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Die Fliegenschnäpper oder Fliegenfänger ( Muscicapidae).

Als schlanke Vögel von etwa Grasmückengröße erscheinen sie bedeutender durch ihr weiches lockres Gefieder. Der Kopf ist breit, mit geradem, kurzem und breitem, fast dreieckigem Schnabel, welcher eine kleine hakige Spitze mit scharfem Zahn, sodann weiten Rachen und steife Bartborsten hat. Die Flügel sind ziemlich lang und die dritte oder vierte Schwinge ist am längsten. Der Schwanz ist gerade oder leicht ausgeschnitten und mittellang oder kurz. Die Füße sind klein und zart mit schwachen Nägeln. Sie sind düster und unscheinbar gefärbt, und die Geschlechter erscheinen bemerkbar verschieden.

Ihre Heimat erstreckt sich über die ganze Welt, denn in allen Erdtheilen finden wir Fliegenschnäpper-Arten. Sie sind Zugvögel, die bei uns im April ankommen. Einzelnstehende Bäume und lichtes Gesträuch, nicht aber der tiefe, dunkle Wald, dagegen vorzugsweise die Bäume an den Kunststraßen, sodann auch namentlich Baumgärten bilden ihren Aufenthalt. Hier sitzen sie auf freien hervorragenden Ästen oder auf Prellsteinen, Telegraphendrähten u. a. und erhaschen die vorüberfliegenden Kerbthiere, in welchen fast ausschließlich ihre Nahrung besteht; kriechende Larven und Gewürm, sowie Beren nehmen sie nur beiläufig. In reißend schnellem Fluge dahinschießend, rütteln sie ähnlich wie Raubvögel über einem Kerbthier einen Augenblick in der Luft, stürzen sich hinab und kehren, nachdem sie es erschnappt haben, auf ihren Platz zurück. Überaus lebhaft und unruhig, hurtig und gewandt, keineswegs scheu gegen Menschen und kühn gegen Raubvögel, fallen sie uns überall auf, wo ein Pärchen wohnt und unverträglich kein zweites in seinem Gehege duldet. Ihr leiser Gesang ist unbedeutend und wird auch nicht fleißig vorgetragen. Manche Arten sind Höhlenbrüter und nisten in Astlöchern, Weidenköpfen, auch wol in irgendwelchen anderen Höhlungen, an Zäunen, Lauben u. a., sowie an und selbst in Gebäuden, andere dagegen erbauen freistehende Nester, immer aber sind diese nicht sehr künstlich, aus Würzelchen, Fasern und Mos als offene flache Schalen geformt und mit Federn, Thier- und Pflanzenwolle ausgepolstert. Das Gelege besteht in vier bis fünf meist bunten Eiern, welche von beiden Gatten des Pärchens abwechselnd in 13 bis 14 Tagen erbrütet, wie auch die Jungen, welche mehr oder weniger dem Weibchen ähnlich sind, gemeinsam aufgefüttert werden. Nur eine Brut wird im Jahr und ziemlich früh ausgeführt. Nachdem die Jungen flügge geworden, streicht die Familie nahrungsuchend umher, dann tritt die Mauser im August ein und bald nach Beendigung derselben wandern sie, bereits zu Ende des Monats August oder im Beginn des September, familienweise zur Überwinterung bis nach Mittelafrika. Da die Fliegenschnäpper durch Vertilgung der Kerbthiere, welche uns lästig sind und unser Vieh plagen, sowie solcher, die unsere Nutzgewächse schädigen, besonders nützlich sich zeigen, so sind sie allbeliebt und von Jedermann geschätzt; eifrige Vogelfreunde hegen sie durch Aushängen von Nistkästen und andern thatkräftigem Schutz. Umsomehr ist es zu bedauern, daß sie gleich dem Rothkehlchen im Herbst für den Zweck, die Stubenfliegen fortzuschnappen, mit Sprenkeln, Leimruten, Schlingen u. drgl. gefangen und dann vielfach von unverständigen Leuten gehalten werden, welche sie nicht über Winter zu ernähren wissen, sondern sie elend umkommen lassen. Ein Fliegenschnäpper in der Stube hat die vortreffliche Eigenschaft, daß er einen ganz bestimmten Sitz, die in einen Blumentopf gesteckte und auf ein Spind gestellte Rute oder dergleichen wählt und im übrigen das Zimmer niemals verunreinigt; man sollte ihn dann aber mit Fliegen, Mehlwürmern und Ameisenpuppen an Nachtigalfutter, zuweilen untermischt mit rohem, feingehacktem Fleisch, nebst angequellten Hollunderberen, gewöhnen und im Frühling wieder freilassen. Als eigentliche Stubenvögel haben sie keine Bedeutung, weil sie weder hervorragende Sänger, noch farbenschön, dagegen zart und weichlich sind.


Der graue Fliegenschnäpper ( Muscicapa grisola, L).

Tafel IV, Vogel D

Tafel IV. Frühtingskünder:
a. Edelfink (Fringilla coelebs, L.),
b. Gartenlaubvogel (Sylvia hypolais, L.),
c. Hausrothschwänzchen (S. titys, Lath.),
d. Grauer Fliegenschnäpper (Muscicapa grisola, L.)

Überall in Deutschland und gleicherweise in ganz Europa, in Hainen, an Waldrändern, mehr aber in Gärten, neben und namentlich auch inmitten der Ortschaften, wo es Bäume, lichtes Gesträuch und Wasser gibt, können wir den grauen Fliegenschnäpper finden. Hier treibt er, harmlos und still, aber ruhelos, sein Wesen, indem er hin und her flatternd und schwebend, beständig mit den lose hängenden Flügeln zuckend und schwanzwippend auf allerlei fliegende Kerbthiere, Fliegen, Mücken, Schmetterlinge u. a. Jagd macht, doch auch kriechende und sitzende Insekten aufnimmt und mit dieser Beute immer auf einen bestimmten Platz, einen freien dürren Ast, auch wol einen Telegraphendraht, zurückkehrt, um sie hier zu verzehren. Niemals schlüpft er in dichtes Gebüsch, auch kommt er nur selten zur Erde herab, dagegen ist er so wenig scheu, daß wir ihn ungestört in der Nähe beschauen können.

An der ganzen Oberseite erscheint er mausgrau, am Oberkopf schwärzlich gefleckt und der Augenbrauenstreif ist düsterweiß; die Schwingen und Flügeldecken sind dunkel graubraun, heller gesäumt; die Schwanzfedern dunkelbraun, grau gekantet und die äußersten sind weißlich gesäumt; Hals und Brust sind düsterweiß, mit mattröthlichgelben Streifen und fahl graubraunen Längsflecken; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind braun und die Füße schwarz. Das Weibchen ist im ganzen Gefieder matter und unbestimmter gefärbt. In der Größe steht er ein wenig hinter der schwarzköpfigen Grasmücke zurück (Länge 14,6 cm; Flügelbreite 25 cm; Schwanz 6 cm).

Obwol er bereits zu Ende April parweise ankommt, beginnt die Brut doch erst zu Anfang des Monats Juni. Das Nest wird fast immer in unmittelbarer Nähe menschlicher Wohnungen und, wenn man es duldet, nicht selten inmitten derselben angelegt. In meiner Zeitschrift »Die gefiederte Welt« sind derartige Vorkommnisse mehrmals mitgetheilt worden; so stand ein Fliegenschnäpper-Nest in einem Wohnzimmer auf einer Wanduhr und in einer Schulklasse in dem großen getrockneten Kranz, welcher um das Kaiserbild gehängt war. Gewöhnlich ist das Nest dieser Art etwas künstlicher als die der Verwandten hergestellten und mit Federn, Thierharen u. a. sorgsam ausgerundet. Die Eier sind hellgrün, gelblichroth und violett gefleckt, gepunktet und gestrichelt, am dickeren Ende mit einem Fleckenkranz. Das Jugendkleid ist an der Oberseite silbergrau, dunkelbraun geschuppt und weiß getropft, an der Brust matt gestreift. Bei unserem Nahen locken die Gatten des Pärchens einander tschie, tschie und in der Angst schreien sie tschietecktcckteck. Seinen unbedeutenden leise zirpenden Gesang läßt das Männchen während der Nistzeit eifrig erschallen. Schon zu Ende des Monats August oder gegen den Anfang des September, zieht die Familie, nachts wandernd, bis nach dem innern Afrika. Obwol dieser Vogel allbekannt und beliebt ist, hat er doch nicht viele Namen. Der Volksmund nennt ihn auch gefleckter, großer und großer grauer Fliegenschnäpper oder -Fänger, Hausschmätzer, Kothfink, Mückenschnäpper, Pipsvogel, Schlappfittich und Schnurreck. Als Stubenvogel finden wir ihn verhältnißmäßig wenig.


Der Trauer-Fliegenschnäpper ( Muscicapa atricapilla, L.).

Gleichfalls über ganz Europa verbreitet und in Deutschland hier und da nicht selten, anderwärts freilich ganz fehlend, können wir, insbesondre im lichten Laubgehölz und immer in der Nähe von irgendwelchen Gewässern, den lebhaften Trauer-Fliegenschnäpper sehen, welcher in derselben Weise wie der Verwandte, vornehmlich fliegende Kerbthiere erjagt. Er ist ein hübscher Vogel.

An der Oberseite ist er schwarz mit reinweißer Stirn, am Hinterkörper bräunlich angehaucht; die Flügel sind braunschwarz mit einer großen weißen Binde; der Schwanz ist schwarz; Kehle, Brust und Bauch sind reinweiß; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind dunkelbraun und die Füße schwarz. Das Weibchen ist matter, mehr grauschwarz. In der Größe steht er der Zaungrasmücke gleich (Länge 13,6 cm; Flügelbreite 23 cm; Schwanz 5,5 cm).

Folgen wir dem Lockruf Wit, Wit, so können wir das Pärchen am Nest beobachten, welches in den vorhin genannten Örtlichkeiten, auf einem bewachsenen Baumstumpf, oder in einem geräumigen Astloch, sodann auch namentlich in Baumgärten, wo man Nistkasten für die Fliegenschnäpper aushängt, kunstlos gebaut ist und meistens ein reiches Gelege von fünf bis sieben einfarbig blaßbläulich-grünen Eiern enthält. Die in 14 Tagen erbrüteten Jungen fliegen schon nach drei Wochen aus und sind dem alten Weibchen fast ganz gleich, kaum etwas fahler gefärbt. Als fleißiger Sänger laßt das Männchen sein angenehmes Lied, welches dem des Gartenrothschwänzchens ähnlich erklingt, von der Ankunft, gegen Ende des Monats April, bis in die Brutzeit hinein hören. Nach Beendigung der letztem schweift die Familie umher, bis sie, etwa zu Ende des Monats August, aufbricht, um zur Überwinterung nach Afrika zu wandern. Bei naßkalter Witterung leiden sie, insbesondre die Jungen, sehr und man sieht sie dann in den Baumkronen und auch in niedrigem Gebüsch eifrig nach Kerbthieren, welche sie auch sitzend im Fluge fortschnappen, umhersuchen. Diese Art hat der Volksmund mit viel mehreren Namen als die anderen belegt; sie heißt noch: Fliegenstecher, blos Fliegenfänger, Lothringer, scheckiger, schwarzer, schwarzgrauer, schwarzköpfiger und schwarzrückiger Fliegenschnäpper und -Fänger, schwarze Grasmücke, Gartenschäck, Waldschäck, Baumschwälbchen, Dorn- und Lockfink, Meerschwarzplattl und Mohrenkopf.

Der Halsband-Fliegenschnäpper ( Museicapa albicollis, Temm.), auch weißhalsiger Fliegenschnäpper oder Kragenschnäpper genannt, welcher im wärmeren Europa heimisch ist, kommt im Südosten hin und wieder, in Norddeutschland jedoch nur vereinzelt vor. Zu Ende des Monats April sieht man ihn im lichten Laubwald oder am Waldrand auf einem hohen alten Baum, wo er leise tak, tak lockt und seinen lauten, wechselnden, dem des Blaukehlchens ähnlichen Gesang erschallen läßt.

Er ist an der Oberseite schwarz; die Stirn und ein breites Halsband sind weiß; die Flügel sind braun mit einem weißen Spiegel; der ganze Unterkörper ist weiß; der Schnabel ist schwarz, die Augen sind dunkelbraun und die Füße schwarz. Im übrigen gleicht er dem Trauerfliegenschnäpper, doch unterscheidet er sich vornehmlich durch das Halsband und die etwas bedeutendere Größe (Länge 14 cm; Flügelbreite 25 cm; Schwanz 5,2 cm). Das Weibchen ist schlicht bräunlich-grauschwarz gefärbt und hat weder die weiße Stirn noch das Halsband.

Hurtig und gewandt fliegt das Pärchen hin und her, Kerbthiere erschnappend, weithin in Wellenlinien; fast immer hält es sich in den Baumzweigen auf und wenn einer zur Erde herabkommt, so hüpft er hier schwerfällig. Gegen den Anfang des September hin zieht die Familie ab. In Wesen, Lebensweise, Ernährung, Brut u. a. gleicht er dem vorigen.


Der Zwerg-Fliegenschnäpper ( Muscicapa parva, Bechst.)

gehört zu den lieblichsten Erscheinungen unter unseren heimischen Vögeln, leider aber ist er, obwol in ganz Deutschland vorkommend, doch überall nur selten. Seine eigentliche Heimat ist das östliche Europa und Nordafrika. Auf den ersten Blick könnte man ihn für ein Rothkehlchen in Zwerggestalt ansehen; bei näherer Betrachtung aber zeigt er sich sowol im Wesen als auch in der Gestalt völlig abweichend.

Er ist an der ganzen Oberseite röthlichbraungrau. die Flügel sind dunkelgrau, die Schwingen weißgelblich und jede Deckfeder ist braungrau gesäumt; die mittleren Schwanzfedern sind schwarzbraun, die äußeren weiß, braun und grau gesäumt; die Unterseite ist weiß, mit röthlich orangegelber Brust; der Schnabel ist schwarz; die Augen sind dunkelbraun und die Füße schwarz. Die Größe ist um ein Drittel geringer als die des Rothkehlchens (Länge 12 cm; Flügelbreite 20 cm, Schwanz 5 cm). Das Weibchen ist matter in den Farben, mit fahlröthlichgelber Brust.

Erst im Mai kann der kundige Beobachter das zarte Vögelchen im Baumgehölz, namentlich im dichten Buchenwald, in den Kronen mittelhoher Bäume, vornehmlich am Waldrand, finden, wo es lebhaft und beweglich, doch sehr versteckt, sich umhertummelt und seinen sanften Lockton füit und in der Erregung serr, set hören läßt. Hier steht sein Nest im Gezweige oder in einem flachen Astloch; künstlicher als das der vorhergegangenen Arten aus Fasern, Halmen, Würzelchen und Mos geformt und mit Thier- und Pflanzenwolle ausgepolstert, enthält es hellbläulichgrüne, rostroth und violettgrau gepunktete und gefleckte Eier. Nach der Brut streicht die Familie in lichten Feldhölzern, Baumgärten u. a. umher, um im August abzuziehen. In der Lebensweise, Ernährung u. a. ist er mit den Verwandten übereinstimmend. Er heißt auch kleiner und Rothbrust-Ftiegenschnäpper, rothbrüstiger Schnäpper und Zwergfliegenfänger. Obwol sein Gesang nur in einem leisen, Glöckchentönen ähnlichen Zwitschern besteht, so ist er als hübsches Vögelchen, um seines allerliebsten Wesens und seiner Zutraulichkeit willen von den Stubenvogelliebhabern sehr geschätzt; leider sieht man ihn aber kaum hier und da einmal auf einer der größten Ausstellungen.


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