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51. Die Napo

»Es ist doch merkwürdig,« sagte Friedrich, während Mittagrast gehalten wurde, »daß der uralte Name der Anden, ›Antafuyu‹, wie Unkas mir erklärte, ›die Heimat der Metalle‹ bedeutet.«

»Zweifellos,« erwiderte Schulze ironisch, »ist dies ein untrüglicher Beweis dafür, daß dies Gebirge irgendwo das vielgesuchte geheimnisvolle Goldland mit dem See Manoa birgt. Geben Sie nur acht, Ihnen ist es jedenfalls vorbehalten, zu entdecken, was jahrhundertelang vergebens gesucht wurde.«

»Vorerst liegt es mir viel mehr am Herzen, die Farm unseres geliebten Vaters zu entdecken; aber Ihnen, Herr Professor, prophezeie ich, daß Sie jenes Fabeltier auffinden werden, das Sie so weit in die Wildnis gelockt hat.«

»Ho, ho!« eiferte der Professor lachend. »Das wäre mir die allerfatalste Entdeckung: sie würde ja alle meine wissenschaftlichen Überzeugungen über den Haufen werfen. Sie vergessen, daß ich eben auszog, um es keinesfalls zu entdecken.«

»Nun, wenn Sie es hier nicht finden sollten, so wird man ihm eben einen andern Wohnort anweisen; ich glaube, die negative Aufgabe, die Sie sich gestellt haben, gehört zu den Unmöglichkeiten, denn es läßt sich eben nie sicher beweisen, daß etwas nicht besteht.«

»Wissenschaftlich wird alles bewiesen! Man braucht sich nur auf die Technik des Beweises zu verstehen. Es wäre doch schmählich, wenn ich Professor sein wollte und könnte nicht einmal etwas nachweisen, das ich mir nun einmal nachzuweisen in den Kopf setzte!«

»Steigt dort drüben aus dem Wäldchen nicht Rauch auf?« unterbrach plötzlich Ulrich diese Auseinandersetzung.

Der Vater der vier Augen sah nichts; aber Friedrich und Unkas bestätigten sofort Ulrichs Vermutung, und die Ruhe wurde rasch abgebrochen, da man hoffte, dort Menschen zu finden, die möglicherweise über Friedungs Aufenthalt Auskunft zu geben vermochten.

Bald war der Waldsaum erreicht; hier wurden die Ankömmlinge von zwei finster und mißtrauisch blickenden Indianern aufgehalten, die offenbar als Wachtposten aufgestellt waren. Eine Verständigung mit den Leuten, die eine ganz fremde Mundart sprachen, erwies sich als unmöglich; doch entschlossen sich unsere Freunde, auf ein Zeichen der Wächter hin, ihnen zu folgen.

Die Napoindianer, denn solche waren es, führten die Karawane auf eine große Lichtung des Waldes, wo sich ein ausgedehntes Indianerlager mit zahlreichen Zelten und auch einzelnen zerstreuten Hütten befand.

Kurze Zeit darauf standen unsere Freunde vor dem Häuptling, der kunstvoll mit Onoto bemalt war, was ihm ein ziemlich wildes Aussehen verlieh; doch trotz der finster zusammengezogenen Brauen hatte der Mann etwas Vertrauenerweckendes und Wohlwollendes in seinem Blick. Glücklicherweise sprach der Napohäuptling Spanisch, freilich mit einer höchst sonderbaren zischenden Aussprache, die den Deutschen ganz »spanisch« vorkam. Er redete sie sofort in dieser Sprache an, als er sah, daß er Weiße vor sich hatte.

»Was suchen meine weißen Brüder auf den Weideplätzen der Napo, und was führt sie in unsere Jagdgefilde? Der Weg ist weit und gefährlich von den steinernen Zelten meiner Brüder bis zu unseren wandernden Hütten; ist nicht Raum genug in den Savannen und Wäldern der Küsten und der großen Ströme, daß meine Brüder das freie Gebiet der kriegerischen Napo aufsuchen?«

Als Friedrich und Ulrich vernahmen, daß sie sich unter den Napo befanden, erfüllten schwere Sorgen ihre Herzen: waren es nicht Napoindianer gewesen, die Nueva Esperanza verwüstet hatten? War es denkbar, daß ihr Vater sich wieder in der Nähe seiner Feinde angesiedelt hatte, oder waren diese erst später hierhergezogen? Was mochte aber dann geschehen sein? Wenn übrigens das Gebiet der Napo sich so weit nach Westen erstreckte, so war es immerhin möglich, daß die hier umherziehenden Indianer ganz andere waren als jene, die Friedungs Farm zerstört hatten. Weil überdies der Häuptling nicht unfreundlich schien, hielt es Friedrich, so sehr sein Bruder ihn stupste, für am besten, frei herauszusagen, was sie hierherführte.

»Tompaipo ist zufrieden, daß keine feindliche Absicht die weißen Karai hergeführt hat,« sagte der Häuptling ernst, als Friedrich seine Darlegung beendigt hatte. »Der Häuptling der Napo bezweifelt aber, ob sie den finden werden, den sie suchen; meine roten Stammesbrüder, die nicht ferne von hier lagern, haben seine Farm niedergebrannt, weil er die heiligen Geheimnisse der Napo ergründen wollte, und Cachimana weiß, wohin er sich hernach gewendet hat.«

»O, so führet uns zu Cachimana!« bat Friedrich mit bewegter Stimme.

Blitzhand, denn dieses bedeutete des Häuptlings Name »Tompaipo«, lächelte und wies gen Himmel. »Zu Cachimana kann ich euch nicht führen; euer Gott schließt sich in ein steinernes Haus ein, denn er ist alt und krank, Cachimana aber ist ewig jung und ein starker Gott, er wohnt frei im Wald und im Feld und auf den Bergen, von denen der Regen kommt; denn er ist gut und schafft uns Wild und Früchte und sendet das Wasser aus den Wolken, wenn die Dürre uns Hunger bringt.«

»Unser Gott ist wie Cachimana,« sagte Friedrich. »Er wohnt auch nicht in Tempeln, von Menschenhänden gemacht, sondern der Himmel ist sein Stuhl und die Erde seiner Füße Schemel.«

»So spricht mein kluger Bruder, um Tompaipos Herz zu verführen; aber Blitzhand kennt die steinernen Häuser, in denen eure Götter wohnen, und er hat es gesehen in den Missionen, wie die Priester den toten Bildern Opfer bringen und Rauch aufsteigen lassen, und in jeder Mission ist wieder ein eigener Gott, und alle sind Bilder von Männern und Weibern. Cachimana ist kein Bild aus gemaltem Holz oder Stein, er ist der Große Geist der Napo.«

»Die Bilder, die du meinst, sind keine Götter; sie sind Bilder der Heiligen bei den Portugiesen oder Spaniern, wir aber sind Deutsche.«

»Wenn meine Brüder Paranaquiri sind, dann will ich ihnen glauben; aber die Jaranavi und Uavemi sind falsch wie die Jolokiamo und suchen unseren roten Brüdern ihre Religion beizubringen, nur um sie zu Poito zu machen.«

Den Sinn dieser Worte konnte Friedrich natürlich nicht verstehen, denn erst viel später, bei längerem Verkehr mit den Indianern, erfuhr er nach und nach, daß diese unter »Paranaquiri,« wörtlich »Meeresbewohner«, die Holländer an der Küste von Guayana und demnach auch die gleichfalls evangelischen Deutschen verstehen, während sie die Portugiesen »Musikantensöhne« oder »Jaranavi« heißen und die Spanier »bekleidete Menschen«, nämlich »Uavemi« oder auch »Pongheme«. »Jolokiamo« ist der böse Geist oder Teufel, von dem alles Unheil kommt, im Gegensatz zu Cachimana, dem guten Gott, und »Poito« bedeutet »Sklaven.«

Immerhin begriff Friedrich so viel, daß Blitzhand ihm einiges Vertrauen schenkte, weil er ein Deutscher sei.

Nach einer Pause fuhr Blitzhand fort: »Meine weißen Brüder sollen in meinem Lager willkommen sein, möchten sie recht lange Zeit darin verweilen; Tompaipo wird seine roten Brüder fragen, ob sie Kunde haben, wohin sich Don Friedung gewendet hat.«

Mit Dank wurde Blitzhands Anerbieten angenommen. Der Häuptling ließ sofort den Fremden eine Hütte bauen mit einem umzäumten Hof für die Lama. Noch vor Abend war der ganze Bau vollendet, da fast alle männlichen Indianer mit Hand anlegten und die Errichtung eines solch einfachen Bauwerks aus Pfosten und Rohrstäben sehr rasch vor sich geht.


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