Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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395. An Christiane von Goethe.

ich habe das Datum auf die unrechte Seite geschrieben, der Tag ist bald zu Ende ich bleibe zu Haus; und dencke an das Rebhun – belieben weiter unten nachzusehn.

Den 14ten December 1807

Liebe Tochter!

Hier kommt das Christgeschenck – ich hoffe es wird Ihnen und Augst wWohlgefallen der Confect kommt wie allemahl nach – Die Familie Brentano sind |: biß auf die Betina die noch in Caßel ist :| wieder hir – die können nun mit rühmen, lobpreißen – Dancksagungen nicht zu Ende kommen – So wie es Ihnen bey Euch ergangen ist; so ist nichts mehr – die Ehre die Ihnen wiederfahren – das Vergnügen so sie genoßen – Summa Sumarum solche vortrefliche Menschen so ein schönes Hauß; so eine Stiege; so ein Schauspiel – das alles ist nur bey Goethe anzutrefen – das ist alles nur Stückweise erzählt worden, den der Betina dürfen Sie nicht vorgreifen die will mir alles selbst erzählen – Ihr meine Lieben könt leicht dencken welchen Freudentag Sie mir dadurch gemacht haben – und welche Freude mir durch Betinens Erzählung bevorsteht – Auch vor dieße Freude dancke ich Euch von Hertzen. Vor 8 Tagen haben wir Rußen zur Einquartirung gehabt – lauter schöne höffliche – wohlgezogne Leute – ich hatte zwey junge überaus liebe Menschen – Sie wurden auch in der gantzen Stadt mit Liebe und Freundlichkeit aufgenomen und das mit Recht – denn nicht eine einzige Klage und waren doch 1800 und alle lieb und gut! Sagt doch das bey Gelegenheit Euerer Erpprinßes – die soll ja so Liebreich und vortreflich seyn – und auch die geringsten Ihres Volcks schätzen – Villeicht macht Ihr so ein Zeugnüß einer gantzen nicht gantz unbedeudenten Stadt einiges Wohlbehagen. Und nun kommt noch was das ist uns noch nicht pasirt – alle Einquartirungs Billiet sind mit dem Stempel worauf ein F. steht gestempelt und dabey wurde gesagt die Einquartirung würde bezahlt – so wenig es vor mein theil tragen mag – so nehme ichs, um mich rühmen zu können von dem Ruschischen Kaiser etwas erhalten zu haben, Verbürgen kan ich diese Sage nicht – allein die gestemmelten Billiet müßen doch etwas bedeuten – von mir solt Ihr es erfahren, denn es sollen noch mehre Rußen hieher kommen. Hir schneidts wie in Lappland meinetwegen mag es schneien oder haglen, ich habe zwey warme Stübger und ist mir gantz behaglich – bey so stürmischem Wetter bleibe ich zu Hauß, wer mich sehen und hören will muß mir eine Kusche schicken – und so gantz allein Abens zu Hauße ist mir eine große Glückseligkeit. Frau Aja! Frau Aja! Wenn du einmahl in Zug komst seys Schwatzen oder Schreiben; so gehts wie ein aufgezogner Bratenwender – Bratenwender? das Gleichnüß ist so übel nicht, man zieht ihn doch nicht auf wenn im Hauß entweder Fast Tag oder Armuth ist – sondern wenn was am Spiß steck das zum Nutzen und Frommen der Famile genoßen werden soll – Ich glaube also ich laße ihn noch laufen biß ich Euch von meiner Abend Glückseligkeit einen kleinen Begrief gemacht habe. Zu dem Heiligen Johannis kam einmahl ein Frembter der viel vom Johannis gehört hatte, Er stellte sich den Mann vor wie Er studirte unter Manusprickten saß verdieft in großen Betrachtungen u.s.w. Er besucht ihn, und zu seinem großen Erstauen spielt der große Mann mit einem Rebhun das ihm aus der Hand aß – und Tausend Spaß trieb Er mit dem zahmen Thirgen – Johannes sahe dem Frembden seine Verwunderung an thate aber als merckte Er nichts – im Diskurs sagte Johannes sie haben da einen Bogen laßen sie ihn den gantzen Tag gespant – behüte sagte der Frembte das thut kein Bogenschuß der Bogen erschlaft, mit der Menschlichen Seele ists eben so, abgespant muß sie werden, sonst erschlaft sie auch sagte Johannes. Nun bin ich freylich kein Johannes aber eine Seele habe ich die wenn sie mir gleich keine Offenbahrung dictir – doch den Tag über im kleinen sich anstrengt und gerechnet daß sie einen köprper 76 Jahr alt bewohnt absolut abgespant werden muß – davon ist die Rede nicht wenn ich unter guten Freunden bin, da lache ich die jüngsten aus – auch ist nicht Rede vom Schauspiel da villeicht keine 6 sind die das Lebendige Gefühl vor das schöne haben wie ich, und die sich so köstlich ammusiren. Die Rede ist wenn ich gantz allein zu Hauße bin, und jetzt schon um &frac12; 5 uhr ein Licht habe – da wird das Rebhun geholt – da bin ich aber auch so erpicht drauf, daß keine Seele mehr zu mir darf. Geheimniß ist die Sache nicht den alle meine Freunde kennen das was ich Rebhun nenne – aber das würden sie nicht begreifen, daß eine Frau wie ich ihre Einsamen Stunden damit hinbringen könte – ihre Seelen die den gantzen Tag abgespant sind, das mann sehr an ihrer Unterhaltung merckt – haben demnach von abspannen keine Begrief. Wenn es also bey Euch 5 Uhr ist; so denckt an diejenige die ist u bleibt

Eure treue Mutter Goethe.

N. S. Die Liesel legt sich Euch allen zu Füßen, u bittet um beybehaltung Eurer Gnade.


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