Friedrich Spielhagen
Opfer
Friedrich Spielhagen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Währenddessen war an dem nächsten Tisch der Übermut, mit welchem Falko und seine Partnerin ihre Unterhaltung begonnen und geraume Zeit fortgeführt hatten, einer Stimmung gewichen, die beiden für gewöhnlich gleich fremd und jetzt gleich befremdlich war. Aus Elses Munde kein Witzwort mehr, aus Falkos keine flotte Phrase. Sie hatten plötzlich ein Interesse an den Gesprächen ihrer Nachbarn zur Rechten und Linken genommen, das ebenso plötzlich wieder erlosch, worauf sie dann beide wieder stumm auf ihre Teller sahen, die leer blieben, da sie die dargebotenen Schüsseln unbeachtet an sich vorübergehen ließen. Nur der Diener, der den Champagner einschenkte, zu dem man jetzt gegen das Ende der Tafel durch eine schier unzählbare Reihe der feinsten Weine gelangt war, hatte bei Falko den entschiedensten Erfolg. Von Zeit zu Zeit suchten sich ihre Blicke, um, sobald sie sich gefunden und ineinander verloren, wieder seitwärts zu irren.

Nach einer solchen, peinlich langen Pause hörte Falko Else halblaut sagen:

Eigentlich ist es zu dumm.

Sofort hatte Falko sich zu ihr gewandt.

Was, gnädiges Fräulein?

291 Wie wir beide hier einander anöden. Haben Sie denn gar nichts mehr vorzubringen?

Doch, gnädiges Fräulein, ich hätte schon.

Warum kommen Sie nicht damit heraus?

Weil ich sicher weiß, daß ich dann zum letztenmal in Ihrem Hause gewesen bin.

Und wenn ich die Garantie übernehme, daß es nicht der Fall sein wird?

Das können Sie nicht, denn Sie würden die erste sein, die mir die Thür weist.

Und wenn ich mich verbürge, daß ich es nicht thun werde?

Ihre Hand darauf?

Hier!

Sie hatte ihre Linke zwischen sich und ihm herabgleiten lassen; er hatte sie sofort erfaßt; und sich noch näher zu ihr beugend, so daß sein Mund fast das kleine Ohr berührte:

Ich liebe Sie.

Und ich Sie.

Die Hände hatten sich losgelassen; sie saßen wieder korrekt gerade, nur so weit gewendet, daß sie einander in die trunkenen Augen blicken konnten. Und dann lächelten sich beide an, und beider Lippen bewegten sich, wie zum Kusse.

Dann hatte Falko, ohne daß die Nachbarn es merkten, blitzschnell ihre Gläser vertauscht und sie tranken einander zu, aus bis auf den letzten Tropfen, während durch die schwimmenden Augen ihre Seelen ineinander flossen.

Jetzt aufstehen dürfen, flüsterte Falko; wollt Ihr den glücklichsten Menschen sehen? Hier ist er!

Es würden zweifellos einige vom Stuhl fallen, flüsterte Else zurück. Papa zuerst.

Aber ich spreche noch heute abend zu ihm.

Auf keinen Fall: er ist heute sicher nicht in der 292 Gebelauue nach dem kolossalen Verlust. Ich erzählte Ihnen davon.

Dir!

Ich erzählte Dir davon, Falko!

Mein süßes Mädchen!

Wenn wir nun einmal arm würden?

Spaß! ich schwöre Dir –

Falko kam für den Augenblick nicht weiter. Er mußte Major Bronowski Bescheid thun, der ihm von dem dritten Tische aus zugetrunken hatte.

* * *


 << zurück weiter >>