Poggio Fiorentino
Die Facezien des Poggio Fiorentino
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132.
Von einem Florentiner, der, ohne es zu wissen, von einem toten Juden aß.

Als zwei Juden sich von Venedig, wo sie wohnten, nach Bologna begaben, geschah es, daß einer von ihnen von einer Krankheit ergriffen wurde und starb. Der Überlebende wünschte den Leichnam des andern nach Venedig zu überführen; da es aber verboten war, dies öffentlich zu tun, schnitt er ihn in kleine Stücke, tat diese in ein Faß und fügte noch verschiedene Gewürze und Honig hinzu, so daß dem Fasse ein wunderbar angenehmer Duft entstieg. Dieses vertraute er einem andern Juden an, 136 der nach Venedig ging. Als jener auf dem Kanal das Fäßchen in der Gondel mit sich nach Ferrara führte, traf es sich (es hatten nämlich mehrere das Boot bestiegen), daß ein Florentiner in der Nähe zu sitzen kam. Als es nun Nacht geworden war, öffnete dieser, durch den Geruch des Fasses aufmerksam gemacht und vermutend, daß etwas Eßbares darin aufbewahrt werde, heimlich den Deckel und fing an den Inhalt zu kosten. Und da es ihm eine sehr gewürzige Speise zu sein schien, verzehrte er, immerfort essend, im Laufe der Nacht allmählich den ganzen Inhalt des Fasses, in der Meinung, etwas Ausgezeichnetes zu verspeisen. Als aber der Jude in Ferrara das Schiff verlassen wollte und das Faß aufhob, merkte er an seinem leichten Gewichte, daß es leer war. Und als er daraufhin ein Geschrei erhob, man habe ihm den Leichnam gestohlen, erkannte der Florentiner endlich, daß der Jude in ihm sein Grab gefunden habe.

 


 


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