Poggio Fiorentino
Die Facezien des Poggio Fiorentino
Poggio Fiorentino

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34.
Von einem andern Monstrum.

Es ist auch Tatsache, daß nach Ferrara das Bild eines Meerungeheuers gebracht wurde, welches an der Dalmatiner Küste angetroffen worden war. Es hatte bis zum Nabel einen menschlichen Körper, weiterhin aber einen Fischleib, der sich am Ende gabelte, ferner einen langen Bart, und oberhalb der Ohren ragten ihm zwei hörnerartige Gebilde aus dem Kopfe. Die Brüste waren ziemlich stark, das Maul war breit, die Hände hatten nur vier Finger, und von ihnen bis zu den Achselhöhlen hinauf und unten 40 am Bauch war es mit Fischflossen versehen, mit denen es schwamm. Und man erzählte, daß dieses Monstrum auf folgende Weise gefangen worden sei: Mehrere Frauen waren dabei, am Strande Leinenzeug zu waschen, als sich dieser Fisch einer von ihnen, wohl um sie zu fressen, näherte, sie mit den Händen ergriff, und sie an sich zu ziehen versuchte. Diese wehrte sich (das Wasser war dort nämlich seicht) mit allen Kräften und rief, laut schreiend, die andern zu Hilfe. Sie eilten zu fünft herbei und töteten (es konnte nämlich nicht ins tiefe Wasser zurück) das Ungeheuer mit Knütteln und Steinen. Und als sie es dann ans Ufer gezogen hatten, flößte ihnen sein Anblick keinen geringen Schrecken ein. Sein Körper war etwas länger und stärker als der eines Mannes. Ich habe jene hölzerne Nachbildung von ihm, die man uns nach Ferarra brachte, gesehen. Daß es die Frau ergriffen hatte, um sie zu verzehren, wird bewiesen durch die Tatsache, daß einige Kinder, die zu verschiedenen Zeiten an den Strand gekommen waren, um zu baden, nie mehr zum Vorschein kamen. Nach diesem Ereignis glaubte man, daß sie von dem Ungeheuer ergriffen und getötet worden seien.Poggio erzählt hier »ein ganz wohl erhaltenes Stück antiker Mythologie (cf. Pausanias IX, 20.). Ein hölzernes Modell des Ungetüms, welches man in Ferrara zeigt, macht ihm die Sache völlig glaublich.« (Burkhardt, pag. 423.) Vergleiche auch Dürers »Meerwunder«, das offenbar auf eine venezianer Reminiszenz zurückgeht, waren die Facezien in Venedig doch schon 1483 in italienischer Übersetzung gedruckt worden. 41

 


 


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