Poggio Fiorentino
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78.
Streit zweier Courtisanen um ein Stück Leinwand.

Zwei Weiber aus Rom, die ich kannte, verschieden an Alter und Schönheit, gingen einmal in die Wohnung eines unserer Kurialen um seiner Lust zu dienen und um des Verdienstes willen. Während dieser sich mit der Schöneren von ihnen zweimal ergötzte, gab er sich mit der anderen nur einmal ab, und zwar nur, damit sie sich nicht verschmäht fühle und ein anderes Mal mit ihrer Genossin wiederkäme. Als sie fortgingen, schenkte er ihnen ein Stück Leinwand, ohne anzugeben, in welchem Verhältnis sie es teilen sollten. Als nun die Teilung vorgenommen werden sollte, entstand zwischen den Weibsleuten ein Streit, indem die eine zwei Drittel entsprechend der geleisteten Arbeit, die andere die Hälfte des Ganzen forderte nach Maßgabe der Personenzahl. Sie brachten beide mannigfache Gründe und Gegengründe vor; die eine behauptete, größere Beschwerden erduldet zu haben, die andere widersprach, die Arbeit sei gleichwertig gewesen. Von den Worten kam es zu Schlägen, und sie fingen an sich in die Haare zu fahren und sich mit den Nägeln zu bearbeiten. Zuerst kamen die Nachbarn herbeigeeilt, dann 80 die Ehemänner; niemand kannte den Grund des Zwistes, und jede der beiden Dirnen versicherte, die andere habe sie mit Worten beleidigt. Und da die Männer die Sache der Gattinnen zu der ihren machten, ging der Kampf zwischen diesen auf sie über: man ging mit Stöcken und Steinen aufeinander los, bis sich Passanten ins Mittel legten und die Erbitterten auseinanderbrachten. In ihre Behausungen zurückgekehrt, nährten die Männer, immer noch ohne den wahren Grund des Streites zu kennen, wie es in Rom Sitte, Feindschaft gegen einander im Herzen. Die Leinwand liegt noch ungeteilt bei einem Dritten, weil die Entscheidung noch nicht gefallen ist, aber insgeheim unterhandeln die Weiber über ihre Teilung. Wie würden die Rechtsgelehrten in diesem Falle entscheiden?

 


 


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