Poggio Fiorentino
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268.
Von einem Toten, der lebendig war und auf dem Wege zum Grabe sprach und lachen machte.

Es lebte zu Florenz ein Narr, doch einer von der harmloseren Sorte, dazu ein ganz fideler Kauz, genannt Nigniaca. Einige junge Witzbolde wollten sich einen Spaß mit ihm machen und ihm einreden, daß er schwer krank sei und verabredeten sich in diesem Sinne. Als er morgens sein Haus verließ, kam ihm einer entgegen und fragte ihn, was ihm eigentlich fehle, er sehe ja ganz verändert und bleich im Gesichte aus. »Gar nichts«, antwortete der Narr. Als er einige Schritte weitergegangen war, fragte ihn ein anderer Verschworener, ob er das Fieber habe, sein Gesicht sei so mager und deute auf Krankheit. Der Narr fing an, bedenklich zu werden und zu glauben, was man ihm sagte. Als er ängstlich und langsamen Schrittes weiterging, sagte ein dritter, als er seiner ansichtig wurde, laut Verabredung zu ihm: »Dein Gesicht verrät, daß ein heftiges Fieber dich erfaßt hat und daß du sehr krank bist.« Der Narr wurde noch besorgter, blieb stehen und überlegte, ob er wirklich fiebere. Da kam ein Vierter hinzu, der ihm bestätigte, daß er wirklich schwer krank sei und sich 266 wunderte, daß er nicht im Bette sei und ihm riet, sofort nach Hause zurückzukehren. Er bot ihm seine Freundesdienste an und versprach, wie ein Bruder für ihn zu sorgen. Der Narr kehrte um, wie wenn er in der Tat von einer schweren Krankheit befallen sei und legte sich in sein Bett, einem Sterbenden gleich. Sofort erschienen auch die andern Verschworenen im Hause und erklärten, ihr Genosse habe recht getan, ihn ins Bett zu bringen. Bald darauf kam einer, der sich für einen Arzt ausgab, befühlte den Puls des Narren und erklärte, der Kranke werde in wenigen Augenblicken an seiner Krankheit sterben. Alsbald sagten die das Bett Umstehenden zueinander: »Schon beginnt der Todeskampf, die Füße werden kalt, die Zunge stammelt, die Augen trüben sich,« und endlich: »Er ist tot, wir wollen ihm die Augen zudrücken, seine Hände ineinanderlegen und ihn fortbringen, auf daß er begraben werde!« Und dann: »O, welche Lücke ist durch seinen Tod gerissen! Er war ein guter Mensch und unser Freund.« Und sie trösteten sich gegenseitig.

Inzwischen war der Narr, der, wie es einem Toten geziemt, kein Wort sagte, überzeugt, daß er gestorben sei. Er wurde auf eine Totenbahre gelegt und von den Jünglingen durch die Stadt getragen. Und als diese gefragt 267 wurden, wen sie da trügen, sagten sie, sie führten den toten Nigniaca zu Grabe. Viele von den Fragenden schlossen sich ihnen, um sich an dem Scherze zu beteiligen, an, und immer wieder hieß es: »Wir geleiten den toten Nigniaca zu Grabe.« Ein Schenkwirt, an dem sie vorbeizogen, rief: »O, das war eine böse Bestie, ein schlimmer Dieb, wert, daß man ihn an einem Stricke aufhinge!« Als der Narr das hörte, erhob er den Kopf und rief: »Wenn ich so lebendig wäre, wie ich jetzt tot bin, würde ich dir sagen, daß du ein Lügenmaul bist, du Hundsfott!« Da brachen die Träger in ein schallendes Gelächter aus und ließen ihn samt seiner Bahre liegen.

 


 


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