Friedrich Spielhagen
Opfer
Friedrich Spielhagen

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Haben Sie es schon gehört? fragte auf der Börse ein nervöser kleiner Herr, an einen andern sehr stattlichen herantretend, der, mit der schweren Uhrkette auf dem Bäuchelchen spielend, phlegmatisch in das wirre Treiben blickte.

Gewiß, antwortete der Phlegmatische.

Nun, was sagen Sie?

Daß es Mumpitz ist. Ich kenne den jungen Mann von Bleichröder her. Der ist sicher, wie der Juliusturm.

Und ich sage Ihnen: durchgebrannt, durchgebrannt, durchgebrannt! Mit einer halben Million!

Warum nicht gleich: einer ganzen? Macht sich besser.

Es kann auch eine ganze sein. Sie tappen noch völlig im Dunkeln. Und keine Papiere, – Effekten – alles bares Geld! Gestern abend dreihunderttausend auf einen Check an der Diskontobank – in eigener Person! Die Diskontobank, wissen Sie, schließt eine halbe Stunde später als Bielefelders. Die hat er benutzt. Präsentiert sich da in aller Ruhe; motiviert, daß er selbst und so spät komme; sie brauchten morgen – als wie heute – einen großen Posten bar – Kassenboten schon fort – der Chef warte im Geschäft auf ihn – ich bitte Sie: wer wollte Hermann Schulz von Bielefelder auf einen regelrechten Check nicht dreihunderttausend zahlen!

Wenn er sie hat.

Mit Ihnen ist nicht zu reden.

Es ist wahrhaftig bei Gott, wie der Epstein sagt, rief ein dritter, der aus der Nähe das Gespräch der beiden überhört hatte. Hat sogar noch erzählt von einem großen Güterkomplex, den Bielefelders heute hätten zu kaufen für einen Kunden: Grafen Falkenburg!

Giebt es nicht: Fürst Falkenburg!

Ist der Bruder. Der Graf ist der Neffe von der 273 reichen Dürieu in der Viktoriastraße. Kenne ihn ganz gut. Bin im letzten Winter hundertmal mit ihm geritten in der Manège bei Nonn.

Herr Ifflinger ist nämlich ein großer Sportmann vor dem Herrn, sagte der Nervöse zu dem Phlegmatischen.

Wenn er es dazu hat!

Ob er es hat, der Herr Ifflinger!

Meine Herren, nicht geutzt, wenn ich bitten darf! rief Herr Ifflinger. Bin gar nicht so. Vollblutdemokrat!

Na ja! wie Ihr Manège-Freund, wenn er wirklich der Graf W. F. ist, der gestern abend in der Versammlung von Pfarrer Römer den Radau gemacht hat.

Ist er! ist er! rief Herr Epstein. Im Vorwärts steht der Name ausgedruckt.

Der kann sich damit eine schöne Suppe eingebrockt haben.

Na ob! bei dem Wind, der jetzt von oben weht!

Was wollen die Herren: Volldampf vorauf!

Sagte Hermann Schulz, als er mit einer Million durchbrannte.

Da kommt Arthur Bielefelder! Na, endlich wird man doch mal was Authentisches hören!

Der wird's Ihnen auf die Nase binden! Was wird er erzählen?

Eine Bielefelder Dorfgeschichte!

Arthur Bielefelder war sofort von einem Kreise umringt, der mit jedem Moment anschwoll. Die letzten standen auf den Fußspitzen, die Köpfe zur Seite geneigt, mit gierigen Ohren nach vorn horchend.

Arthur schien in der besten Laune, als ob es sich um einen süperben Spaß handle. Die Sache habe so weit ihre Richtigkeit; das heißt, sei, wie gewöhnlich, maßlos übertrieben. Von einer halben Million keine Rede, geschweige von einer ganzen. Hunderttausend M., wenn es hoch kam. Und die würden bald genug wieder da sein. Dazu lebe man heute, Gott sei Dank, in dem Zeichen des 274 Verkehrs. Telegraph und Telephon arbeiteten nach allen Richtungen. Morgen werde er sich beehren, den Herrschaften mitzuteilen, wann, wo und wie man den Ehrenmann gefaßt habe.

Der Kreis löste sich.

Na, was sagen Sie? fragte Herr Ifflinger Herrn Epstein und den Phlegmatischen, mit denen er noch rechtzeitig herangekommen war, um alles hören zu können.

Herr Epstein rieb sich bedenklich das unrasierte Kinn.

Daß die Nürnberger klüger waren, sagte der Phlegmatische. Die hingen keinen, bevor sie ihn hatten.

* * *


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