Poggio Fiorentino
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270.
Von einem Müller, der von seiner Frau angeführt wurde und von ihr fünf Eier zu trinken bekam.

Den übrigen Geschichten möge auch folgende angereiht werden, die in Mantua allgemein bekannt ist. Neben der Brücke von Mantua steht eine Mühle, deren Besitzer Cornicula genannt wurde. Dieser saß an einem Sommertage nach dem Abendessen auf der Brücke, als ein voll entwickeltes Bauernmädchen, das keine Herberge zu haben schien, vorbeischlenderte. Der Müller, der auf sie aufmerksam wurde, forderte sie auf, zu seiner Frau zu gehen; denn es sei schon spät, und die Sonne neige sich zum Untergange. Sie willigte ein, und er rief einen Knecht und befahl ihm, sie zu seiner Frau zu geleiten, die ihr zu essen geben und sie in einer bestimmten Schlafkammer unterbringen solle. Die Frau schickte den Knecht wieder zurück und legte, da sie begriff, daß ihr Mann Absichten auf das Mädchen habe, dieses in ihr eigenes Bett und 269 begab sich selbst in das andere Schlafzimmer zur Ruhe. Nachdem der Müller mit Absicht bis tief in die Nacht hinein aufgeblieben war, kehrte er, im Glauben, seine Gattin schliefe, verstohlen nach Hause zurück, schlich in die bewußte Schlafkammer und legte sich, ohne die List seiner Frau zu ahnen und ohne ein Wort zu sagen, zu der still Daliegenden. Als er fertig war, verließ er die Kammer und sagte einem Knechte, was er gemacht hatte, und forderte ihn auf, ein gleiches zu tun; so beschlief dieser die Frau seines Herrn. Cornicula aber suchte sein gewohntes Schlafgemach auf und stieg lautlos ins Bett, damit seine Frau – wie er meinte – nicht erwache. Am Morgen erhob er sich als erster und ging still davon, im Glauben, bei dem Mädchen gelegen haben. Als er dann zur Stunde des Frühstücks wieder heimkam, überreichte ihm seine Frau sofort fünf frische Eier zum Trinken. Erstaunt über diese Neuerung, fragte er, was das zu bedeuten habe. Vergnügt antwortete sie, sie gebe ihm so viel Eier, wie er in dieser Nacht Meilen geritten sei. Da merkte er, daß er sich in seiner eigenen Schlinge gefangen habe, und trank die Eier aus, indem er tat, als sei er allein in der Nacht bei ihr gewesen. – Wer andern eine Grube gräbt, fällt oft selbst hinein. 270

 


 


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