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Wasserschwätzer ( Cinclidae)

sind Vögel benannt, welche die meisten zeitgenössischen Vogelkundigen als gesondert dastehend erachten, während Andere sie ohne weitres den Drosseln anreihen; eine Anzahl bezüglicher Namen, welche ich bei der einzigen europäischen Art anführen werde, bekräftigen die letztre Auffassung. In der Lebensweise aber zeigen sie sich von den Drosseln allerdings recht verschieden. Die Wasserschwätzer haben folgende Kennzeichen:

Der verhältnißmäßig schwache und nicht lange, seitlich zusammengedrückte Schnabel ist ein wenig nach oben gebogen, während die scharfe äußerste Spitze wieder nach abwärts steht, die Kieferränder sind fein gezähnt; der Schnabel ist nicht umborstet, die ritzenförmigen Nasenlöcher können durch eine weich befiederte Haut verschlossen werden. Das Gefieder ist weich und ungemein dicht, dem der Schwimmvögel ähnlich, zugleich so voll, daß der an sich schlanke Vogel gedrungner und kräftiger erscheint, als er in Wirklichkeit ist. Die Flügel sind kurz gerundet, die dritte und dann die vierte Schwinge ist am längsten. Der aus zwölf Federn bestehende Schwanz ist kurz, gerade abgeschnitten und erscheint fast viereckig. Die mittelhohen, kräftigen Füße mit starken gekrümmten Nägeln haben an der Mittelzehe einen Ansatz von Schwimmhaut.

Reichlicher als bei allen verwandten Vögeln sondert die Bürzeldrüse Fett ab, welches zur Einölung des Gefieders umsomehr nothwendig ist, da diese Vögel bei ihrer Lebensweise und Ernährung, beim Tauchen und Schlüpfen unterhalb des Wassers dessen bedürfen. Ihre Verbreitung erstreckt sich über die alte und neue Welt; vornehmlich sind sie in nördlichen Gegenden heimisch; im Süden halten sie sich auf den Gebirgen auf.


Der Wasserschwätzer ( Cinclus aquaticus, L.).

Tafel XXXV, Vogel c.

Tafel XXXV. Wintervögel:
a. Lasurmeise (Parus cyanus, Pall.),
b. Eisvogel (Alcedo ispida, L.),
c. Wasserschwätzer.(Cinclus aquaticus, L.)

Wo der Gebirgsbach, vom Felsen herabstürzend, das Rad der einsamen Mühle treibt und darüber hinausschießend auch im strengen Winter eine Stelle offen erhält, können wir immer mannigfaltiges Thierleben beobachten. Hier kommen Schwärme umherstreichender Vögel zur Tränke, hier tummeln sich von früh bis spät auch ständige Gäste umher und hier lauern Räuber ihnen auf. Vor allen ist es der Wasserschwätzer, welcher unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Er lebt als Standvogel am Wildbach, und wenn der starke Frost selbst die fließenden Gewässer in seine starren Fesseln schlägt, so sucht er gleich anderen Vögeln, welche nicht nach dem Süden wandern, die Stellen auf, wo das Wasser durch die reißende Bewegung oder durch sog. warme Quellen offen erhalten wird. Trotz eisiger Kälte taucht er hinab in die Fluth und schlüpft unter dem Wasser, selbst unter Eisschollen, hinweg, um wol erst nach 15 bis 20 Sekunden emporzukommen. In allen seinen Bewegungen hurtig und gewandt, läuft er auf dem Lande behend, mit dem Schwänzchen wippend, hin und her, durch's Wasser watend, um dann auf einem Stein oder Pfahl, niemals aber auf einem Baum oder Strauch zu ruhen und sich umzuschauen. Hier dürfen wir ihn jedoch nur vermittelst eines guten Glases beobachten, denn bei jeder Annäherung fliegt er sogleich von dannen, reißend schnell, schnurgerade dahin und oft sich überstürzend.

Er ist an Kopf und Nacken düsterrothbraun; Schwingen und Schwanzfedern sind schieferschwarz; die ganze übrige Oberseite ist schwarz, aschgrau überhaucht; Kehle und Oberbrust sind reinweiß, die Unterbrust ist kastanienbraun, der Unter- und Hinterleib ist schwarz; der Schnabel ist schwarzbraun, die Augen sind hellbraun und die Füße düstergraubraun. In der Größe bleibt er ein wenig hinter der Singdrossel zurück (Länge 20 cm; Flügelbreite 30 cm; Schwanz 6 cm). Das Weibchen ist an Kopf und Nacken hellerbraunroth, nur mit düsterweißer Brust.

Seine Verbreitung erstreckt sich über ganz Europa, auch in Nordafrika und Asien ist er heimisch. Durch die Verfolgung, welche er seitens der Fischereivereine allenthalben, und nach meiner Überzeugung mit großem Unrecht, erfährt, ist er bereits überall recht selten geworden, und wenn einer solchen Vernichtung nicht verständigerweise Einhalt gethan wird, dürfte er in verhältnißmäßig kurzer Zeit fast überall der Ausrottung anheimfallen. Nur noch im Gebirge, an einsamen Bächen mit steinigem Boden, felsigen, aber buschreichen Ufern, ist er mehrfach zu finden; hier lebt er ungesellig. Jedes Par bewohnt einen bestimmten, abgegrenzten Bezirk, den es von früh bis spät durchstreift, und aus welchem es jeden andern seinesgleichen vertreibt. Aus allerlei im Wasser lebenden Kerbthieren, Krebs- und Weichthieren, Würmern u. a., sodann auch in winzigen Fischen, Frosch- und Fischlaich, besteht seine Nahrung; erheblichen Schaden könnte er allenfalls nur an Forellenbächen und anderen Fischzüchtereien anrichten; die Weißfische, welche er sonst frißt, haben keinen Werth, sondern sind für die Zucht von Edelfischen im Gegentheil lästig und schädlich. Der außer der Nistzeit einsam seiner Nahrung nachgehende Vogel wählt zur Nachtruhe ein Plätzchen im hohlen Ufer zwischen Baumwurzeln, auch wol auf dem dicht umwachsenen alten Baumstubben. An solchen Orten, immer in der Nähe des Wassers, oder auch unter einem Brückenbogen, in einem Mauerloch, selbst in den Schaufeln eines lange ruhenden Mühlenrads steht im Monat März das Nest, und manchmal so, daß er, um dorthin zu gelangen, unter einem Wasserfall durchstiegen muß. Aus Halmen, Stengeln, Wurzeln mit Mos und Flechten, ist es kugelförmig, also überwölbt gebaut mit einem engen Schlupfloch und die Mulde ist mit trockenen Grashalmen und Blättern ausgerundet. Da die Höhlung, in welcher das Nest steht, ausgefüllt werden muß, so erscheint dasselbe manchmal unverhältnißmäßig groß. Vier bis sechs reinweiße Eier werden vom Weibchen allein in 15 Tagen erbrütet. Im Jugendkleid erscheinen die Wasserschwätzer an der Oberseite düster schiefergrau, jede Feder ist dunkelbraun gerändert; Hals und Brust sind düsterweiß und die ganze übrige Unterseite ist röthlichgrau. Seiner hübschen Erscheinung, des absonderlichen Wesens und lieblichen Gesangs willen ist er bei harmlosen Naturfreunden beliebt. Zerk, zerk oder zerb, zerb, hören wir hellklingend seine Lockrufe und sein Lied besteht in leisen und lauten, schwirrenden und pfeifenden Tönen, welche angenehm wechselvoll, insbesondre lieblich im einsamen Gebirgswald, am brausenden Bächlein, erschallen. Er singt fast das ganze Jahr hindurch, selbst im rauhen Winter und besonders fleißig morgens früh. Als Stubenvogel hat er nur für besondere Liebhaber großen Reiz. Aber er ist zunächst schwierig zu erlangen, denn er läßt sich mit Leimruten, Schlingen u. a. nur selten überlisten, und dann auch nicht leicht eingewöhnen. Unschwer kann man dagegen die Jungen mit frischen Ameisenpuppen aufziehen und an ein Nachtigalfutter unter Zugabe von Mehlwürmern, Fischchen und in Streifen geschnittenem Fleisch bringen. Sie sollen dann ungemein zahm und zutraulich werden. Will man einen Wasserschwätzer aber naturgemäß halten, so muß man ihm einen Behälter gewähren, welcher von Wasser durchströmt und mit bemosten Steinen, Rasen und Buschwerk ausgestattet ist. Er heißt auch Bach-, See-, Strom- und Wasseramsel oder -Drossel, auch wol -Schmätzer oder -Schwätzer, Wassermerle und Wasserstar.


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