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81. Wohin?

In der nächsten Zeit halfen Ulrich und Friedrich ihrem Vater fleißig bei der Urbarmachung des Gutes; mit frischen Kräften machte sich Friedung an die Arbeit, da seine Frau bald völlig genesen war und er sich nun auch eines schuldenfreien Eigentums erfreute. Vor allem aber wurde seine Arbeitsfreudigkeit dadurch gehoben, daß er nun seine so lange betrauerten Söhne als Mitarbeiter bei sich hatte.

Mit den Weberschen Farmen wurde ein lebhafter, stets genußreicher und anregender Verkehr gepflogen.

Eines Tages lief ein Brief von Schulze ein, und zwar aus Ostafrika: das war eine Freude!

Der Professor schrieb unter anderm: »Obgleich ich, aus heiliger Dankbarkeit gegen unsere Freunde in Manoa, von unserer ganzen El-Dorado-Wissenschaft kein Wörtlein sagte, fand ich doch auch mit meinen viel weniger wunderbaren Berichten über die Amazonen und das ›Fabeltier‹ einfach keinen Glauben bei meinen Kollegen; die Amazonensteine erregten zwar Aufsehen, galten aber nicht als Beweisstücke. Man hielt mich für einen Schwindler: geschieht mir ganz recht! Ich selber krankte ja früher an der gleichen wissenschaftlichen Zweifelsucht. Hätte ich wenigstens den Schädel des Drachen mitgenommen! Aber den hatten Sie allzugut unter den Felsblöcken begraben! Na! in der Verzweiflung reiste ich nach Afrika, und ich sage Ihnen, ich habe da Dinge erlebt, die trotz Manoa noch wunderbar genug waren. Könnte einen ganzen Band darüber schreiben, erzähle es Ihnen aber lieber mündlich, denn ich komme mal zu Ihnen, und zwar bald: Sie werden ja meinen Berichten Glauben schenken, und überhaupt sehne ich mich nach Ihnen. Dann aber geht es wieder in die Urwälder am Orinoko – vielleicht bis Manoa; oh, wenn Sie mitgingen!«

Die Aussicht auf Schulzes Besuch erregte allgemeine Freude, Herr und Frau Friedung, sowie Webers hatten den edelsinnigen Gelehrten aus den Erzählungen der Jünglinge herzlich liebgewonnen.

Hier und da wurde die Arbeit auf längere Zeit unterbrochen: da unternahmen Friedungs, oft in Gemeinschaft mit Webers, weitere Reisen und erforschten die Wunder der entfernteren Umgegend. Inzwischen reifte ein Plan, den Friedrich schon lange im stillen gehegt hatte.

Um ihre reichen Mittel nutzbringend anzulegen, wollten die Brüder den Republiken Venezuela und Kolombia das große, noch unerforschte Gebiet abkaufen, das sich vom Orinoko bis zu den Anden hinzieht und von dem Meta, dem Vichada und dem Guaviare mit ihren Zuflüssen durchströmt wird.

Der neuen Kolonie sollte eine patriarchalische, gesunde Verfassung auf christlicher Grundlage, jedoch mit möglichster Wahrung der persönlichen Freiheit gegeben werden. Auf eigene Kosten wollten sie an den geeignetsten Stellen Städte und Dörfer gründen und Ansiedler, namentlich aus Deutschland, heranziehen, die sich freiwillig auf die Verfassung verpflichten wollten. In vielen Punkten sollten den Gesetzen die Einrichtungen des alten Inkareiches zum Vorbild dienen. Als Ansiedler waren besonders solche Leute vorgesehen, die unverschuldet in Unglück geraten waren, oder die trotz allen Fleißes in der Heimat ihr Auskommen nicht fanden. Aber auch schuldbelastete Gewissen sollten hier eine Zuflucht finden, falls es ihnen darum zu tun war, unter günstigen Verhältnissen und brüderlicher Teilnahme ein neues Leben anzufangen.

Die strengen Bestimmungen über die gemeinsamen Arbeitspflichten, ähnlich wie im alten Sonnenreiche Tahuantinsuyu, sollten die faulen und unruhigen Elemente fernhalten oder zu edleren Zielen führen.

Vielleicht gelang es auch späterhin, freundliche Beziehungen zu Manoa anzuknüpfen und so auf friedlichem Wege das schöne Ziel anzubahnen, das sich die alten Inka dort oben gesetzt hatten.

Diese Pläne sollten nun so bald als möglich verwirklicht werden. Da Webers von den berückenden Gedanken ganz eingenommen waren, beschlossen sie, gleich Friedungs ihre Farmen an mittellose tüchtige Einwanderer abzugeben und sich im »Paradies der Zukunft« niederzulassen.

Schulzes Besuch wurde noch abgewartet; dann reiste Ernst Weber mit Ulrich nach Kolombia und Venezuela, um dort die Ankäufe und Verträge abzuschließen. Schulze aber und Friedrich kehrten in die deutsche Heimat zurück, wo sie geeignete Familien aussuchten, die das Glück des neuen Staates begründen helfen und selber dort ein glückliches Dasein finden sollten.

Karte zu Ulrich und Friedrich Friedungs Reise. Kapitel 7 bis 47.

Karte zu Ulrich und Friedrich Friedungs Reise. Kapitel 48 bis 77.


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