Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kranichen ( Gruidae)

treten uns folgende besonderen Merkmale entgegen:

Der Kopf, ist verhältnißmäßig klein, aber hochstirnig, mit nackten, zuweilen auffallend gefärbten Stellen oder mit Federschopf. Der Schnabel ist gerade, etwas zusammengedrückt, sehr spitz. Die Füße sind hochbeinig und kräftig, mit vier Zehen, deren kurze hintre so steht, daß sie die Erde nicht berührt. Die Flügel sind verhältnißmäßig lang und breit mit dritter längster Schwinge, die letzten Schwingen und Flügeldecken stehen gekräuselt und verlängert als Schmuck empor. Der Schwanz ist kurz, abgerundet und aus zwölf Federn gebildet. Das Gefieder ist dicht und immer schlicht gefärbt. Die Geschlechter sind kaum verschieden. Das Jugendkleid ist düstrer und das junge Männchen bekommt erst im zweiten oder dritten Jahr die schmückenden Abzeichen.

Ihre Bewegungen sind gleichsam würdevoll. Sie gehen mit großen Schritten und gehören zu den vorzüglichsten Fliegern. Zeitweise führen sie aber auch seltsame tanzende Bewegungen aus. Vorzugsweise pflanzliche Stoffe, halbreifes Getreide und Hülsenfrüchte, Klee und allerlei Kräuter und Gräser, außerdem aber auch Kerbthiere und Gewürm, sowie andere kleine Thiere bilden ihre Nahrung. Obwol sie aber hier und da auf den Getreidefeldern fressen und auch Vogelnester ausrauben, kann von einer wirklichen Schädlichkeit keine Rede sein. Zur Zugzeit gesellig, leben sie während der Nistzeit parweise. Als eigentliche Erdvögel setzen sie sich niemals auf Bäume. Unter größter Vorsicht wird das Nest an einer versteckten Stelle inmitten eines weiten Getreidefelds, auch wol auf einem Inselchen in einem umfangreichen Sumpf u. a., kunstlos aus Reisern, Halmen und Blättern verhältnißmäßig hoch aufgeschichtet mit flacher Mulde, und das Gelege besteht in zwei farbigen und gefleckten Eiern, welche beide Gatten des Pärchens abwechselnd erbrüten. Bei uns kommt nur eine Art vor und diese macht alljährlich nur eine Brut.


Der Kranich ( Grus cinereus, Bechst.).

Als der stattlichste unter allen unseren einheimischen Vögeln bildet der Kranich, wo er eben noch hier und da vorkommt, einen herrlichen Schmuck der Landschaft, und noch mehr verdient er es, als Hof- und Parkvogel geschätzt zu werden. Daher sieht man ihn auch vielfach in den zoologischen Gärten. Wenn er ganz jung aus dem Nest geraubt und sachgemäß aufgezogen wird, so gedeiht er vortrefflich und vor allem wird er ungemein zahm und zutraulich, auch zeigt er sich unter dem übrigen Hofgeflügel friedlich; mit dem zunehmenden Alter aber entwickelt er leider arge Bösartigkeit, sodaß man ihn nicht mehr frei umherlaufen lassen darf. In meinem Buch »In der freien Natur« habe ich das ausführliche Lebensbild des Kranichs als Hof- und Parkvogel gegeben.

Der nackte Oberkopf des Kranichs ist roth mit einzelnen schwarzen Harfedern besetzt, über den Hinterkopf und weißen Hinterhals zieht sich ein schwarzer Streif; die Kopfseiten sind schwarz, die Kehle und der Oberhals grauschwarz; der ganze übrige Körper ist einfarbig aschgrau, die Schwingen sind schwarz; der Schnabel ist schwärzlichgrün, am Grunde röthlich, die Augen sind braunroth, die Füße schwärzlich. Bei ihm bilden die stark verlängerten und gekräuselten letzten Schwingen einen schönen Schmuck. Seine Größe ist beträchtlicher als die eines Storchs (Länge 130–140 cm; Flügelbreite 230–240 cm; Schwanz 20 cm). Das Weibchen ist kleiner und hat nicht den rothen Kopffleck. Das Daunenkleid ist grau mit fleischrothem Schnabel und röthlichgrauen Füßen. Das Jugendkleid ist bräunlichgrau, an Kopf, Hals und dem ganz befiederten Scheitel grau.

Über den größten Theil von Europa erstreckt sich seine Verbreitung ebenso weithin über Asien und Nordafrika. Auf der Wanderung nach dem Süden oder zurück, fliegen die Kraniche meistens in kleinen Scharen, doch bis zu fünfzig Köpfen, in gerader Linie oder in einem seltsamen Dreieck überaus hoch am fernen Gesichtskreis dahin, und wir hören dann ihre Trompetenrufe, krah, kruh oder kurr und kirr herüber schallen. Im Mai bilden hellgrünliche, röthlichgrau und olivengrünlichbraun gefleckte und gepunktete Eier das Gelege. Man will beobachtet haben, daß ein Kranichpar, um die Brut nicht zu verrathen, von einem Hügel aus, auf dem sie sich niedergelassen, nicht allein im Bogen, sondern auch gebückt, von den Getreidehalmen versteckt, zum Nest hin und von demselben wieder fort zu schleichen pflegen. Im März oder April kommen die Kraniche an und im Oktober wandern sie wieder fort. Weniger um ihres Wildbrets, als um des Jagdvergnügens willen werden sie eifrig verfolgt.


 << zurück weiter >>