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80. Die Alchimisten

Nach beendigter Mahlzeit verabschiedete sich Ernst Weber mit dem Versprechen, in den nächsten Tagen mit seinem Bruder, den Frauen und Kindern zu erscheinen, wenn Friedung ihm durch einen Knecht günstige Nachricht über das Befinden seiner Gattin sende. Andernfalls werde er Johanne zur Pflege herausschicken.

»Ein edler Mensch, ein wahrhaft treuer Freund!« sagte Friedung, als Weber sich entfernt hatte. »Ja, meine Kinder! Mein ganzes Besitztum verdanke ich seiner Freundschaft. Ich gedachte, als Trapper mein Leben zu fristen und nur eine geringe Summe von ihm zu entlehnen, um mir eine Hütte zu bauen und die nötigen Gerätschaften anzuschaffen. Er aber hat mir ein ganzes Vermögen förmlich aufgedrängt, damit ich gleich eine Farm im großen betreiben könne. – Diese Schuld ist jetzt das einzige, was mich noch bedrückt. Ich weiß ja wohl, er denkt nicht daran, er hätte mir am liebsten die Summe geschenkt, wenn er nicht gewußt hätte, darauf würde ich nie eingehen. – Aber eben der Gedanke, einem so treuen Freunde so viel zu schulden, ist mir peinlich. Wie lange wird es währen, bis meine Farm überhaupt nur völlig angelegt ist und die Felder alle angebaut sind, die der Urwald noch bedeckt! Von einem Ertrage, der mir eine Abzahlung an meiner Schuld ermöglichen könnte, kann in den nächsten Jahren noch gar nicht die Rede sein: alles muß für unsere Bedürfnisse und die Rodungsarbeiten verwendet werden. Doch wie undankbar ich bin, daß solch kleinliche Sorgen mir an einem solchen Freudentage noch in den Weg kommen können!«

Friedrich und Ulrich sahen einander lächelnd an: sie wußten, daß sie die Mittel besaßen, innerhalb weniger Stunden ein Vermögen zu beschaffen, mit dem ihr Vater seine Schuld tausendfach heimzahlen konnte. Doch sie wollten ihn damit überraschen.

Der Mutter Genesung machte unglaublich rasche Fortschritte; schon am dritten Tage nach der Rückkehr ihrer Söhne konnte sie das Bett verlassen.

Inzwischen hatten unsere Freunde Zeit gefunden, so ziemlich alle ihre Erlebnisse, wenigstens im wesentlichen, den Eltern zu erzählen; nur von der Verwandlung der Metalle hatten sie noch kein Wort gesagt.

Heute aber sollte Friedung auch seiner Geldsorgen ledig werden.

»Paß einmal auf, Vater!« sagte Friedrich. »Heute sollst du etwas erleben!«

Dann wurde zusammengesucht, was die Farm an geeigneten Geräten besaß, und ein Zinnteller eingeschmelzt, trotz Frau Friedungs Einspruch.

»Ich besitze hier nichts als Holzteller,« sagte sie. »Die zwei einzigen Zinnteller, die ich habe, sind für mich ein wahrer Schatz, der Stolz meiner Haushaltung!«

»Ach was, Mutter!« sagte Ulrich. »Ich verspreche dir, du wirst tausend für einen kaufen können.«

Frau Friedung gab schließlich nach, neugierig, was da werden sollte. Aber was sie sah, sollte sie und noch mehr ihren Gatten in das höchste Erstaunen setzen. »Man glaubt sich ja in einem Märchen!« rief Friedung aus, als das Zinn, in lauteres Gold verwandelt, aus dem Tiegel erstand. Da wurde es draußen laut: die beiden Familien Weber waren eingetroffen.

»Oho!« rief Karl Weber im Eintreten lachend. »Da scheinen wir unter Alchimisten geraten zu sein!«

»Wahrhaftig!« fügte Major von Seldau bei. »Sie suchen wohl nach dem Stein der Weisen?«

»Wir suchen ihn nicht, wir haben ihn!« sagte Friedrich. »Hier dieses Lebenselixir hat meiner lieben Mutter die Gesundheit wiedergegeben.«

»Und hier,« sagte Ulrich, triumphierend einen leuchtenden Goldklumpen emporhebend, »hier haben wir soeben Zinn in Gold verwandelt!«

Die Besucher, die anfangs glaubten, es handle sich um einen Scherz, mußten sich bald überzeugen, daß hier tatsächlich eine Umwandlung der »Elemente« stattgefunden habe.

»Da haben Sie ja eine unerschöpfliche Quelle des Reichtums,« meinte Ernst Weber. »Sie können in einem Tage mehr Schätze anhäufen als unsere berühmten amerikanischen Milliardäre alle miteinander im Laufe ihres ganzen Lebens!«

»Aber gehen Sie vorsichtig um mit Ihrer Kunst,« ermahnte Karl, »insbesondere verraten Sie das Geheimnis keinem Menschen, sonst hätte es bald seinen Vorteil für Sie verloren, weil eine völlige Entwertung des Goldes die Folge sein müßte.«

»Dafür ist gesorgt,« erwiderte Friedrich, »wir haben nämlich selber keine Ahnung von dem Geheimnisse. Wir erhielten nur eine gewisse Menge des Alchimistenpulvers, die allerdings hinreicht, uns zu den reichsten Menschen der Welt zu machen, die aber doch nicht unerschöpflich ist. Da aber uns selber so wenig wie unsern Eltern am Besitze irdischer Reichtümer an und für sich viel gelegen ist, werden wir das kostbare Pulver zu Rate halten und uns jederzeit wohl überlegen, wie wir den besten Gebrauch davon machen können, damit das Gold, das so vielen zum Fluche wird, mit Gottes Hilfe in unsern Händen zu einer wirklichen Segensquelle werde für viele.«

»Brav, mein Sohn!« lobte Friedung. »Ich sehe, meine Kinder haben meine Grundsätze nicht vergessen.«

»Und bei solchen Grundsätzen wird der Besitz euch glücklich machen, indem er Glück spendet,« fügte Ernst Weber bei. »Der Reiche, der das Gold nur als Mittel zum Wohlleben ansieht, betrügt sich um sein eigenes Glück: nur ernste und stetige Arbeit und das Ringen nach edlen Zielen, die in der Ewigkeit gipfeln, gibt dauernde Befriedigung.«


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