Poggio Fiorentino
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4.
Von einem Juden, der sich hatte überreden lassen zum Christentum überzutreten.

Ein Jude wurde von vielen Leuten ermahnt, sich taufen zu lassen, konnte sich aber nur schwer von seinen Gütern trennen. Man versicherte ihn, er würde, wenn er sie den Armen gäbe, laut dem zweifellos wahren Ausspruch des Evangeliums das Hundertfache dafür wiedererhalten. Endlich überzeugt, bekehrte er sich und verteilte seine Habe unter die Armen, Bedürftigen und Bettler. Darauf wurde er ungefähr einen Monat lang mit vielen Ehren von verschiedenen Christen aufgenommen und bewirtet, und alle schmeichelten ihm und zollten ihm Beifall für seine Tat. Während er so abhängig von der Güte anderer lebte, erwartete er jeden Tag das Hundertfache, das man ihm verheißen hatte; und da viele es schon müde wurden, ihm zu essen zu geben und er nunmehr selten zu Gast geladen wurde, verfiel er in eine solche Dürftigkeit, daß er sich gezwungen sah, ein Hospital aufzusuchen. Dort wurde er von der Blutruhr ergriffen und kam an den Rand des Grabes. Schon verzweifelte er an seinem Leben und noch mehr an dem versprochenen Hundertfachen, als er eines 12 Tages, von einem angstvollen Drang nach frischer Luft getrieben, sein Bett verließ und um sich den Leib zu entleeren, auf eine benachbarte Wiese ging. Und nachdem er dort fertig war und nach Blättern suchte, um sich abzuwischen, fand er ein Leinenbündel voll von Edelsteinen. So wurde er reicher, als er je gewesen war, zog Ärzte zu Rate und gesundete. Dann kaufte er ein Haus und Grundstücke und lebte fortan in größtem Überfluß. Und als alle zu ihm sagten: »Siehst du nun, daß wir die Wahrheit vorausgesagt haben, siehst du, daß Gott dir das Hundertfache deiner Habe gegeben hat!« meinte er: »Allerdings hat er es mir gegeben, aber er wollte, daß ich zuerst bis nahe ans Sterben Blut scheißen sollte.« Dies Wort geht auf jene, die sich spät entschließen, eine Wohltat zu gewähren oder zu erwidern.

 


 


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