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LXIX

Später konnte sich Eugen an alles erinnern, bloß nicht daran, wie er das Haus gefunden hatte und dazu gekommen war, dort hinzuziehen. Aber ein Mann, namens Morison, der in der Mitre Inn wohnte, als Eugen dort abstieg, fand das Haus und gab Eugen die Adresse. Morison war ein Mann von achtundzwanzig oder dreißig Jahren, aber er wirkte viel jünger, sehr viel jünger sogar; man hielt ihn für nicht älter, als es Studenten durchschnittlich sind, aber auch diese Illusion war nicht von Bestand, denn man hatte dauernd das Gefühl, alles an Morison wäre unecht und unstimmig.

Er sagte, er wäre Fliegerleutnant gewesen und wäre gerade vor einem Monat von der Waffe abgegangen. Er sagte, er wäre aus dem Heer abgegangen, weil er von der Regierung eine Anstellung im Kolonialdienst erhalten hätte, und nun wäre er hierher nach Oxford auf die Universität geschickt worden, um an einem halbjährigen Kursus für Kolonialverwaltung teilzunehmen, und dann würde er nach Afrika geschickt werden, um dort in seinen neuen Pflichtenkreis einzutreten. Schließlich sagte er noch, er wäre von Geburt ein Schotte aus Edinburgh, obschon seine Familie dem Blut nach eher englisch als schottisch wäre, und obschon er den größten Teil seines Lebens in England gelebt hätte. Seine Familie erwähnte er beiläufig, leichthin und mit unbestimmten Ausdrücken, die jedoch irgendwie den Beigeschmack aristokratischer Distinktion hatten.

Seinen Vater erwähnte er des öfteren, und zwar tat er es stets auf diese beiläufige, leicht-und-gefällige Art. Er nannte ihn den ›Governor‹, genau so, wie er seiner Mutter als ›Mater‹ gedachte, genau so wie er parenthetisch und mit nonchalanter Flüchtigkeit Feststellungen machte wie diese: »Die ganze Sippschaft stammt freilich aus Devonshire«, – eine Feststellung, die, so unausgeschmückt und unbedeutend sie auch sein mochte, einen dennoch unwillkürlich – irgendwie, Gott weiß wie – an so wunderbare Dinge wie ›Stammsitz erlauchter Ahnen‹, denken hieß, ›alter vornehmer Name‹, ›alter, guter Landadel aus der Grafschaft, der seinen Rang in unerschütterlicher Stille hat und hält‹.

Gott weiß, wie er das fertigbrachte, in Wirklichkeit sagte der Mann nichts von seiner Herkunft, das sich nicht genauso gut auf bescheidene, kleine Leute beziehen konnte, und vermutlich war alles, was er sagte, wahr. Er machte keine Prätensionen auf einen großen Namen, Wohlstand oder vornehme Abkunft, aber diese schnellen, beiläufigen, halbherausgeblökten Erwähnungen des ›Governor‹, der ›Mater‹ und so weiter projizierten aufs vollkommenste ein Vorstellungsbild von Prestige und großem Hause, ein Bild, das Stil und Schneid und Schmiß hatte.

Das diesen Vorstellungen unterliegende Urbild war jedermann vertraut. Eugen hatte es tausendmal in Büchern angetroffen, aber er hatte nie einen Menschen kennengelernt, der es so vollkommen, so sprechend und mit einer solchen Knappheit der Aussage (oder vielmehr der Nicht-Aussage) hervorrufen konnte wie Morison. In diesem Milieu, das er – hingeworfen, reizend, beinah unverblümt – mit einem kurz herausgeblökten Satz suggerieren konnte, ohne auch nur ein Fäserchen wirklicher Information zu geben, ohne auch nur eine einzige Tatsache festzulegen, gab es nur ein paar Gestalten, und diese Gestalten waren mit breiten, kräftigen Strichen gezeichnet und lebten in einer wohlvertrauten Umwelt.

In dieser Umwelt spielte Morison die Rolle des schneidigen jungen Edelmanns, wild, verwegen, stürmisch, stets bereit zum Unfug, zur Fehde und zur Fröhlichkeit, zu einer Flasche Scotch Whisky, einem hübschen Frauenzimmer, einem wüsten Suff oder einer hitzigen Liebelei, – die Rolle des verrückten, hasenhirnigen Kerls, der kühn und unbedacht in alle möglichen Händel gerät, der aber irgendwie doch immer verschont bleibt vor dem Odium, das den Säufern, Raufbolden und Schürzenjägern niederer Art anhaftet, weil er eben jene geheimnisvollen Eigenschaften von Blut und Artung in sich hat, die ihn zum ›Gentleman‹ machen und daher seinem Tun und Lassen den makellosen Stil und die volle Unverletzlichkeit gewähren.

Sein Vater war, so wie er ihn mit ein paar Strichen hinstellte, ebenfalls eine sehr einnehmende Gestalt. Der ›Governor‹ nämlich, obschon er hauptsächlich als Mahner und Tadler auftrat, als ein alter Herr, der dem wilden Geist des Sohns die Zügel anlegt, war keineswegs ein saurer Puritaner oder ein Haustyrann mit einer grimmen Miene; er war vielmehr ein sehr anständiger, vernünftiger Papa, der innerhalb gesetzter Grenzen so duldsam war, wie man es wirklich nur wünschen konnte. Der alte Knabe war in seiner Jugend ja auch ›ein ziemlicher Hengst‹ gewesen, hatte das Fleisch und den Teufel zur Genüge kennengelernt und war durchaus willens, selbst bei den wilderen Eskapaden der Jugend beide Augen zuzudrücken, solang sie sich eben einigermaßen in den ›gewissen Grenzen‹ hielten und ein vernünftiges Dekorum gewahrt blieb.

Hier aber, ach! hier hatte die Sache einen Haken, wie Morison selber reumütig eingestand. Er, Morison, war eben so ein verrückter Tolpatsch, daß seine Taten zuweilen über die Grenzen des Dekorums und der Ziemlichkeit hinausgingen, und aus diesem Grund wurde er dann ›vom Governor auf den Teppich gestellt‹.

Da war denn in der Tat das ganze Bühnenbild. Der ›Governor‹ hatte nun nur noch einen einzigen Daseinszweck, er existierte, um Morison ›auf den Teppich zu stellen‹, und es war ganz unmöglich, sich die beiden zusammen in andern Rollen zu denken, und wenn Morison davon sprach, sah man die Szene in greller Lebhaftigkeit. Und das Bild »Morison wird auf den Teppich gestellt« war ein glanzvolles.

Zunächst sah man Morison. Er ging nervös auf und ab in einer noblen, alten Halle, paffte verstört an einer Zigarette und blieb von Zeit zu Zeit besorgt stehen vor der grimmen, geschlossenen Schranke einer ungeheuren Tür aus dem siebzehnten Jahrhundert, einer Tür, die so groß und breit war, daß ein gewappneter Ritter bequem hindurchreiten konnte, einer Tür von so übermächtigdüstrem Aussehen, daß Morison sehr klein und sehr schuldbeladen wirkte, wenn er vor ihr stand. Dann sah man, wie Morison einen letzten Zug aus seiner Zigarette tat, die Schultern entschlossen zurückriß, an die mächtige Tür pochte, sie auf einen tiefen Knurrlaut hin, der von drinnen kam, öffnete und nun verzweifelt in die durchschattete Tiefe eines Raums eintrat, der so ungeheuer und großartig war, daß Morison wie ein kleines Armsünderlein aussah, das verloren durchs Mittelschiff einer Kathedrale schreitet.

Am Ende dieses furchterregenden Raums, über eine ungeheure Fläche Teppich hinweg zu erblicken, saß der ›Governor‹. Er saß hinter einem großartigen, geschnitzten, flachen Schreibtisch aus altem Mahagoni, in den verschatteten Raumtiefen hinter ihm verloren sich bis in schwindelnde Höhen eine über der andern die Reihen altgebundner Bände in die obere Düsternis. Und ritterliche Rüstungen standen überall ringsum, und Ahnenbilder glosten gedämpft im Schlummer, und die alten, matten Farben des wohltemperierten Lichts kamen weich durch das Buntglas schmaler, gotischer Fenster, die in tiefe Nischen der unerschütterlich gemauerten Wände eingelassen waren.

Morison schritt über den Teppich, während der ›Governor‹ grimmig stumm auf ihn wartete. Der ›Governor‹ war ein Mann mit dickbuschigen Augenbrauen, silbernem Haar, dem hageren, verbissenen, markanten Gesicht und dem kurzgestutzten Schnurrbart des Mannes, der in alten Kriegen gekämpft hat und in Indien Garnisonskommandeur gewesen ist. Der ›Governor‹, nachdem er sich leise und drohend geräuspert, rückte die buschigen Brauen herunter, sah Morison mit einem scharfen, durchdringenden Blick an und sprach dann: »Nun, junger Mann?« – worauf zu antworten Morison jedoch außerstande war, so daß er eben einfach schuldbeladen und niedergeschlagen dastand.

Nach Morisons eignem Zeugnis war die Aussprache, zu der es dann zwischen dem aufgebrachten Vater und dem nichtsnutzigen Sohn kam, erstaunlich, denn sie bedienten sich einer Sprache, die eigentlich keine war, einer beinah zusammenhanglosen, aber dennoch jedem der beiden vollkommen verständlichen Rede, einer anderen Zunge, deren Wesen nicht etwa in einer so entschiedenen Ökonomie des Ausdrucks bestand, daß ein Wort den Dienst von hundert Wörtern tun mußte, sondern darin, daß eine Serie von Gegrunz, Geblök, Flüchen und Ausrufen verlautbart wurde, in der zwar keine geordnete Gedankenfolge erkenntlich war, in der aber das, was man sagen wollte, dennoch vollständig vermittelt ward.

Der letzte, empörende Vorfall, der Morison zu dem gegenwärtigen schuldbeladenen Stand ›auf dem Teppich‹ gebracht hatte, wurde kaum beim Namen genannt oder dem Wesen nach ausdrücklich bezeichnet. Es war vielmehr so, als ob der verletzte Anstand und die aristokratische Delikatesse die Nennung des unerwähnbaren Verstoßes nicht ertragen könnten, und daher wurde Morisons Verfehlung kurzweg als »diese Sache da« (oder schnell und geschlöhrt ausgesprochen) noch kürzer als »Sache da« bezeichnet. Und alle die übrigen Leidenschaften und Erregtheiten wie Ärger, Zerknirschung, strenges Verdammen und Tadel wurden in einer gebrochenen, holprigen Folge von Ausrufen mitgeteilt, etwa so: »Nach allem!« ... »Nicht das erstemal, daß Du Dich wie'n blutiger Narr benimmst!« ... »Was ich sagen will, ist –« ... »Verdammt der ganze Kram! – Sag' ja nichts gegen 'n Betrieb mit Wein, Weib 'n Gesang! – Selber jung gewesen! – Un' kein Gipsheiliger! – Hab' nie 'n Hehl draus gemacht! – Das sind eigne Angelegenheiten, solang ein Mann sie nich' an die große Glocke hängt – hab' mich nie in Deine Angelegenheiten reingehängt, bloß nachdem Du nun diesen blutigen Skandal angezettelt hast – blödsinniger Kerl! – 'n Mann kann's ja noch verstehn, aber Frauen verstehn so was nich' – ich denk da an Deine Mutter!« und so weiter.

Morisons eigne Rede setzte sich in der Tat über weite Strecken aus dergleichen Phrasen zusammen; die Lippen beim Sprechen kaum bewegend, blökte er solche Sätze und Sätzchen so schnell heraus, schlurrte er in einem so heftig abgehackten und geborstenen Stoßrhythmus über die Worte hin, daß es anfangs schwierig war, ihn zu verstehen. Sein Sprechen schien einem eine Aufeinanderfolge kurzer, herausplatzender Wortschübe zu sein, wie zum Beispiel: »Sache da«, »Nach allem!«, »Was ich sagen will, ist –« und so weiter. Trotzdem war dieser inkohärente, exklamatorische Sprechstil eigenartig wirkungsvoll, denn er zog den Zuhörer auf jene gewinnende Weise ins Vertrauen, die zu sagen scheint: »Selbstverständlich, es lohnt die Mühe nicht, hier auf kleinliche Erörterungen einzugehn, denn ich seh ja, daß Sie ein Mann von Welt und genau so ein Kerl sind wie ich. Ich weiß, daß wir einander vollkommen verstehen; was ich sage, ist ja so offenbar wahr und klar, daß man wirklich keine Worte drüber zu verlieren braucht.«

Von Gestalt war Morison knapp untermittelgroß und ziemlich fleischig. Zwar gaben ihm seine flotten, forschen Manieren ein Air von Jungenhaftigkeit, aber tatsächlich hatte er um die Leibesmitte schon Fett angesetzt, hatte er einen kleinen Speckwulst im Nacken und bereits ein leichtes Doppelkinn. Sein Gesicht war glatt und sehr rot, rötlich-gesund und ein wenig alkoholiker-rot. Er trug ein Schnurrbärtchen, es war blond mit gewichsten Spitzen. Das volle, straffe Haar war von einem nachgedunkelten Honigkaramelblond, an den Haarwurzeln am Schläfenansatz jedoch war dieser Farbton ins Helle abgeschattet, in ein feines, seidiges Weißblond.

Man hätte ihn fast für einen regelrechten Oxford-Studenten gehalten, hätte dem das Doppelkinn nicht widersprochen und das Verwischte, Ädrige, Angegilbte in seinen Augen, und man hätte ihn fast für den schneidigen Gentleman gehalten, als den er sich, sich selber mit ein paar gewandten, klugen, beiläufig-kühnen Strichen skizzierend, hinstellte, wäre da nicht etwas Unechtes in seinem Charakter gewesen, das ihn in allem, was er sagte und tat, verriet.

Und doch: Eugen fand nie heraus, was es eigentlich mit dieser Unechtheit auf sich hatte. Er spürte sofort heraus, daß der Mann ein Schwindler oder ein Pechvogel wäre, und daß er dessen Angaben über sich selbst für unzuverlässig halten müsse, aber alles, was Morison über sich aussagte, war nicht nur natürlich und durchaus glaubhaft, es war sogar plausibel. Alles, was er sagte, war, daß er Fliegerleutnant gewesen, vor kurzem abgegangen wäre, eine Anstellung in den Kolonien erhalten hätte, deswegen hier in Oxford an einem Kursus für Kolonialverwaltung teilnähme und später nach Afrika geschickt würde.

Später begriff Eugen, daß das alles vermutlich wahr war, aber damals klang es ihm wie eine Lüge. Oder aber, wenn er es auch nicht für rundheraus erlogen hielt, so dachte er doch, hinter dem Sachverhalt stäke eine vertuschte Ehrenrührigkeit oder Unanständigkeit. Er dachte, daß Morison, falls er, wie er sagte, bei der Heeresfliegerei gedient hatte, nicht aus freien Stücken abgegangen wäre, sondern gezwungenermaßen, etwa weil er beim Kartenspielen beschummelt oder seine Schulden nicht bezahlt oder sich in irgendeine heillose Schweinerei mit Weibern eingelassen hätte. Und Eugen dachte auch, daß Morison nicht nach Afrika ginge, weil er hinwolle, sondern weil ihm keine andre Wahl blieb. In den folgenden Jahren erfuhr Eugen dann, daß sein Verdacht allem Anschein nach unbegründet und ungerecht war, aber – dies war der Eindruck, den Morison ihm machte.

Irgendwie sah Morison aus wie ein ruinierter Abenteurer, schäbig und heruntergekommen; das Gesicht des Mimen schien durch die Maske geschickt vorgespielter Edelmännischkeit, die Züge des Scharlatans blickten durch die aufrichtige Miene, und die alten, ädrigen, angegilbten Augen, die von Ruin, Hoffnungslosigkeit und Verlust sprachen, straften die jugendliche Gebarung, die ansteckende Sprungfreudigkeit und die forsche Anmut Lügen. Der Mann hatte jene Art Tapferkeit, die Mitleid erregt, und Eugen mochte ihn gern.

 

Sie gingen zu zweit in verschiedene Wirtschaften und tranken, bis die Polizeistunde schlug. Morison nützte Eugen unanständig aus, Eugen wußte es, es war ihm gleichgültig. Wenn sie vier Drinks tranken, war Eugen es, der drei davon bezahlte. Außerdem wußte er, daß Morison gern mit ihm ausging, weil seine Gesellschaft jenen einigermaßen vor den Universitätsproktoren schützte, die ihre abendlichen Rundgänge durch die Schankstätten machten. Dies gab Morison tatsächlich zu, sogar sehr freimütig und mit entwaffnender Freude.

»Wenn ich hier allein 'reinkäme, wissen Sie«, sagte er, »würde ich ertappt werden. Aber solange ich mit Ihnen hier bin, bin ich mutmaßlich sicher.«

»Warum?«

»Oh«, sagte er und gluckerte vergnügt vor sich hin. »Die Proktoren wissen dann nicht, was sie von der Sache halten sollen. Freilich bin ich's, den sie ins Auge fassen«, er lachte, »hab'n mich auch schon 'n paarmal zweideutig angeglotzt, aber wenn sie Sie dann dabei sehen, kennen sie sich nicht mehr aus.«

»Aber warum denn nicht?«

»Oh«, sagte er, »wegen mir sind sie sich im unklaren, aber bei Ihnen wissen Sie Bescheid. Sie trauen sich nicht an Sie 'ran, weil sie wissen daß Sie nicht auf der Universität sind.«

»Aber wieso können sie das denn wissen?« fragte Eugen empört. »Ich seh' doch sicher genauso studentisch aus und, wenn's drauf ankommt, sogar noch 'n verdammtes bißchen studentischer als die meisten Rhodes Scholars, die hier 'rumlaufen.«

»Ja, das weiß ich«, räumte er ein. »Immerhin, sie wissen, daß Sie keiner sind. Das haben sie 'raus.«

»Raushaben! Herrgott, Morison, wie sollen sie das denn 'raushaben? Glauben Sie, sie merken sich die Namen sämtlicher Studiker am ersten Tag, wenn ein neuer Term beginnt?«

»Nöh! Das nich'! Sehn Sie, alter Junge, sie haben so'n Gefühl für Zugehörigkeit, ich weiß nich', aber auskennen tun sie sich.«

»Sie meinen also, da ist irgend so was verdammt Mysteriöses dran, nicht? Sie meinen, diese Büttel wären mit so 'ner Art übernatürlicher Hellseherei begabt, oder 'ner inneren Stimme, die ihnen sagt, ob einer Student ist oder nicht?«

»Durchaus! Genau das! Genau auf diese Weise kennen sie sich aus«, sagte er. Er sah Eugen eine Weile an aus seinen verschwommenen, ädrigen Augen, er lachte leis, gutmütig, ein bißchen spöttisch. »Komisch, nich' wahr?«

»Mehr als komisch. Ein Wunder.«

Allem Anschein nach hatte Morison recht. Manchmal kamen die Proktoren in eine Wirtschaft, wo Morison und Eugen gerade tranken, begrüßten jedermann freundlich und gingen bald wieder hinaus. Morison verhielt sich dann sehr ruhig, er lehnte sich an die Bar und stierte stumm sein Glas an, bis die Beamten das Lokal verlassen hatten. Ehe die Proktoren gingen, musterten sie die beiden Gäste mit einem fragenden Blick. Dieser Blick ging immer schnell und gleichgültig über Eugen hinweg, blieb aber auf ein Weilchen mit einem Ausdruck kalten Argwohns an Morison haften. Wenn die Proktoren draußen waren, blickte Morison wieder auf, sah den grinsenden Barkellner an und sagte dann fröhlich, das rote Gesicht dunkelrot vor unterdrücktem Lachen:

»Oh, unbezahlbar! Hab'n Sie gesehn, wie der eine mich angeguckt hat?«

»Ja«, sagte der Mann hinterm Schanktisch. »So halb wußten sie nicht, was sie von der Sache halten sollten, nicht wahr? Der andre Gentleman ist kein Student, oder doch?«

»Nöh!« brüllte Morison geradezu mit puterrotem Gesicht und trommelte mit den Fäusten auf den Schanktisch. »Das ist's ja grade! Sie wissen nich', was sie von der Sache halten sollen; wenn sie mich mit ihm zusammen sehn, dann werden sie unsicher!« erklärte er mit einer vor Lachen erstickten Stimme. »Dann werden sie unsicher!«

Morison also war's, der das Haus an der Ventnor Road fand, sich dort einmietete und Eugen die Adresse gab.


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