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Die Reiher ( Ardeidae)

erscheinen als kaum minder auffallende Vögel, denn die Störche und Kraniche; sie unterscheiden sich in folgenden Merkmalen von ihnen durchaus.

Zunächst stehen sie nicht ganz so hochbeinig da wie jene. Ihr Gefieder ist voll, aber überaus locker, die Federn sind zum Theil zerschlissen, an Oberkopf, Rücken und Oberbrust zuweilen verlängert. Die Färbung ist immer schlicht und die Geschlechter sind übereinstimmend. Das Jugendkleid ist abweichend. Der Kopf ist klein und verhältnißmäßig flachstirnig, bei den meisten mit einem Federschopf im Nacken geziert. Die Augen sind auffallend grell gefärbt. Der Schnabel ist lang, seitlich zusammengedrückt, gerade und scharf zugespitzt. Zügel und Augenrand sind nackt. Der Hals ist sehr lang und dünn. Die Flügel sind lang, obwol sie verhältnißmäßig kurze Schwingen haben, deren zweite, dritte und vierte am längsten sind. Der Schwanz ist kurz, abgerundet und besteht in zehn bis zwölf Federn. Die Füße haben verhältnißmäßig lange Zehen, deren hinterste bis ganz zur Erde reicht. Die Gestalt ist schlank, der Körper immer hager und namentlich an der Brust zusammengedrückt.

Mit Ausnahme des hohen Nordens sind die Reiher über die ganze Erde verbreitet. Immer nur wasserreiche Örtlichkeiten bilden ihren Aufenthalt. Schwerfällig im ganzen Wesen und nichts weniger als anmuthig, sind sie trotzdem als Schmuck der Landschaft anzusehen. Gleichsam bedächtig schreitend ist ihr Gang; anscheinend mühsam sich erhebend, fliegen sie dann aber schön und ausdauernd, den Hals S-förmig gebogen und die Beine weit nach hinten gestreckt. Ihre Schreie ertönen krächzend und kreischend oder auch wie brüllend. Obwol unter einander, wie auch gegen andere Vögel unverträglich und boshaft, leben und nisten sie doch gesellig. Der große nichts weniger als kunstvoll aus Zweigen, Reisern und Stengeln zusammengeschichtete Horst steht meistens auf hohen Bäumen, bei anderen dagegen im Sumpf-Dickicht. Er enthält 3–6 Stück einfarbige, grünliche oder bläuliche Eier, welche vom Weibchen allein in 21–22 Tagen erbrütet werden, während das Männchen dasselbe und späterhin auch die Jungen, welche gleich denen der vorigen Nesthocker sind, mit Nahrung versorgt. Da die Ernährung der Reiher aus allerlei lebenden Thieren, von der Libellenlarve und dem Egel, dem Frosch und der Eidechse, bis zum jungen oder selbst alten Vogel und Vierfüßler hinauf, soweit sie solche erwischen und überwältigen können, vorzugsweise aber in Fischen besteht, so sind sie für den Naturhaushalt und das Menschenwohl überaus schädlich. Langsam im flachen Wasser hin und her schreitend oder mit eingezognem Hals regungslos dastehend, lauert der arge Räuber fortwährend auf Beute und jeder nahende Fisch wird blitzschnell ergriffen und hinabgeschlungen. Um dieser Fischräuberei willen, werden die Reiher in neuerer Zeit verdientermaßen so verfolgt, daß sie in vielen Gegenden nur noch als Seltenheit und auch in den anderen wenigstens nicht mehr zahlreich vorkommen – mit Ausnahme der glücklicherweise wenigen Stätten, wo man sie um des sog. Reiherschießens willen eigens schont. Dieses mittelalterliche Vergnügen besteht darin, daß in einer Reiher-Ansiedelung, in welcher Nest bei Nest, auf einem Baum wol 20 bis 100 Stück und nicht selten von verschiedenen Arten nebeneinander stehen, diese Vögel solange geschont werden, bis die Jungen fast flügge sind, zu welcher Zeit dann eine Jagdgesellschaft hinausfährt, um sie zum Vergnügen herabzuschießen. Verwundete Reiher können übrigens für Jäger und Hund ungemein gefährlich werden, indem sie denselben mit dem scharfspitzen Schnabel immer nach den Augen stechen. In den zoologischen Gärten hält man sie, namentlich aber fremdländische Arten, immer zahlreich, einerseits weil sie als große stattliche Vögel auffallen und andrerseits weil sie sich sowol alt gefangen, als auch jung aufgezogen, vortrefflich erhalten lassen. Weniger findet man sie als Park- und nur einzeln und zufällig als Hofvögel; infolge ihrer Gefräßigkeit sind sie immerhin schwierig zu ernähren, zeitweise dauern sie jedoch auch bei rohem Fleisch gut aus. Die allerkleinsten Arten hält man, wenngleich freilich nur selten, auch wol einzeln oder pärchenweise im Käfig, doch bedürfen sie der besten Verpflegung mit lebenden Thieren, Fischen u. a.


Der Fischreiher ( Ardea cinerea, L.)

ist an der ganzen Oberseite bläulichaschgrau; Kopfseiten, Nacken, Halsseiten und Kehle sind weiß; die verlängerten schmalen Federn am Unterhals sind an der Grundhälfte grau, an der Endhälfte weiß, der Vorderhals ist mit weißem Mittelstreif und einer Reihe schwarzer Flecke gezeichnet; die schmalen verlängerten Schulterfedern sind am Ende weiß; die Schwingen und großen Deckfedern sind schwarzgrau, die zweiten verlängerten Schwingen reingrau; die ganze Unterseite ist reinweiß, aber an jeder Brustseite steht ein Büschel schwarzer Federn; der Schnabel ist gelb, die Augen sind weiß bis hochgelb und Füße röthlichgrau. Das Weibchen ist nur kleiner und hat einen kürzern Schopf. Das Jugendkleid ist an der Oberseite schwachbräunlichaschgrau; der Hinterkopf ist schwärzlich mit geringem Schopf; Kopfseiten, Kehle und Vorderhals sind weiß, letztrer mit breiten schwarzen Längsstreifen; die Unterseite ist weiß, fahlroströthlich gefleckt und gebändert; der Oberschnabel ist schwärzlichhorngrau, der Unterschnabel heller; die Füße sind braun. Die Größe ist etwas geringer, als die des Storchs (Länge 100–105 cm; Flügelbreite 175–180 cm; Schwanz 18–20 cm).

Die Verbreitung ist eine sehr weite, denn er ist fast in der ganzen alten Welt heimisch und zwar im Norden als Zug- und im Süden als Strichvogel; er kommt etwa zu Ende März oder Anfang April und wandert im September oder Oktober flugweise bis zu fünfzig Köpfen. Sein heiserer Schrei erschallt kreischend kraick oder schrüth. Er heißt auch: grauer Reiher, Reiger und Reigel.

Als die nächsten Verwandten schließen sich mehrere Arten an, welche ich nur kurz erwähne, weil sie nicht als eigentliche Brutvögel bei uns anzusehen sind.

Der Silberreiher ( Ardea alba, L.), auch Busch-, Edel- und Schneereiher genannt, ein prachtvoller Vogel, welcher am ganzen Körper einfarbig reinweiß ist, mit dunkelgelbem Schnabel, gelben Augen und grauen Füßen. Die langen, zerschlissenen Federn an Rücken, Brustseiten und Schwanz lassen ihn absonderlich prächtig erscheinen. Seine Verbreitung erstreckt sich vom Südosten Europas bis Mittel- und Südasien, ebenso ist er in Afrika und Australien heimisch. Obwol in Deutschland höchst selten vorkommend, hat man ihn doch nistend hier gefunden.


Der Seidenreiher ( Ardea gazetta, L.),

ist gleich dem vorigen am ganzen Körper weiß, nur sind Schnabel und Füße schwarz und die Augen sind hochgelb; die Größe ist übereinstimmend. Auch Heimat und Verbreitung sind gleich; in Deutschland ist er noch seltner.

Als einer der prächtigsten unter allen tritt uns der


Purpurreiher ( Ardea purpurea, L.)

entgegen. Er ist an Oberkopf, Schopf, einem Längsstreif am Hinterhals und Bartstreif jederseits vom Schnabelwinkel zum Hals hinunter schwarz; Kopf- und Halsseiten, sowie die zerschlissenen Schulterfedern sind rothbraun, Nacken und Hinterhals aschgrau, die übrige Oberseite röthlichgraubraun, grünschillernd; die Unterseite ist dunkelbräunlichroth, die verlängerten Brustfedern sind röthlichweiß, schwarz längsgestreift, der Hinterleib ist schwarz. Von Südeuropa bis etwa Mitteleuropa hinauf erstreckt sich seine Heimat und bei uns kommt er nur als seltner Wandergast vor.


Der Rallenreiher ( Ardea ralloïdes, Scop.)

ist im Gegensatz zum vorigen an der Oberseite bräunlichgelb, an der Unterseite weiß und kommt aus seiner Heimat Südeuropa nur selten als Wandergast zu uns; trotzdem hat man auch ihn im nördlichen Deutschland nistend gefunden.

Die jetzt folgenden Arten unterscheiden sich von den Verwandten durch etwas mehr gedrungne Gestalt mit kürzerm und dickerm Schnabel, namentlich kürzerm und weit dickerm Hals und auch kürzeren und stärkeren Beinen; nur am Hinterkopf haben sie verlängerte Schmuckfedern. Sie sind Nacht- und vornehmlich Dämmerungsvögel.


Der Nachtreiher ( Ardea nycticorax, L.)

ist an Oberkopf, Oberrücken und Schultern schwarz, an der übrigen Oberseite aschgrau, an der Unterseite hellgelb. Er gehört zu den kleinsten Arten.

Über Südosteuropa verbreitet, kommt er auch in Holland zahlreich vor, bei uns aber nur selten, und dann nistet er wol inmitten einer Brutansiedelung unserer Fischreiher.


Die große Rohrdommel ( Ardea stellaris, L.)

ist am Oberkopf schwarz, die verlängerten Genickfedern sind rostgelb gekantet; der ganze übrige Körper ist roströthlichgelb, schwarzbraun und roströthlichbraun bis hellrostroth gebändert, gestrichelt längs- und quergefleckt; der Schnabel ist bräunlichhorngrau, die Augen sind gelb, die Füße gelblichgrün. Sie ist etwa von Rabengröße. (Länge 72 cm; Flügelbreite 126 cm; Schwanz 13 cm).

Im ganzen gemäßigten Europa und einem Theil Asiens heimisch, ist sie bei uns in wasserreichen Gegenden, großen Sümpfen und Moren mit hohem Gras-, Kraut- und Schilfwuchs überall zu finden. Während sie sehr versteckt lebt, macht sie sich im Frühjahr zur Parungszeit durch ihre vom Sonnenuntergang bis zur Morgendämmerung sonderbar wie brüllend erschallenden Töne krauw und prumb, wechselnd prümb, bemerkbar; letztere werden durch Einziehen und Ausstößen von Wasser und Luft vermittels des Schnabels hervorgebracht. Ihr Flug ist eulenartig und alle übrigen Bewegungen sind langsam und plump. Immer auf dem Boden, sehr versteckt, zwischen Bülten und Röhricht steht das Nest mit drei bis fünf bläulichgrüngrauen Eiern. Schon im März oder Anfang April kommt sie an und wandert im September oder Oktober zur Überwinterung meistens nur bis Südeuropa. Im Gegensatz zu anderen Reihern, lebt sie ungesellig. Da sie für die Fischzucht sehr schädlich ist, so wird sie überall eifrig verfolgt. In den zoologischen Gärten findet man sie hier und da einzeln. Faul, Hortikel, Ibrum und Iprump, Morkuh, Moskrähe, Morred, Mor-, Mos-, Ried-, Rohr- und Wasserochse, Kuh-, Mos-, Ried- und Rindreiher, Rohrbrüller, Rohrprump und Rohrtrommel, lauten ihre übrigen Namen.


Die kleine Rohrdommel ( Ardea minuta, L.)

ist bei uns viel seltner als die vorige. Sie erscheint an der Oberseite schwarz, an der Unterseite roströthlichgelb, an den Brustseiten schwarz gefleckt, an Bauch und Hinterleib weiß. Über ganz Europa verbreitet, kommt sie bei uns nur in buschreichen, mit Rohr und Schilf bestandenen Flußniederungen vor. In der Lebensweise, Ernährung und allem übrigen gleicht sie der vorigen, doch ist sie fast noch schädlicher, da sie sich vorzugsweise von Fischbrut ernährt. Gewandter als jene, klettert sie hurtig im Dickicht umher. Ihre Töne erschallen pump, pump, ähnlich, aber kräftiger als der Unkenruf.


Der Löffelreiher ( Platalea leucorodia, L.).

Abweichend von den vorhergegangenen Verwandten, fällt uns dieser Reiher durch die absonderliche Gestaltung seines Schnabels in's Auge. Da er indessen von Südeuropa aus nur selten als Wandergast zu uns gelangt, so kann ich ihn blos beiläufig erwähnen.

Er ist weiß mit gelblichem Schopf und röthlichgelber Binde um Oberrücken und Unterhals. Der Schnabel ist seinem Namen entsprechend, am Grunde verengt und am Ende rund erweitert. In der Größe steht er etwas hinter dem Fischreiher zurück.


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