Friedrich Spielhagen
Opfer
Friedrich Spielhagen

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Als die Thür sich hinter den beiden geschlossen hatte, wandten sich Mutter und Tochter gleichzeitig einander zu. Zwischen den Brauen der Generalin stand eine scharfe senkrechte Falte; von Ebbas Gesicht war die zur Schau getragene Lustigkeit jäh gewichen.

Was bedeutet denn das? sagte die Generalin in hartem Ton. Wie kommt er denn mit einemmale darauf?

Ebba zuckte die Achseln, höhnisch lächelnd:

Er! als ob er jemals auf etwas käme!

Dann ist es Dein Wunsch?

Deiner etwa nicht?

Ja und nein. Wenn Du ihn nun einmal wirklich heiraten willst –

Liebe Mama, wir sind doch unter uns. Wir brauchen doch nicht voreinander Komödie zu spielen. Vorher – na ja! Aber nachdem Tante Adele erklärt hat, daß er 7 – die paar Legate werden ja nicht so schwer ins Gewicht fallen –

Gerichtlich ist noch nichts festgesetzt.

Weil Wilfried ein kompletter Narr ist. Von dem Assessor habe ich ihn doch schon glücklich losgeeist. Nun laß mich erst seine Frau sein – ich gebe Dir mein Wort: in acht Tagen habe ich ihn vollends zur Raison gebracht. Übrigens, warum machtest Du denn vorhin ein so vergnügtes Gesicht, wenn es Dir nicht recht war?

Die Generalin antwortete nicht sogleich. Sie ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, trat dann an Ebba heran, die sich wieder in den Fauteuil geworfen hatte, verdrießlich mit den Quasten der Armlehne spielend, und richtete ihr gesenktes Gesicht, sie unter dem Kinn fassend, in die Höhe:

Mein Kind!

Mama?

Liebst Du Wilfried?

Kuriose Frage! Habe ich es nicht von Dir, daß die Liebe in der Ehe gar keine Rolle spielt?

Gar keine, ist zu viel; ich habe immer nur gesagt. keine ausschlaggebende; eine, die andern vernünftigen Gesichtspunkten und Rücksichten untergeordnet werden muß. Und das sage ich noch.

Dann sind wir einer Meinung.

Vielleicht nicht so ganz. Dein Vater und ich –

Weiß ich: Du hättest statt seiner seinen Bruder heiraten können, der Dir eine Woche lang rasend die Cour machte; und wärst setzt Fürstin, oder Fürstin Witwe, das heißt: auch nicht viel, wenn Du doch einmal kein eigenes großes Vermögen hinter Dir hattest. O ja, wenn ich einen Fürsten, nota bene einen reichen, sous la main hätte –

Ich bin überzeugt, Graf Leßberg heiratete Dich sofort, wenn Du frei wärest oder Dich frei machtest.

Ich nicht. Nicht wegen seiner liaison mit der 8 Caspari, obgleich er sehr attachiert an sie sein soll. Das würde mich nicht stören. Ich habe andere Gründe.

Dann Baron Rentlow –

Ich bitte Dich, Mama, höre auf! Das sind alles Tauben auf dem Dach. Wenn man so arm ist, wie wir, kann man so schön sein, wie man will – vorlieb nehmen muß man doch. So viel habe ich nun auch heraus. Wilfrieds bin ich sicher. Und dann, ganz offen, Mama – ich halte das Leben in unserm Hause – mein Gott, diese ewigen Verlegenheiten, Papas gräßliche Finanzfragen – Falkos permanente – à propos: hast Du ihm –

St! Papa! Sagen wir ihm heute Abend schon davon?

Bewahre! Wir deichseln so was immer besser allein.

Allerdings.

Der General trat herein in dem Augenblick, in welchem Johann die Thür zum Speisezimmer öffnete, wo auf dem einen Ende des großen Eßtisches ein frugaler Imbiß für drei Personen serviert war.

* * *


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