Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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386. An Bettina Brentano.

den 13ten Juni 1807

Liebe – Liebe Tochter!

Nenne mich ins künftige mit dem mir so theuren Nahmen Mutter – und du verdinst ihn so sehr, so gantz und gar – mein Sohn sey dein inniggeliebter Bruder – dein Freund – der dich gewiß liebt und Stoltz auf deine Freundschaft ist. Meine Schwieger Tochter hat mir geschrieben wie sehr du Ihm gefallen hast – und daß du meine Liebe Bettine bist muß du längst überzeugt seyn Auf deine Herkunft freue ich mich gar gar sehr, da wollen wir eins zusammen Schwatzen – denn das ist eigendtlich meine Rolle worinn ich Meister bin – aber Schreiben! so Tintenscheu ist nicht leicht jemand – darum verzeihe wenn ich nicht jeden deiner mir so theuren Briefe beantworte zumahl da ich weiß, daß Nachrichten von meinem Sohn dir das angenehmste und liebste sind und ich von seinem jetzigen Thun und wircken so wenig weiß – aber überzeugt daß sein Lob ob gleich aus frembtem Munde dir auch theuer ist; so schicke ich hir eine Recenzion aus den Theoloischen Anaalen die dir wohlthun und dich ergötzen wird. Bekentnüße einer schönen Seele im 3 ten Band von Goethens Wercken.

Dieses in das Fach der religösen Schrieften einschlagende Kunstwerck, ein mit Liebe gearbeites Meisterstück unsers größten Dichters, der Klahrheit mit Tiefe, Einfalt mit Erhabenheit wunderbahr verbindet, wird zugleich mit Iphigenie von Tauris und mit den Leiden des Jungen Werders in den Tempel der Unsterblichkeit eingehn. Villeicht ist es nicht allgemein bekandt daß der Verfaßer mit diesen Bekentnüßen einer schon seit länger als 30 Jahren zu Franckfurth am Main entschlafenen Freundin seiner noch lebenden Frau Mutter, einer Freulein von Klettenberg die Er wie eine Mutter verehrte, und die Ihn wie einen Sohn liebte, ein beyder Theile würdiges Unvergängliches Denckmahl gesetzt hat. Je öfftert man diese geistreiche Bekentnüße Liest, um so mehr bewundert man sie, und der Verfaßer dieses kurtzen Anzeige wird sich, so lang ein Odem in ihm ist, jedes der hohen Achtung, die einem solchem mit Gottes Finger als einzig bezeichnetem Geiste gebührt

– – – so weit ists vor dich – wenn du her kommst reden wir ein meheres – Etwas beßereres kan ich dir vordißmahl nicht zu kommen laßen – denn obiges ist gantz herrlich und was ich noch drauf hervor bringen mögte – wäre Wasser unter den vortreflichen Wein. Lebe wohl! Behalte lieb

deine dich hertzlich Liebende Mutter Goethe.


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