Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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268. An Christiane Vulpius.

Den 12ten Jenner 1798

Liebe Freundin!

Die 3 liebe Briefe so ich von Ihnen – meinem Sohn – und dem Lieben Augst erhilte haben mir einen recht sehr frohen Tag gemacht – besonders war es mir erfreulich, daß das Christkindlein wohl gefallen hat – es soll so was eine überraschung seyn und da kommt die Sorge hintendrein, ob mann auch nach gusto die Sachen ausgesucht habe – desto erfreulicher ists wenn mann Freude verbreitet hat. Wir leben hir in wunderlichen ereignüßen und Begebenheiten – der Friede sieht dem Krieg so ähnlich wie zwey Tropfen wasser nur daß kein Blut vergoßen wird – Maintz ist in Frantzösischen Händen so wie die gantze Gegend – was uns bevorsteht ist in Dunckelheit eingehüllet – gekocht wird etwas das ist gewiß – denn um nichts sitzt unsere Obrigkeit nicht biß Nachts 11 uhr im Rathhauß – ich begreife nicht was der Congreß in Rastadt eigendtlich vor Nutzen haben soll – da die Frantzosen die Macht in Händen haben – die dürfen ja nur befehlen – wer will es wehren – genung von der Sache – die Deuschen sind kein Volck keine Nation mehr und damit punetum.

So wiedersinnig es klingen mag so ist mein Trost daß meine Kinder nicht hir sind und ich das jenige was mir das liebste auf der Welt ist in Sicherheit weiß. Darinn liegt nun eben das wiedersinnige nicht – aber wohl darinn – daß die meisten Menschen gern im Unglück Gesellschaft haben und ich davon eine Ausnahme mache – sind die meinigen wohl und zufrieden; so bin ich auch vergnügt – denn ich bin an dem allen nicht Schuld, und kan dem Rad des Schicksahls nicht in die Speichen fallen und es aufhalten. In meinem Goldenen Brunnen bin ich froh und vergnügt – und laße die Menschen um mich herum treiben was ihnen gut deucht. Daß mein Sohn Ihnen ein schönes Geschenck mit gebracht hat war recht und billig – Sie verdienen seine gantze Zärtlichkeit und Liebe – auch ich freue mich Ihnen wieder zu sehn nur müßen die 7 Siegel gelößt und die Engel nicht mehr wehe posaunen – wer weiß geht noch alles beßer als wir jetzt dencken. Von unsern Winterlustbahrkeiten – ist vor mich nichts genüßbahr als das Schauspiel das wird den auch fleißig besucht wir haben auch wieder zwey neue Wesen vom Hamburger Theater bekommen Herrn und Madame Reinhard die ich heute zum erstenmahl beaugenscheinigen werde. Der Liebe Augst hat mir einen so schönen langen Brief geschrieben – daß es unverantwortlich wäre ihm nicht in einem gantz eigenen schreiben zu dancken – da der Brief aber auch heute noch fertig seyn muß; so müßen Sie meine Liebe mit vorstehnendem vorliebt nehmen. Behalten Sie mich auch im neuen Jahr in liebevollem Andencken – so wie ich biß der Vorhang fält seyn und bleiben werde

Ihre treue Freundin u Mutter Goethe.

N. S. Daß Sie meinen Lieben Sohn recht viele Grüße von mir überdringen sollen – versteht sich am Rande.


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