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73. Das Lebenselixir

»Noch eines!« fragte nun Ulrich. »Kommen bei euch gar keine Krankheiten vor?«

»Nur selten wird hier oben ein Mensch von einem Leiden befallen. Die meisten Krankheiten sind eine Folge eigener Fehler oder fremder Verschuldung und Bosheit, es sei denn, daß man in ungesunden Ländern wohnte. Außerdem gibt es freilich auch Leiden, die von Cupay, dem Feinde aller Menschen, kommen, und die sich durch keine Vernunft noch Tugend vermeiden lassen; aber wir haben ein sicheres Heilmittel für alle Krankheiten des Leibes.«

»Oho!« sagte Schulze, der schon wieder in seinen Gelehrtenwahn verfiel. »Da hört sich doch alle und jede Wissenschaft auf! Ein Allerweltsmittel gibt es nicht: das ist immer Schwindel oder Einbildung und Kurpfuscherei.«

»Ein Universalheilmittel aller Krankheiten gibt es doch,« erwiderte der Inka ernst; »aber freilich nur ein einziges: das ist die gesunde Lebenskraft selber, die in ihrer höchsten Steigerung alle Krankheiten überwinden muß. Das Mittel, das wir besitzen, und das neben den uns allein bekannten Schutz- und Verhaltungsmaßregeln auch dazu dient, unsere Lebenskraft stets auf der Höhe des reifen Mannesalters zu erhalten, hilft uns bei allen Krankheitsfällen: durch die Erhöhung der Lebenskraft wird alles dem Leben Feindliche überwunden und ausgeschieden. Darum brauchen wir, wenn es zum Kampfe mit den Weißen einst kommen sollte, keine noch so schwere Verwundung zu scheuen, es sei denn, daß ein unentbehrliches Lebensorgan zerstört würde.«

»Auch bei uns«, sagte Friedrich, »sind vor hundert und zweihundert Jahren Ärzte umhergezogen, die behaupteten, sie hätten das Lebenselixir, und die auch wirklich jede Krankheit heilten; soviel ich weiß, kamen sie aus Spanien. Wenn aber ihr Vorrat aus war, bereiteten sie andere Mittel, die nichts halfen, und man glaubte ihnen nicht mehr.«

»Das ist wohl möglich,« stimmte Inka Manko bei. »Wie unser Goldpulver, so haben wir auch unser Lebenswasser einzelnen edlen Weißen geschenkt; und mit einem Fläschchen davon konnten sie lange Jahre hindurch Wunderkuren vollführen; denn wie ein Tröpflein scharfen Gifts genügt, ein Leben zu vernichten, so ist es auch bei diesem Gegenteil des Giftes: ein Tropfen in einer Flasche Wasser genügt, um viele Kranke zu heilen.

»Vielleicht kommt ihr selber einmal in die Lage, hier oben von Schwäche oder Krankheit befallen zu werden. Erklären kann ich euch die großen Geheimnisse des Lebens heute noch nicht; aber von dem Wunderelixir soll jeder von euch für alle Zufälle ein Fläschchen erhalten.«

Mit diesen Worten entfernte sich der Inka und kam nach kurzer Zeit mit drei Kristallfläschchen wieder, die eine durchsichtige Flüssigkeit enthielten, und die er den drei Deutschen überreichte.

»Wenn sich dieses Wasser bewährt,« meinte Schulze, »dann haben wir erst das Wertvollste vom Stein der Weisen: Gesundheit und Leben gehen doch über Gold und Silber!«


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