Poggio Fiorentino
Die Facezien des Poggio Fiorentino
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175.
Von einem armen Manne, der seinen Lebensunterhalt mit einer Barke verdiente.

Ein armer Mann, der seinen Lebensunterhalt verdiente, indem er Leute in einer Barke über 179 einen Fluß setzte, war eines Abends, nachdem er den ganzen Tag niemand übergesetzt hatte, gerade dabei, nach Hause zu gehen, als in der Ferne jemand auftauchte und ihm zurief, ihn hinüberzufahren. Der Fährmann kehrte in der Hoffnung auf einen kleinen Verdienst um und setzte guter Dinge den Mann über. Als er aber sein Geld verlangte, schwor jener Stein und Bein, keinen Heller zu besitzen und wollte ihm statt dessen weise Ratschläge geben. »Was!« rief der Schiffer, »kann ich denn meine hungernde Familie mit guten Ratschlägen, statt mit Brot ernähren?« »Ich kann dich aber nur mit solchen zufrieden stellen«, antwortete der andere. Zornig verlangte der Schiffer nun die Ratschläge zu hören. »Höre!« sagte der Fremde: »Setze künftighin niemals mehr irgend jemand über, bevor du dein Geld erhalten hast, und dann: sage niemals deiner Frau, daß irgend jemand ein größeres Glied habe, als du!« Nachdem er dies gehört hatte, ging der Schiffer traurig nach Hause. Als seine Frau ihn um das verdiente Geld bat, um Brot dafür zu kaufen, sagte er, daß er statt des Fahrlohnes gute Ratschläge mit heimbekommen habe, und er erzählte die Geschichte ausführlich und teilte die erhaltenen Ratschläge mit. Bei der Erwähnung des Gliedes spitzte das Weib die Ohren und fragte: »Wie denn, lieber Mann, sind die denn bei Euch nicht 180 alle gleich groß?« »O nein,« antwortete dieser, »es herrscht unter uns darin eine große Verschiedenheit. Unser Pfarrer z. B. übertrifft uns alle beinahe um die Hälfte,« und er bezeichnete dabei an seinem ausgestreckten Arme das Maß. Das Weib wurde sogleich von Begierde nach dem Priester erfaßt und ruhte nicht eher, bis es sich davon überzeugt hatte, daß der Mann die Wahrheit gesagt. So verkehrte sich der gute Rat ins Gegenteil, und der Schiffer lernte, daß man verschweigen muß, was einem schaden kann.

 


 


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