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18. Gefahren und Wunder der Steppe

Der Tag dämmerte noch nicht, als Friedrich plötzlich aus dem Schlafe auffuhr. In nächster Nähe vernahm er ein kurz abgebrochenes, wütendes Knurren. Als seine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten, sah er, wie Manuel sich ebenfalls in der Hängematte aufrichtete. »Das ist ein Jaguar!« rief er Friedrich zu. »Ich fürchte, wir verlieren eines unserer Tiere.« Rasch sprang Friedrich zur Erde. »Vorsicht!« mahnte der Führer, und ein vielfältiges Geraschel am Erdboden ließ erkennen, wie angebracht diese Warnung war: offenbar trieben sich zahlreiche Schlangen hier herum. Glücklicherweise war Friedrich auf keine derselben getreten, und die durch seinen Sprung erschreckten Reptilien schienen die Flucht zu ergreifen.

»Wir sind leichtsinnig gewesen!« seufzte Manuel. »Ich hätte es wissen sollen, daß wir nicht alle drei in diesen Gegenden uns dem Schlafe überlassen durften; aber was! es war noch heller Tag, als wir uns zur Ruhe legten, und ich gedachte vor Einbruch der Nacht wieder zu erwachen. Ein andermal müssen wir uns in die Wache teilen, und sobald es dunkel wird, ein Feuer anzünden. Hoffentlich trägt uns meine Unvorsichtigkeit keinen Verlust ein.«

Mit diesen Worten hatte auch er die Hängematte verlassen und war vorsichtig zu Boden geglitten. Ulrich, der nun ebenfalls erwachte, rieb sich die Augen und fragte, was es gebe. Nachdem Manuel seine Frage beantwortet hatte, erhob er sich von seinem Lager und ergriff sein Gewehr, das blinkend an einem Palmenstamme lehnte. Friedrich und Manuel schlossen sich ihm an, und schußbereit schlichen die drei der Stelle zu, von der das Knurren erscholl. Bald fanden sie sich in der Nähe der Maultiere, die sich wie dunkle Schatten am Rande des Waldes hin bewegten; offenbar waren sie auf der Flucht, konnten aber wegen der kurzgekoppelten Vorderfüße nur schrittweise vordringen.

In diesem Augenblick schwang sich ein katzenartiges Tier von der Größe eines kleinen Tigers auf den Rücken eines der Maultiere, das verzweifelt aufschrie. Ulrich, als der kühnste der nächtlichen Jäger, war nur wenige Schritte von dem überfallenen Reittier entfernt; er sah deutlich die Augen des Jaguars funkeln, der im Begriff war, seine Zähne in den Hals seines Opfers zu schlagen: dieses brach, vor Schreck gelähmt, unter der Last des Angreifers zusammen. Der Knabe gab Feuer, und das Raubtier stieß ein zorniges Gebrüll aus. Die Kugel hatte es zwischen den Augen an der Stirne verwundet, war aber am harten Schädel abgeglitten. Ulrich befand sich nun in größter Lebensgefahr; denn die gereizte Katze zögerte nicht, sich auf den Schützen zu werfen, der es gewagt hatte, ihre Jagd zu stören; und gewiß wäre er verloren gewesen, wenn nicht Friedrich raschen Blicks die bedenkliche Sachlage erfaßt und den Bruder mit einem kräftigen Rucke zur Seite geschleudert hätte, als eben der Jaguar vom Rücken des verwundeten Maultiers mit einem Satz in die Luft schnellte. Ulrich flog unsanft zu Boden, entging aber durch die rasche Tat des Bruders den Krallen des blutdürstigen Feindes, der mit großer Gewalt ins Gras stürzte. Friedrich hatte keine Zeit mehr gefunden auszuweichen, und so streifte ihn der muskelstarke Leib des Tieres derart, daß er strauchelte und alsbald auch mit dem Boden Bekanntschaft machte.

Nun war die Lage der beiden Brüder fast noch schlimmer als zuvor; Ulrich richtete sich zwar bereits wieder auf und tastete nach seinem Gewehr, das ihm beim Sturze entfallen war; Friedrich aber hätte keine Zeit gefunden, sich zu neuer Verteidigung zu rüsten, denn der Jaguar wendete sich sofort dem am Boden Liegenden zu. Schon hob er die rechte Vorderpranke zu einem tödlichen oder doch betäubenden Schlage, als eine Kugel aus Manuels Büchse ihm das Fußgelenk zerschmetterte, so daß er mit entsetzlichem Brüllen die gewaltige Tatze sinken ließ und die blutigen Augen dem neuen Angreifer zuwandte. Dieser erwartete mit gezücktem Messer den Angriff; unzweifelhaft aber wäre er aus dem ungleichen Kampfe nicht als Sieger hervorgegangen, wenn nicht im Augenblick der dringendsten Gefahr Ulrich mit einem Schusse dem schwerbedrängten Diener zu Hilfe gekommen wäre. Diesmal war das Raubtier in den Hals getroffen und konnte sich nur noch schwerfällig bewegen, die Wunde schien tödlich zu sein; dennoch hätte die Bestie im Todeskampf noch gefährlich genug werden können; aber Manuel stieß ihr nunmehr sein Messer in das eine Auge und gleichzeitig gab eine Kugel aus Friedrichs Gewehr dem brüllenden Unhold den Rest.

Während der Jaguar unter gewaltigen Zuckungen und Krämpfen verendete, untersuchten die siegreichen Jäger die Wunden des überfallenen Maultieres. Die Klauen des Räubers hatten diesem den Rücken bedenklich zerfleischt; glücklicherweise war noch kein Biß in den Nacken erfolgt, so daß eine unmittelbare Lebensgefahr für das kostbare Reittier nicht zu bestehen schien; immerhin durfte es in nächster Zeit in keiner Weise belastet werden.

Der Morgen dämmerte, als Manuel mit dem Verbinden der Wunden fertig war. Die beiden andern Maultiere wurden eingefangen, und zur Vermehrung des Ungemachs zeigte sich, daß eines von ihnen eine hohe Beule am Rücken hatte, ein Leiden, das die Lasttiere oft infolge des Drucks und der Reibung der ihnen aufgeladenen Lasten oder auch des Sattels plötzlich befällt. Ein derart erkranktes Maultier muß ebenfalls völlig von Sattel und Zaumzeug und jedem Drucke bis zur Heilung des Schadens befreit werden, die dann meist in kurzer Zeit erfolgt.

Es blieb nichts übrig, als das sämtliche Gepäck dem einzig gesunden dritten Tiere aufzuladen und die Weiterreise zu Fuß anzutreten. Zuvor wurde noch ein tüchtiges Frühstück eingenommen, und der Jaguar, der den Braten dazu liefern mußte, seines schön gefleckten Felles beraubt.

Es ging nun langsam und gemächlich weiter, namentlich aus Rücksicht auf das schwerbelastete Maultier, sowie auf seine wunden Kameraden.

Heiß und glühend stieg die Sonne über den Rand der öden Steppe empor, als unsere Freunde den Palmenwald verließen, den sie im dämmernden Morgenlichte durchschritten hatten. Das Schauspiel dieses Sonnenaufgangs war nicht minder prächtig, als es sich auf dem endlosen Ozean den entzückten Augen darbietet. Die Sonne stand noch nicht gar hoch am Himmel, als plötzlich ein wunderbarer Anblick die Aufmerksamkeit der Wanderer fesselte; eine gewaltige Rinderherde zog lautlos durch die Luft, Grabhügel und zerfallene Türme folgten ihr, bald näher kommend, bald in der Ferne verschwindend; dann zeigten sich die Ufer eines lieblichen Sees, und unter Palmen und blütenreichen Bäumen eine prächtige Stadt, aus deren Toren bewaffnete Reiter sprengten, so ging es wohl eine Stunde lang fort; kaleidoskopartig wechselten liebliche und großartige Bilder, und obgleich sie nicht etwa verkehrt standen, wie es sonst bei den Luftspiegelungen gewöhnlich der Fall ist, erkannten die Reisenden doch, daß es eine Fata Morgana sei, die mit ihren bunten Wundern ihnen die Wanderung durch eine eintönige Landschaft verschönte und reizvoll belebte.

Nachdem die »Sehnsucht der Antilope«, wie die Luftspiegelung im Sanskrit poetisch genannt wird, verschwunden war, nahmen die dürren Llanos, durch die unsre Freunde bisher gewandert waren, einen etwas freundlicheren Charakter an; es begann ein Abschnitt mit frischem, saftigem Gras, das auf die Nähe von Wasser hinwies. Bald wogten die Gräser hoch über den Häuptern der Tiere wie der Menschen, und Friedrich meinte, sie seien wie Gulliver ins Land der Riesen geraten, wo das Wiesengras Baumhöhe erreiche. Viele blütenreiche Malvenarten und Mimosen, deren feinfühlige Blätter sich bei der leisesten Berührung schlossen, brachten überdies Abwechslung in die Landschaft, und an Stelle der traurigen »Palma de Cobija«, die bisher allein in fast schattenlosen, vereinzeltstehenden Exemplaren den Baumwuchs vertreten hatte, trat die »Palma Real de los Llanos«, die mit ihren saftigen, handförmigen Blättern einen erfrischenden Anblick bot. Daneben zeigte sich auch die Sagopalme, Murichi genannt, die Mehl, Wein und Faden zum Anfertigen von Netzen, Kleidern und Hängematten liefert. An den tannenzapfenartigen, schuppigen Früchten hätten sich unsere Freunde gern erlabt, denn sie schmecken ausgezeichnet, ähnlich den Äpfeln, und ihre Röte zeigte ihre Reife an. Aber sie waren leider unerreichbar. Eine Wohltat war es immerhin, daß nun die drückende Hitze durch den Schatten der Gräser und Bäume gemildert wurde.

Unzählige Scharen von großgehörnten Rindern weideten auf diesen üppigen Fluren und inmitten derselben ganze Rudel von Matacani. Diese großen, damhirschartigen Rehe mit ihrem glatten, fahlbraunen, weißgetupften Fell lieferten den jungen Jägern einen ausgezeichneten Braten zum Mittagsmahl. Merkwürdig erschienen unter den friedlichen braunen Gesellen einzelne schneeweiße Exemplare, sogenannte Albino.

Da der heutige Tag, der 13. Oktober, gerade ein Sonntag war, beschlossen unsere Freunde, sich mit der kurzen zurückgelegten Strecke zu begnügen und den Nachmittag zu rasten. Ein kleines von Sagopalmen gebildetes Gebüsch lud mit seinem erfrischenden Schatten zur Ruhe ein. Dürres Gras und trockene Palmzweige wurden zusammengetragen, um in der Nacht ein Feuer unterhalten zu können. Auch den Maultieren sollte die Rast gut tun; denn das gesunde hatte schwer zu tragen gehabt, und die beiden anderen waren durch ihre Wunden, beziehungsweise Beulen, erschöpft und angegriffen.

Ulrich wollte den Versuch machen, einige Früchte von den Palmen herabzuschießen, was ihm gewiß gelungen wäre; Friedrich aber hinderte ihn daran: »Wozu sollen wir die zahlreichen Brüllaffen unnötig erschrecken, die in den Wipfeln umherspringen? Es fehlt uns ja gottlob nicht an Speise und Trank.«

Die Brüllaffen sind nämlich, wie schon Humboldt beobachtete, besonders lüstern nach den Früchten des Murichi und hatten sich auch in diesem Wäldchen in großer Herde eingefunden. Im weichen Moos liegend ergötzten sich die Rastenden an den lustigen Neckereien und possierlichen Sprüngen der drolligen Tiere, und selbst das kreischende Schreien erklang ihnen in dieser weiten Einsamkeit wie Musik.

Plötzlich stieß Friedrich einen unterdrückten Schrei aus; erschrocken wandten sich Ulrich und Manuel der Richtung zu, nach der er mit dem Finger wies. Dort erblickten sie eine wohl sechs Meter lange Riesenschlange, deren Leib in vielen Windungen den Stamm einer Palme umklammert hielt, während ihr gräßlicher Kopf an dem schlanken, metallisch glänzenden Halse mit feurigen Augen zwischen den Blättern der Krone hervorlugte. Ein Rascheln in diesen Blättern, das durch die schaukelnde Bewegung ihres Vorderleibes hervorgerufen wurde, hatte auch die Affen auf die entsetzliche Gefahr aufmerksam gemacht, und mit gellendem Angstgeschrei ergriffen sie die Flucht.

Aber die Boa mochte schon lange auf der Lauer gelegen haben und hatte sich bereits ein Opfer ausersehen: wie ein Blitz schoß sie mit dem Kopf zwischen den Blättern hervor und ergriff mit den scharfen Zähnen ein junges Äffchen. Sie erwischte es aber nur noch an einem Arme, denn das geängstete Tier war mitten im Sprunge, den Gefährten zu folgen. Herzergreifend war das klägliche Schreien des Opfers; man hätte meinen können, es sei ein kleines Menschenkind, das in Todesangst diese Töne ausstoße; aber noch ehe sich die Schlange mit ihrer Beute zurückzog, um sie zu zerdrücken und zu verschlingen, fiel ein Schuß, und Friedrichs wohlgezielte Kugel saß der Räuberin im Kopfe. Grauenerregend waren die Zuckungen und Windungen des Riesenleibes; aber nach wenigen Sekunden erschlaffte seine gewaltige Muskelkraft, die Ringe lösten sich, die Boa glitt am Stamme der Palme herab und fiel mit dumpfem Aufschlag zu Boden. Hier lief noch einigemal ein wellenförmiges Zittern durch ihren Leib; dann aber lag sie starr mit verglasenden Augen. Allein sie hielt noch im Tode das Äffchen mit den Zähnen fest, und vergeblich machte das arme Geschöpf krampfhafte Anstrengungen, seinen Arm aus der Klemme zu befreien.

Friedrich und Ulrich eilten hinzu, und mit Aufbietung aller ihrer Kräfte gelang es ihnen, ihre Jagdmesser zwischen die Kiefer der verendeten Schlange zu stoßen und ihren Rachen aufzubrechen. Vorsichtig zogen sie sodann den Arm des kleinen Affen aus den spitzen Zähnen, die ihn durchbohrten. Das erschöpfte, blutende Tier regte sich dabei kaum mehr. Doch es konnte sich bei ihm nur um eine Ohnmacht infolge des Schreckens, der Ermattung und namentlich des Blutverlustes handeln, da der Biß der Riesenschlange nicht giftig ist, und die kleinen Wunden am Arme, so zahlreich und tief sie auch waren, nicht lebensgefährlich sein konnten.

Die mitleidigen Knaben stillten alsbald das rinnende Blut und verbanden den Arm des Affen kunstgerecht. In der Folge dauerte es denn auch nur wenige Tage, bis der kleine Affe wieder völlig hergestellt war und selbst den Gebrauch seines geheilten Armes wieder erlangte. In dieser Zeit gewöhnte sich das possierliche Tier derart an seine sorgsamen Pfleger, daß es, ganz zahm, ihr ständiger Reisegefährte blieb, der ihnen viele Freude machte und sogar von schätzbarem Nutzen werden sollte.

In der nun bald einbrechenden Nacht wurde, wie auch künftighin, keine neue Unvorsichtigkeit begangen: die drei Gefährten teilten sich in die Nachtwachen und unterhielten währenddessen ein beständiges Feuer, das wilde Tiere und giftiges Gewürm von ihrem Lager fernhielt.

Andern Tags ging es wieder weiter, stets in gemächlicher Gangart und mit zahlreichen Rasten, namentlich zur Schonung der Maultiere. Gegen Abend langte man an einem Sumpfe an, der ein eigenartiges, belebtes Schauspiel bot: große weiße Riesenstörche mit kahlem schwarzem Kopfe und purpurrotem Halsring stolzierten in dem ziemlich klaren Wasser umher. Manuel erklärte, dies seien die »Garzones Soldatos«, die man ja nicht reizen dürfe, da sie mit ihrem gewaltigen, beinahe einen Meter langen Schnabel schwere Verwundungen beibringen könnten. Schneeweiße Garzetta mit schönen gefransten Rückenfedern, zierliche rotbraune Garza mit silbergrauem Gefieder trippelten leichten Schrittes am Ufer hin, und vornehme metallglänzend schwarzbraune Ibisse mit orangefarbener Wachshaut am langen, krummen Schnabel, standen im Wasser und suchten nach Würmern und Fröschen. Kleine Viriri-Enten schwammen in Ketten auf dem Wasserspiegel umher, und auf den Seepflanzen und großblätterigen prächtigen Sumpfblumen, die einen großen Teil des Wassers bedeckten, liefen niedliche blaue und rotbraune Wasserhühner mit ihren langzehigen Füßen geschickt einher und ließen ihre laute, klagende Stimme erschallen. Ganz besonders reizend aber waren die zartrosa Flamingo, in diesen Gegenden eine Seltenheit, die mit anmutiger Bewegung ihres schlanken Halses forschend das Ufer absuchten, um von Zeit zu Zeit den feinen Kopf mit dem starken, gekrümmten Schnabel ins Wasser zu tauchen und dann mit einem laut blökenden Ochsenfrosch als Beute wieder ans Licht zu kommen.

Unter den Wasserhühnern, die auf den Blättern der Seerosen nach Nahrung suchten, fiel unsern Freunden besonders der Jassana auf, dessen schwarzbraunes Gefieder ins Bläuliche schimmert. Im Nacken trägt er einen Busch von zwölf schwarzen Federn und im Winkel jedes Flügelgelenkes einen hornartigen Sporn als Verteidigungswaffe. Dieser sonst stille und scheue Vogel ist ein trefflicher Warner, kündigt er doch jede nahe Gefahr, die seinem scharfen Blicke nie entgeht, durch einen eigentümlichen schrillen Schrei an, weshalb ihn die Indianer häufig zähmen und als Wächter und Warner halten, wie etwa wir die Haushunde. Auch die Europäer in Südamerika benutzen ihn häufig zum Schutze ihres Geflügels; er nimmt nämlich den Kampf mit kleineren Raubvögeln, wie Habichten und Falken, mutig auf und bleibt dabei gewöhnlich Sieger.

Unsere Freunde sollten noch heute den kleinen Helden schätzen lernen; denn während sie, noch ganz versunken in den bunten Anblick, die prächtigen Farben und das unterhaltende Treiben der zahlreichen Sumpfvögel bewunderten, stieß plötzlich der Jassana einen gellenden Schrei aus. »Obacht, Sennores!« rief Manuel aufschreckend. Forschende Umschau haltend, erblickten sie in ihrer nächsten Nähe einen abscheulichen Kaiman, der, mit dem Leibe im Schlamme eingewühlt, nur den häßlichen und grauenerregenden Kopf herausstreckte, eben im Begriffe, mit seinem furchtbaren Gebisse nach Ulrichs Beinen zu schnappen.

Mit einem Schrei des Entsetzens sprangen die drei erschrockenen Naturfreunde zur Seite. Während sich der Kaiman vollends aus dem Schlamme wühlte, flogen die Vögel ringsum mit ohrenbetäubendem Stimmengewirr von dannen, und auch die mit knapper Not einem schrecklichen Unglück entgangenen Jünglinge entfernten sich rasch von dem unheimlichen Ufer.

Sie schritten auf eine schattige Baumgruppe zu, die in einiger Entfernung sich zeigte. Es waren Kopaiva- und Drachenblutbäume. Wer beschreibt die Überraschung unserer Freunde, als sie die Bäume erreichten und dort eine tiefe Erdspalte sich zu ihren Füßen öffnen sahen. Die Wände dieser engen Schlucht wiesen eine schöne rote Farbe auf, sie bestanden aus Carniz, dem farbigen Ton, der sich überall in den Llanos unter der Humusdecke ausbreitet und stellenweise zutage tritt; die Einwohner benutzen ihn häufig als Anstrichfarbe für ihre Häuser.

Aus der Schlucht wehte unseren Freunden eine solch angenehme Kühle entgegen, daß sie sich nicht enthalten konnten hinabzusteigen, was sich bei einiger Vorsicht leicht bewerkstelligen ließ. Unten angelangt, glaubten sie sich fast in ein Märchen versetzt: aus der Glut der Steppe waren sie in einen feuchten, frischen Grund gelangt, aus dessen Felswänden überall kristallklares Wasser sickerte, das sich in einem geräumigen Becken sammelte, in dem sich einige niedliche Fischlein tummelten. Diese glänzten wie Silber, und schwarze Streifen zierten ihre Seite. Waren das nicht die plätschernden Springbrunnen der Alhambra, die zum Bade einluden? Die Gelegenheit war zu verlockend, um unbenutzt gelassen zu werden. Wie erquickend war das Bad an diesem dämmerigen Ort, fern von allen Gefahren, die in den obern Gewässern die Badelustigen bedrohen!

Neu gestärkt entstiegen die Reisenden der silbernen Flut und wanderten noch eine Strecke weiter, um sich einen Platz für die Nachtruhe zu suchen.


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