Poggio Fiorentino
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232.
Von den Hosen eines Minoriten-Mönches, die zu Reliquien wurden.

Eine sehr lustige Geschichte, die unter diese Plaudereien aufgenommen zu werden verdient, passierte unlängst in Amelia. Eine verheiratete Frau ging, wie ich glaube, im Bestreben, ihre Pflicht zu erfüllen, hin und beichtete einem Minoritenmönche ihre Sünden. Dieser fühlte während der Beichte fleischliche Gelüste erwachen, und nachdem er so lange auf die Frau eingeredet, daß er sie endlich bestimmt hatte, ihm zu Willen zu sein, sannen sie über eine Gelegenheit und einen Ort zur Vollbringung der Sache nach. Man kam überein, daß die Frau sich krank stellen und den Mönch als Beichtvater rufen lassen solle; solche Leute pflegen nämlich allein gelassen zu werden, damit sie 229 in Abwesenheit von Zeugen ungescheut von den Geheimnissen der Seele sprechen können. Die Frau tat also, als ob sie krank sei, legte sich ins Bett, heuchelte heftigste Schmerzen und verlangte nach dem Beichtvater. Und dieser kam und bediente sich ihrer, nachdem die übrigen das Zimmer verlassen hatten, zu wiederholten Malen. Dies dauerte eine ganze Zeit; endlich traten einige ins Zimmer. Der Mönch empfahl sich und sagte, er werde am folgenden Tage wiederkommen, da er mit der Beichte noch nicht zu Ende sei. Und er kam wieder, legte seine Hosen auf das Bett der Frau und setzte die Beichte in derselben Weise wie am Tage zuvor fort. Plötzlich trat der Mann, der trotz der so langen Dauer der Beichte nichts Schlimmes ahnte, in das Schlafzimmer, und der Mönch ging, erschreckt durch die unerwartete Dazwischenkunft, fort und vergaß seine Hosen. Als der Mann der Hosen ansichtig wurde, schrie er los, das sei kein Mönch, sondern ein Buhler, und das ganze Haus, durch den Lärm herbeigerufen, ereiferte sich beim Anblicke der Hosen ebenfalls über den schimpflichen Frevel. Der betrogene Gatte lief sofort zum Prior des Klosters und führte bittere Klage über die unwürdige Tat und bedrohte den Übeltäter mit dem Tode. Der Prior, ein Greis, suchte seinen Zorn zu 230 besänftigen und sagte ihm, er solle die Sache doch nicht zu seiner und der Seinen Schande an die große Glocke hängen, man müsse Stillschweigen bewahren und die Geschichte zu vertuschen suchen. Der aber sagte, durch die Auffindung der Hosen sei die Sache so offenbar geworden, daß sie nicht mehr verheimlicht werden könne. Aber der Greis hatte hierfür gleich einen Ausweg: er wolle versichern, daß es die Hosen des heiligen Franziskus seien, die der Mönch zur Heilung der Frau mitgebracht habe, und er selbst wolle in feierlicher Prozession kommen und die Hosen vor aller Öffentlichkeit zurückbringen. Dieser Vorschlag wurde angenommen, und der Prior berief die Mönche zusammen, und unter Vorantragung des Kreuzes schritt man in den geweihten Gewändern zum Hause des Betrogenen. Dort nahm der Prior die Hosen ehrfürchtig auf, trug sie mit erhobenen Händen wie heilige Reliquien auf einem seidenen Tuch und ließ sie von dem Manne, von der Frau und von allen Begegnenden küssen. So brachte er sie unter großen Zeremonien und Gesängen ins Kloster und legte sie im Allerheiligsten zu den übrigen Reliquien. Als die List später bekannt wurde, führten Beamte der Stadt über diesen Frevel Klage. 231

 


 


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