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3. Eine Katastrophe

Unter dem allgemeinen Rückgang der Geschäfte hatte auch Kommerzienrat Friedungs Bankhaus schwer zu leiden, und manchmal äußerte sich der Bankier den Seinen gegenüber: »Wenn das so fortgeht, so kommen wir noch an den Bettelstab.« Obgleich solche Äußerungen scherzhaft gemeint waren und auch so aufgefaßt wurden, kamen doch bald recht ernste Sorgen. Da und dort erfolgten plötzlich Zusammenbrüche von Geschäftshäusern, die man für durchaus zuverlässig gehalten hatte, vor allem aber traf die Zahlungseinstellung eines weitverzweigten industriellen Unternehmens, die noch im gleichen November erfolgte, den Kommerzienrat wie ein Blitz aus heiterem Himmel; war auch der Himmel ihm schon längere Zeit nicht mehr so gar heiter erschienen, so kam ihm doch dieser Zusammenbruch völlig unerwartet, und da er selber mit namhaften Summen bei dem Unternehmen beteiligt war, so sah er sich auch in das Unglück mit hineingezogen.

Es waren sorgenvolle und arbeitschwere Tage für den geprüften Mann, da das Gerücht von dem Schwanken seiner Bank einen plötzlichen Ansturm des Publikums hervorrief: jedermann zog seine Einlagen zurück, während die Ausstände kaum einzutreiben waren. Friedung sah sich zu dem schweren Schritte genötigt, den Konkurs anzumelden. Er erlebte zwar die Genugtuung, daß die Gläubiger seines Hauses bei Heller und Pfennig befriedigt werden konnten, und das war dem edlen Manne die Hauptsache. Um aber dieses Ziel erreichen zu können, hatte er sein gesamtes Privatvermögen opfern und seine Liegenschaften veräußern müssen, so daß ihm nach Abwickelung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht mehr als zwanzig- bis dreißigtausend Mark übrig blieben.

Unter diesen traurigen Umständen reifte in ihm der Plan, tatsächlich nach dem Westen Brasiliens auszuwandern, und wenn sich dort wirklich günstige Aussichten für sein Fortkommen bieten sollten, die Seinigen Nachkommen zu lassen.

Auch diesen brannte der heimatliche Boden unter den Füßen, nachdem ihr geliebtes Besitztum mit den vielen Werken ihrer eigenen Hände, mit all den Erinnerungen an fröhliche Stunden in fremdes Eigentum übergegangen war. So begleiteten sie den Vater im März des folgenden Jahres bis Hamburg und mieteten dort eine bescheidene Wohnung. Da sie nicht untätig bleiben mochten, auch ihre geringe Barschaft möglichst zu Rate halten mußten, suchten die Jünglinge eine Anstellung in kaufmännischen oder technischen Anstalten und hatten auch das Glück, ganz annehmbare Posten in zwei verschiedenen Geschäften zu finden. Ihre gründlichen Kenntnisse, ihre Gewandtheit und ihr Fleiß bewährten sich hierbei vorzüglich. Die Mutter ihrerseits verschmähte es nicht, durch Nähen für eine Fabrik den immerhin schmalen Verdienst zu vermehren.

So ließ denn Friedung seine Lieben vorerst geborgen zurück, während er auf den Wogen des Ozeans einer ungewissen Zukunft entgegenfuhr.


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