Poggio Fiorentino
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230.
Wie ein Prediger, der laut zu schreien pflegte, in Verlegenheit gesetzt wurde.

Ein Mönch, der oft in der Kirche predigte, pflegte, wie die Dummen es tun, mit lauter Stimme zu schreien, und jedesmal brach eine der anwesenden Frauen bei diesen gebrüllartigen Tönen in Tränen aus. Der Mönch hatte dies öfter bemerkt, und in der Meinung, die Frau weine infolge seiner Worte, aus frommer Rührung oder aus Gewissenspein, ließ er sie einmal zu sich rufen und fragte sie nach dem Grunde ihres Schluchzens, und ob sie, wie er glaubte, durch seine Worte so im Innersten bewegt worden sei, daß sie diese frommen Tränen vergoß. Sie antwortete, daß sie in der Tat durch seine Stimme und seine lauten Rufe aufs tiefste erregt und mit Schmerzen erfüllt worden sei. »Ich bin Witwe,« sagte sie, »und mein Gatte hat mir seinerzeit einen Esel hinterlassen, der mir meinen Lebensunterhalt verdienen half und öfter, wie Ihr es zu tun pflegt, Tag und Nacht brüllte. Dieser Esel ist gestorben und hat mich Unglückliche ohne jedes Hilfsmittel zurückgelassen. Wenn ich Euch daher mit so durchdringender Stimme predigen höre, werde ich durch Eure Stimme derart an meinen Esel 227 erinnert, daß ich, mag ich wollen oder nicht, infolge der wehmütigen Erinnerung zum Weinen gezwungen werde.« Der Dummkopf, der mehr Schreihals als Prediger war, wurde durch diese Worte in keine geringe Verlegenheit gesetzt.

 


 


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