Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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244. An Goethe.

geschrieben am längsten tag 1796

Lieber Sohn!

Sogleich nach erhaltung deines Briefes habe die Einlage an Freund Rieße übergeben. Er empfielt sich dir bestens, und wird ehestens eine vollständige Relation an dich übersenden – zugleich Mittel und Wege angeben wie die dortige Lotteri ihren rechten Schwung bekommen kan – das alles wirst du also durch Ihn bestens erfahren. Nun von meinem Thun und Laßen. Hir war wieder einmahl alles in großen Schwulitäten – eingepact – fortgegangen – Pferde bestelt – täglich vor ein Pferd 11 gulden bezahlt damit es parat wäre – manches Hauß brauchte 6 auch noch mehrre – war also alle Tage so viel Pferde so viel Carolinen – die Kuscher haben wieder ihren Schnitt gemacht – auch die Schreiner – Packer u. d. g. Bey diesem Specktackel bliebe ich wie die gantze Zeit her ruhig – packte nicht – regte mich nicht – Eßen – Trincken und Schlaf bekame wir wohl – Erfahrung brachte Hoffnung – der 3 mahl geholfen hat, hats nicht verlernt – Er kan auch jetzt helfen, und Er thats durch die braven Sachssen, die haben uns wieder vordißmahl befreyt. Auch trägt zu meinem ruhigseyn nicht wenig bey, daß ich unter so guten Menschen wohne – die eben so ruhig und still sich betrugen wie ich – denn wenn mann unter so verzagten Haaßen sich befindet; so kostest doppelte Mühe sich aufrecht zu halten – die Furcht steckt an, wie der Schnuppen – und macht aus dem Singularis alle mahl den Pluralis sie macht es noch immer wie vor 4000 Jahren da sagten die Syrer, der König hätte wieder sie gedingt die Könige der Hethiter und die Könige der Egypter – sagten also statt König Könige! Zweyte Buch der Könige Cap 7 v. 6. Schlosser war mit Weib und Kinder 10 Tage hir – viel Genuß war nicht bey der Sache – denn die Unruhe war etwas starck, und sein Dichten und Trachten ging nach dem Nordischen Canaan. Ich laße jedem Menschen gern seyn Himmelreich – denn in der Himmelreichs Faberick habe noch nicht viel progreßen gemacht und bin sehr froh, wenn die Menschen es ohne mich finden. Im übrigen pasirt hir wenig neues – das verdindte beschrieben zu werden – mit deinen alten Freunden sieht es ohngefähr so aus: Rieße ist etwas Hipoconder – Crespel ist ein Bauer geworden, hat in Laubach Güter gekauft das heißt etliche Baumstücke – baut auf dieselbe ein Hauß nach eigner Invenstion hat aber in dem kickelsort weder Mauerer noch Zimmerleute, weder Schreiner – noch Glaßer – das ist er nun alles selbst – es wird ein Hauß werden – wie seine Hoßen, die er auch selbst Fabricirt – Muster leihe mir deine Form!! Jetzt einen gelehrten artickel: wann kommt denn wieder ein Willhelm Meister zum vorschein – die Leipiger Meße ist doch zu Ende? In diesem gantzen Jahr habe noch keinen Mercur noch kein Modejournal erhalten – es ist freylich von mir so etwas impertinent immer noch das zu verlangen, was die guten Freunde mir schon so viele Jahre die Güte hatten zu zuschicken – ich frage auch deßwegen nur gantz höfflich an ohne es geradezu zu pretendiren. Jetzt Lebe wohl! Grüße alles aufs beste und freundlichste in deinem Hauße von deiner

treuen
Mutter Goethe.


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