Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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239. An Goethe.

den 2ten Februar 1796

Lieber Sohn!

Schon längst hätte ich mich vor die überschickten Mercure und Modejournahl bedancken sollen, aber ich hatte ein Machwerck unterhänden wo, wann es zu rechter Zeit fertig werden solte Fleiß und Anstrengung nöthig war. Meine Enckelin Louise kommt im Mertz in die Wochen – da werde ich nun Urgroßmutter! Um nun diesem Vorfall noch mehr Raritet zu geben, entschloß ich mich eine Arbeit vor zu nehmen, die |: ich wette mein Hab und Fahrt :| seit der Erschaffung der Welt |: ein starck stück :| keine Urgroßmuter verfertigt hat: nehmlich die Spitzen an das Kindszeug die Häubger und Ermelger zu klöpplen – und nicht etwa so lirum larum, nein, sondern ein Brabanter Muster 3 Finger breit und wohl zu bemercken ohne Brille! Nun dencke dir die kurtzen Tage – mancherley Abhaltungen und du, und wer es hört wird meinen Fleiß bewundern – daß das Wunderwerck ficks und fertig auch schon spedirt ist. Daß dem lieben kleinen Söhngen seine Rolle hienieden so kurtz aus getheilt war, thut mir sehr leid – freylich bleiben nicht alle Blüthen um Früchte zu werden – es thut weh – aber wenn die Saat gereift ist und kommt denn ein Hagelwetter und schlägts zu Boden was in die Scheuern eingeführt werden solte, das thut noch viel weher – Wenn aber nur der Baum stehen bleibt; so ist die Hoffnung nicht verlohren. Gott! Erhalte dich – und den Lieben Augst – und deine Gefährtin – diß ist mein innigster und hertzlichster Wunsch. Daß das Judenkrämgen seine Bestimmung erfült hat freut mich – die weimarer Damen sind geschickter und haußhälterischer wie bey uns, da muß alles neu seyn sonst gehts nicht. Den eingeschlagenen Brief den jungen Menschen betrefendt, habe an Herrn Schöff von Holtzhauß überschickt, damit Er sieht, daß du in der Sache thätig geweßen bist. Jetzt noch etwas von meinem Thun und laßen. Ich befinde mich diesen Winter |: der aber auch freylich den Nahmen nicht verdient :| sehr wohl und vergnügt – wir haben 3 Batalion Grenadir Kayerliche zur Einquartirung – es sind Niederländer die kein Wort deusch können – im Anfang wars nicht angenehm, mann glaubte die Feinde zu hören, jetzt wißen wir woran wir sind – Herr Bernus – Frau Rittern und ich, haben Mann – Frau und Knäbelein von 10 Wochen zu unserm Antheil erhalten – Sie wolten kein Geld, sondern die Kost – da füttert sie Herr Bernus eine Woche – und ich eine – Frau Rittern gibt die Stube und Bett da sind sie und wir gantz vergnügt – Heute bekommen sie bey mir Fleischbrüh Suppe – Weißkraut und Rindfleisch, das ihnen sehr wohl behagen wird. Auch verdienen es die braven Kayerlichen daß es ihnen bey uns wohlgeht, denn nächst Gott waren sie unsere Retter. Gott verleihe uns bald den edlen Frieden – das ist der allgemeine Wunsch. Lebe wohl! Behalte mich in gutem Andencken – grüße alles was dir lieb ist von

deiner
treuen Mutter
Goethe.


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