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9. Die Verschwörer

Don Jose de Alvarez saß stets noch wartend und immer unruhiger werdend an seinem Marmortisch. Ein Glas Wein um das andere stürzte er hinunter, und aufgeregte Flüche entquollen seinen dicken Lippen. Da drängte sich ein Mann an ihn heran, ebenfalls ein Mestize von nicht weniger unheimlichem Aussehen als Don Jose. Ein dünner Bart jedoch umrahmte sein kupferfarbenes Antlitz, während Alvarez ein glattrasiertes Gesicht zur Schau trug.

»Caramba, Diego! Ich glaubte, ihr kämet nicht mehr! Was laßt ihr mich so lange warten, und wo bleibt Lopez?«

»Hier ist er in Person,« erwiderte ein hagerer Mestize von weit hellerer Farbe als die beiden anderen. Lopez schien mehr spanisches Blut in den Adern zu haben als die Genossen, und sein lang aufgewirbelter Schnurrbart im Verein mit dem schmalen Spitzbarte gaben ihm das Aussehen eines altspanischen Granden oder Edlen, obgleich es ihm nicht gelingen wollte, sich einen Anstrich echt spanischer Grandezza, das heißt Vornehmheit, zu geben.

»Nun, Don Jose,« nahm Diego das Wort, nachdem die beiden sich am Tische niedergelassen, »bist du wieder im Lande und von deinen Eldoradophantasien geheilt, wie ich hoffe? Wir glaubten nicht, dich lebend wieder zu schauen.«

»El Dorado ist kein Wahn,« sagte Alvarez flüsternd mit wichtiger Betonung: »Ich sage euch, ich bin der Goldstadt auf der Spur und kam, euch mit hinüber zu nehmen; denn für einen einzelnen Mann ist das Unternehmen zu schwer.«

»Was sagst du?« rief Lopez erstaunt. »Du willst sichere Kunde von El Dorado haben, das unsere Vorfahren umsonst suchten, und an das kein Mensch mehr glaubt?«

»Still, still!« mahnte Don Jose den lauten Gefährten: »El Dorado steht heute noch, die herrliche Goldstadt, daran zweifle ich nicht mehr. Aber niemand darf mein Geheimnis wissen außer euch beiden.«

Wenn der Mestize von El Dorado als von einer Stadt redete, so kam dies daher, daß er die zurzeit verbreitete volkstümliche Anschauung teilte, die ganz vergessen hat, daß »El Dorado« eigentlich »Der Vergoldete« heißt und einen indianischen Priesterkönig, nie aber eine Stadt oder gar ein Land bezeichnet. Die Kunde von der märchenhaften Goldstadt fand übrigens bei den Gefährten Don Joses zunächst wenig Glauben, wie aus ihren Einwänden deutlich hervorging.

»Phantast!« spottete Diego. »Binde uns alten Praktikern kein Märchen auf. Haben nicht vor Jahrhunderten, als die Kunde noch lebendiger war, Tausende den ganzen Süden durchstreift und ihr Leben gelassen, ohne die sagenhafte Goldstadt zu finden; wie wäre es möglich, daß sie bis heute verborgen blieb?«

»Und ich bleibe dabei, die Indios vom Napostamme wissen von El Dorado; aber sie hüten das Geheimnis wie das Grab. Allein ich habe nicht umsonst jahrelang unter ihnen gewohnt, um ihr Geheimnis zu erschleichen. Ich gewann ihr Vertrauen, – und dennoch, was ich weiß, mußte ich heimlich erlauschen und aus zufälligen Äußerungen und Beobachtungen mir zusammenreimen. So viel ist sicher: die Goldstadt mit ihren unermeßlichen Schätzen liegt irgendwo im Nordwesten des Amazonas; kein Napo hat sie erschaut, aber sie stehen in Verbindung mit den geheimnisvollen Hütern der Stadt, die die Indios so gut und noch besser zu verbergen verstanden, als ihre Silberminen in den Kordilleren.«

»Geh mir weg!« meinte Lopez verächtlich: »Silberminen lassen sich verschütten, und doch wird manche wieder aufgefunden; aber eine ganze Stadt verstecken, noch dazu eine weithin leuchtende Goldstadt – nein! das magst du anderen weismachen, aber keinem Lopez! Eine solche Stadt, wenn sie anders vorhanden wäre als in der Vorstellung kindischer Indianer, müßte schon längst entdeckt sein.«

»Narr! Die Stadt liegt von Natur verborgen auf einer unzugänglichen Hochebene; sie ist rings von einem Felsengürtel umgeben, der sie den Blicken entzieht. Die Kunde von ihrer Lage wird von den Eingeweihten verheimlicht, und den Zugang haben sie derart verborgen, daß kein Uneingeweihter ihn finden kann. Und überdies, wie sollte die Stadt entdeckt worden sein, da sie in einer Gegend liegt, die noch keines Weißen Fuß betrat?«

Don Jose sprach so bestimmt, daß die andern, deren Zweifel schon im Schwinden waren, während gierige Hoffnung aus ihren Augen leuchtete, sich weiterer Einwände enthielten und sich überzeugen ließen, daß an den Behauptungen des Genossen etwas sein müsse.

»Die Napo,« fuhr Alvarez fort, »sind sehr mißtrauisch, besonders da, wo es sich um das große Geheimnis handelt, von dem nur ihre Ältesten etwas Genaueres zu wissen scheinen. Ich selber konnte bloß dadurch in engere Verbindung mit ihnen treten, daß ich ihnen nachwies, daß meine Mutter eine Tochter ihres Stammes war. Dennoch hütete ich mich bisher wohl, sie irgend etwas von meinen Plänen ahnen zu lassen; der leiseste Verdacht hätte verderblich werden können. Dafür habe ich erst jüngst einen schlagenden Beweis erhalten. Da hatte sich nämlich zu meinem großen Ärger ein Deutscher in der Nähe des Stammes niedergelassen. Ich fürchtete gleich, er führe auch etwas im Schilde, was meinen Absichten ähnlich sei; denn wer läßt sich sonst in jenen Wildnissen nieder? Ich suchte ihn auszuforschen, aber der Mann hatte eine verdammt scharfe Art einen anzusehen, als ob er einem die verborgensten Gedanken aus der Seele lese. Kurzum, ich brachte nichts aus ihm heraus und merkte, daß er mir nicht gewogen sei. Wir kamen auch einige Male bös hintereinander. Jedenfalls konnte ich einen solch schlauen Aufpasser nicht in der Nähe brauchen, zumal er eine merkwürdige Kunst besaß, die Herzen der Napo zu gewinnen. Wer weiß, wenn ich länger zugewartet hätte, es wäre ihm vielleicht einmal gelungen, mich selber den Indios verdächtig zu machen.

»Ob er nun El Dorado ausspionieren wollte oder nicht, ich beschloß, ihn beizeiten aus dem Wege zu räumen. Ich versuchte zunächst, dem Manne Furcht einzujagen, das wollte mir aber nicht gelingen; dann begann ich mit einigen wilden Burschen seinem Rancho nächtliche Besuche abzustatten, die junggepflanzten Bäume abzuschneiden und seine Arbeit möglichst zu verderben, um ihm die Sache zu verleiden. Aber der Schurke war schlau; er erwischte mich eines Nachts und bekam mich in seine Gewalt, während die Rothäute vor seinem Feuerrohr entflohen. Er hat mir einen Denkzettel gegeben – Carajo!« Alvarez knirschte mit den Zähnen vor Wut: »Er hat mich durchgepeitscht wie einen Sklaven oder einen Hund und ließ mich dann springen. Damals habe ich ihm den Tod geschworen und zwar einen Tod mit ausgesuchten Qualen. O! daß ich meine Rache nicht voll befriedigen konnte!

»Ich suchte nun die Rothäute gegen den Kerl aufzuhetzen. Das ging leichter, als ich dachte. Die Napo hatten gesehen, daß ich viel mit dem Manne verkehrte. So nahm ich denn eine Gelegenheit wahr, den Häuptlingen zu berichten, ich habe das Bleichgesicht ausgeforscht und erfahren, es sei in die Wildnis gekommen, um ein Geheimnis der Indios auszukundschaften: er habe aus alten Büchern erfahren – die Indios haben einen gewaltigen Glauben an die rätselhafte Weisheit unsrer Bücher –, daß es irgendwo in der Nähe eine uralte goldene Stadt gebe, die wolle er ausspüren und dann ein ganzes Volk von Weißen heranziehen, um sie zu erobern. Dabei tat ich, als ob ich selber kein Wort von der Goldstadt glaube. Aber keine zwei Tage vergingen, so war dem Deutschen sein Rancho von den Napo dem Erdboden gleichgemacht und seine Hacienda in Flammen aufgegangen.«

»Und der Deutsche wurde erschlagen?« fragte Diego aufs höchste gespannt.

»Carajo! wenn ich das bestätigen könnte! Der Mann ist auf unerklärliche Weise verschwunden. Aber wenn er mir wieder unter die Augen kommt – – –! Er ist übrigens ein verdammt guter Schütze. Nun, ich glaube, der Aufenthalt in der Nähe der Napo ist ihm gründlich verleidet, und vorerst wenigstens ist er unschädlich gemacht. Ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, euch zu holen, wie wir es vor Jahren ausgemacht haben; ich stehe mehr denn je im Ansehen bei den Indios, und wenn ihr klug seid, wird es mir leicht werden, auch für euch ihr Vertrauen zu gewinnen. Sechs Augen und sechs Ohren sehen und hören immerhin mehr als zwei, und ich zweifle nicht daran, daß wir durch List in nicht allzuferner Zeit die genauere Lage von El Dorado erfahren werden, und dann lasset mich nur machen: ich sage euch, wir kehren heim als die reichsten Leute des Weltteils.«

»Das heißt, wenn wir überhaupt heimkehren!« schaltete Lopez ein.

»Hast du Angst?« spottete Don Jose.

»Angst?!« rief Lopez. »Wo es sich um Gold handelt, nehme ich es mit allen Teufeln auf!«

»Aber nun noch eines,« nahm Alvarez wieder das Wort. »Da treffe ich vorhin zwei deutsche Milchbärte, und was höre ich? Es sind die Söhne jenes Friedung, die ihren Vater aufsuchen wollen. Ich weiß nicht recht warum, aber es ist mir unangenehm, die Jungen in unserer Nähe zu wissen. Sie sind zwar harmlos und naiv, der jüngere wenigstens; der ältere sah mich mißtrauisch an und zeigte die durchdringenden Augen seines Vaters. Mögen sie noch so ungefährlich sein – wer weiß, wenn sie erfahren, daß ich ihres Vaters Unglück herbeiführte ... Dazu kommt, daß bei den Napo auch ein Häuptling namens Blitzhand ist, der Friedung gewogen schien und mir mißtraute. Kurz und gut, wir müssen die Knaben unschädlich machen, aber wie?«

»Nichts leichter als das!« erwiderte Diego. »Das Volk ist erbittert gegen die Deutschen.«

»Wieso?« fragte Don Jose verwundert.

»Nun,« erklärte Diego, »es ist ja eine alte Geschichte, daß die Fremden, die immer die besten Geschäfte machen und immer Zahlung für ihre Waren fordern, bei uns verhaßt sind. Gegenwärtig herrscht aber noch eine ganz besondere Wut auf die Deutschen, und das ging so zu: Da war in Caracas ein angesehener Deutscher, Georg Schlüter, und mit dem bekam unseres Freundes Bruder, den du ja auch kennst, Don Luis Felipe Lopez, Händel auf offener Straße. Don Louis tat, was jeder von uns getan hätte, er zog seinen Revolver und jagte dem Deutschen etwas Blei zwischen die Rippen.«

»Und was nun?« forschte Alvarez neugierig.

Lopez beeilte sich weiter zu berichten: »Für unsereinen ist das ja nicht der Rede wert, passiert fast alle Tage; aber diese überempfindlichen Deutschen spielen gleich die Beleidigten und rennen vor Gericht. Schlüter hatte das Unglück, auf der Stelle tot zu sein, und nun setzten es die Dickköpfe durch, daß mein Bruder ins Gefängnis wanderte. Dort sitzt er nun seit sechs Monaten: ist so etwas erhört? Der Präsident paßt immer auf eine gute Gelegenheit, ihn freizulassen; aber die Deutschen geben keine Ruhe, und nun haben sie gar ein Kriegschiff in unserm Hafen. Darüber herrscht allgemeine Verbitterung; denn wohin käme es mit unsrer Freiheit, wenn eine weltfremde Macht sich derart in unsere inneren Angelegenheiten mischen dürfte? Soll es uns nicht einmal mehr gestattet sein, auf einen frechen Fremden zu schießen, der uns beleidigt?«

»Nun aber vernehmt meinen Plan,« nahm Diego wieder das Wort. »Wir streuen unter der Menge aus, die jungen Deutschen seien Schlüters Söhne, die in Deutschland erzogen wurden, und seien mit dem Kriegschiff gekommen, um an Don Luis Felipe blutige Rache zu nehmen. Das genügt, um die Leute gegen die Knaben aufzuhetzen, und ihr sollt sehen, morgen abend sind sie so tot wie der Georg Schlüter.«

»Das läßt sich hören!« stimmte Alvarez bei. »Und weil ich am Vater meine Rache nicht völlig kühlen konnte, so wird es mir eine Lust sein, ihn seiner Söhne zu berauben; das wird ihn tiefer treffen, als eine Kugel ins Herz. Von nun an heißt meine Losung: Tod den Söhnen Friedungs! Also, ans Werk!«


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