutschlands ist es überaus häufig, doch lebt es sehr versteckt, im dichten Gras und Schilf und zeitweise auch in Getreidefeldern. Sein Gelege bilden fahlröthlichgelbe, violettgraugefleckte und rothbraun gepunktete Eier.


Das Zwergsumpfhuhn ( Rallus pygmaeus, Naum.)

ist an der ganzen Oberseite olivengrünlichbraun, schwarz gefleckt; der Rücken ist schwarz, weiß gefleckt und gepunktet; der Augenbrauenstreif, die Wangen und die Unterseite sind bläulichaschgrau, die Brust- und Bauchseiten und unterseitigen Schwanzdecken sind olivenbräunlichschwarz, weiß quergebändert; der Schnabel ist grünlichgrau mit schwärzlicher Spitze, die Augen sind roth, die Füße röthlichgrau. Noch etwas kleiner, als das vorige, zeigt es nur die Länge von 17 cm. Das Weibchen ist düstrer. Die Jungen im Daunenkleide sind wie die der vorigen schwarz, aber mit weißen Schnäbelchen und hellfleischrothen Füßen.

Auch in der Verbreitung ist es mit dem vorigen übereinstimmend, nur kommt es mehr in Südeuropa vor. Bei uns ist es selten als Brutvogel zu finden.


Das kleine Sumpfhuhn ( Rallus minutus, Pall.)

ist mit dem vorigen übereinstimmend und im wesentlichen nur dadurch verschieden, daß die Brust- und Bauchseiten, sowie die unterseitigen Schwanzdecken dunkelaschgrau und breit weiß quergebändert sind; die Schwanzfedern sind schwarz, düstergrünlichbraun gesäumt; der Schnabel ist grün, am Grunde roth, an der Spitze gelb, die Augen sind roth, die Füße grün. Die Größe ist kaum bemerkbar bedeutender (Länge 18–19 cm).

In der Verbreitung, Lebensweise u. a. gleicht es völlig dem vorigen.


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