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13. Eingeräuchert

Um dieselbe Zeit etwa erreichten drei Reiter die Höhe des Gebirgspasses und warfen einen Blick hinab in die Ebene von Valencia.

»Caramba! Dort unten finden Kämpfe statt,« rief einer von ihnen, der mit seiner hageren Gestalt und seinem gezierten Wesen das Vorbild zu einem Don Quichotte abgegeben hätte.

»In der Tat, Lopez! Mit wem wollen wir's halten? Mit den Rebellen oder mit den Regierungstruppen?«

»Wenn wir mit heiler Haut davonkommen wollen, mit keinen von beiden, Don Jose de Alvarez,« erwiderte der erste. »Meint Ihr nicht auch, Diego?«

»Gewiß!« hub der Angeredete an. »Aber die Sache wird sein, daß wir eben müssen; unangefochten kommen wir kaum durch, wenn wir nicht das Abziehen der Truppen abwarten wollen; und da meine ich, wir halten es allemal mit denen, unter die wir just geraten.«

»Diego hat recht!« rief Alvarez. »So machen wir's; und im übrigen verhalten wir uns neutral. Aber Carajo! Paßt auf! Wir werden geräuchert!«

In der Tat sah man unten im Tal kleine Flammen aufzüngeln. Wenn das Gras an den Berghängen recht dürr ist, wird es von den Einwohnern in Brand gesetzt, damit es um so rascher und üppiger nachwachse. Nun ist es für gewöhnlich im Oktober hierzu noch lange nicht Zeit; diesmal aber hatte eine außerordentliche Trockenheit auch während der Regenzeit die Dürre des Grases beschleunigt. In diesem Falle hatte das Anbrennen einen anderen Zweck: es war von den Regierungstruppen angesteckt, um die Rebellen aus einer günstigen Stellung zu vertreiben. Freilich blieb der Erfolg aus: das Gras war nicht trocken genug, um überall rasch Feuer zu fangen, und der Luftzug trieb es geradeswegs den Bergen zu; da fanden die Flammen reichere Nahrung und zogen in langen Streifen bis in den Urwald hinein, dürres Laub und abgestorbene Zweige prasselnd ergreifend. Der Wald setzte freilich wie immer dem Flammenmeere schließlich einen unüberwindlichen Damm entgegen; aber in der Gluthitze entwickelte sich ein Dampf und Rauch, die alles Leben in ihrem Bereich zu ersticken drohten. Tiere und Vögel flüchteten daher brüllend und kreischend den Berg hinan.

Die drei Mestizen, die zwar auf ihrer Höhe außer Gefahr waren und nur wenig von dem aufwirbelnden Rauch zu leiden hatten, sahen sich doch den Weg ins Tal bis auf weiteres versperrt; sie wandten daher kurz entschlossen ihre Maultiere und galoppierten den Berg hinab auf der Seite, von der sie soeben gekommen waren. Bald hatten sie die neue Straße erreicht, auf der sie nun außerhalb des Bereiches der Flammen um den Berg herum auf einem Umweg der Bahnlinie entlang nach dem Tale von Valencia weiterritten.

Viel schlimmer waren unsere Freunde daran, die schon beinahe den Saum des Urwaldes erreicht hatten, als plötzlich die Flammen emporzüngelten und dichter Qualm, mit Funken vermischt, sie einhüllte. Zugleich wurde es lebendig um sie: Jaguare, Puma, Schlangen, Affen, Kröten und alles Getier des Urwalds brachen aus dem Gebüsch hervor, hüpften und raschelten aus dem Laub und benutzten die sonst gemiedene Straße, um ungehinderter der Gefahr entrinnen zu können.

Die Angst und Eile der Tiere belehrte die Jünglinge alsbald zuversichtlicher als Manuels Erklärungen, daß ihnen von den erschreckten Geschöpfen kein Unheil drohte; Flammen und Rauch aber wurden ihnen lebensgefährlich, da am Saume des Waldes die dürren Zweige in Menge Feuer fingen und brennend herniederstürzten. Die Maultiere waren kaum mehr zu zügeln, auch sie schienen der wilden Jagd der anderen Kreaturen sich anschließen zu wollen.

»In den Fluß!« rief Manuel und zerrte die Maultiere vom Ufer hinab in das felsige Flußbett. Dort fanden die Gefährdeten zwischen hohen, überhängenden Felsblöcken eine geschützte Grotte, in der sie, bis zum Halse im Wasser stehend und von Zeit zu Zeit untertauchend, die Gluthitze ertragen konnten und auch vom Rauche wenig zu leiden hatten.

Als der Abend dämmerte, war dem Brande bereits ein Ziel gesetzt; doch war an ein Weiterkommen noch nicht zu denken, da die Straße mit glostenden, qualmenden Holzstücken übersät war. Unsere Freunde brachten daher die Nacht an einer trockenen Stelle des Flußbettes zu, um mit dem grauenden Morgen die Reise fortzusetzen.


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