Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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278. An Goethe.

den 15ten September 1798

Lieber Sohn!

Es ist schon langeher daß ich nichts von dir und den Lieben deinigen vernommen habe – ich frage also einmahl wieder an und erkundige mich nach Eurem Wohlbefinden – auserdem habe auch verschiedne Vorfälle zu erzählen, da du über einige dich verwundern wirst – Schlosser ist Franckfurther Syndikus geworden – |: und zwar welches Ihm zu Ehre gereicht und bey unserer Verfaßung ein gar seltner fall ist :| ohne Kugelung! Der Magistrath – die 51 – die 9 waren alle |: das beynahe unerhört ist :| in dieser Sache einig – Wer hätte sich das träumen laßen! Ich bekomme dadurch eine Stütze die in gegenwärtigen immer noch Crittischen Zeiten mir nicht unlieb ist – auf den Umgang mit der Schlossern freue ich mich – den ob ich gleich verschiedne weibliche Bekandtschafften habe; so ist doch keine darundter, die mich so gantz begreift und versteht – die alten Zeiten fangen wieder bey mir an aufzuleben – daß die Hanchgen bey uns im alten Hauß am runden tisch bey mir saße – und du manchen schönen Abend unser Gespräch warst – Es ist mit alledem Courios daß Schlosser aus Furcht vor den Frantzsosen bis beynahe ans Ende der Welt läuft – große Aufopferungen macht und doch wieder zu einer Zeit zurück muß – da nahe genung die gefürchteten Menschen um uns herum stehn – und der Ausgang der Sache noch nicht im klahren ist – Ich bin ungewiß ob du weißt, daß sein Bruder der Schöff Schlosser vorm Jahr gestorben ist – sonst hätte freylich die Syndicus wähl nicht auf Ihn fallen können. Dein Looß ist wie das meinige blind heraus gekommen – ich lege es hir bey – da nun jedes blind heraus gekommene Looß ein frey Looß zur ersten Claße der neuen Lootteri die den 6ten November gezogen wird erhält; so ist die No: 712. dir zu theil worden – kommt es in der ersten Claße nicht heraus, so stehts es bey dir ob du es renoviren oder fallen laßen wilst – die Nachricht davon solst du so gleich von mir erfahren. Vor Prachtvolle Castanien wird vor dieses mahl Freund Gerning sorgen. Eine unserer hiesigen Schauspielerinnen Madam Bulle kam vorige Woche zu mir und ersuchte mich bey dir anzufragen, ob Sie und Ihre Tochter ein Mädelein von 17 Jahren bey der weimarischen Gesellschaft angenomen werden könnten – dir Ihre Talente zu Speciviziren würde deßwegen unnütz seyn, weil wie ich in Erfahrung gebracht habe, Ihr Contrackt noch 2 1/2 Jahr dauert – freylich sagt Sie mann habe Ihr den ihrigen in ansehn Ihrer Tochter auch nicht gehalten u. d. g. ich dencke aber mann muß diesen Menschenkindern nicht so schlechterdings erlauben und Ihnen leicht machen von einem Ort zum andern ohne vorwißen der Direcktoren zu gehen – dieses gantze Geschreibe hätte ich mir erspahren können – aber ich hatte es |: ohne die Umstände gründlich zu wißen :| einmahl versprochen und mein gegebenes Wort ist mir heilig – Du wirst die Güte haben bey Gelegenheit durch deinen Geist mir nur ein paar Worte über obige Sache zu schreiben z. E. Wie es deine Art nicht wäre jemandt zu angaschiren deßen Contract nicht zu Ende wäre, oder was dir sonst gut deucht – damit ich mich Legitimiren kan, daß ich geschrieben habe. In gegenwärtiger Meße ist viel Specktackel – viele Verkäufer – aber wenig Käufer und wenig Geld – so lange kein Friede ist; so lange wirds happern. Was machen denn deine Lieben? Von Augst habe beynahe eine Bibliotheke von seinen Erfahrungen die mich sehr gefreut haben. Grüße und küße die Lieben Hauß geister von

deiner treuen Mutter Goethe.


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