Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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272. An Goethe und die Seinen.

den 12ten Mertz 1798

Liebe Freundin!

Das Vergnügen das Sie mir auf neue gemacht haben erfordert meine gantze Danckbahrkeit, und es an den Tag zu legen schreibe ich Ihnen meinen besten Danck mit umlaufender Post – wie viel Freude haben Sie mir mit Angnes von Lielien und mit Julgen Grünthal gemacht – auch Julgen hat mich sehr vergnügt – die neuen die ich von Ihrer Güte erhalten habe, habe freylich noch nicht geleßen – die werden zu gantz ruhigen Stunden aufgespart es ist mein bon bon das ich so mit Behaglichkeit genüße – sind sie genoßen da soll noch ein Danck hintendrein kommen. Daß Sie alle bey dem herannahnenden Frühling in Ihrem Garten in der frischen gesunden Luft Sich erlustigen das ist sehr wohlgethan – an jedem schönen Tag werde ich künftig an Sie alle dencken und mich im Geiste mit Ihnen freuen. Jetzt erlauben Sie daß ich ein paar Worte mit meinem Sohn spreche! Lieber Sohn! Dein Looß hat wieder die Einlage zur künftigen Lootheri die im May gezogen wird gewonnen – das alles kanst du aus der Beylage zur gnüge ersehen. Nun ein Wort über unser Gespräch bey deinem hirseyn über die Lateinischen Lettern – den Schaden den sie der Menschheit thun will ich dir gantz handgreiflich darthun. Sie sind wie ein Lustgarten der Aristokraten gehört wo niemandt als Nobeleße – und Leute mit Stern und Bändern hineindürfen – unsere deusche Buchstaben sind wie der Prater in Winn wo der Kayser Josephs drüber schreiben ließe Vor alle Menschen – wären deine Schrieften mit den fatahlen Aristokraten gedruckt; so allgemein wären sie bey all ihrer Vortreflichkeit nicht geworden – so recht anschaulich ist es mir auf neue bey Herrmann und Dorothea geworden – Schneider – Nätherinnen – Mägte alles ließt es – jedes findet etwas das so gantz vor sein Gefühl paßt – genung sie gehen mit der Literatur Zeitung – Docter Hufnagel u.a.m. pele mele im Prater Spatziren ergötzen sich seegnen den Autor und laßen Ihn Hoch Leben!!! Was hat Hufland übel gethan sein vortrefliches Buch mit den vor die größte Menschenhälfte unbrauchbahr(en) Lettern drucken zu laßen – sollen denn nur Leute von Stand aufgeklärt werden? soll den der geringre von allem guten ausgeschloßen seyn – und das wird er – wenn dieser neumodischen Fratze nicht einhaltgethan wird. Von dir mein Lieber Sohn hoffe ich daß ich nie ein solches Menschenfeindliches product zu sehen bekomme. Jetz auch noch meinen Danck an meinen Lieben Augst – Liebes Enckel! Vielen Danck vor die schöne und deutliche Beschreibung der vielen vierfüßigen Thire und der herrlichen Vögel das muß ja prächtig an zu sehen geweßen seyn – aber daß du das alles auch so hübsch behalten hast um es der Großmutter so anschaulich zu machen das verdint gewiß daß du recht gelobt wirst – ich hoffe daß wenn wieder etwas neues in Weimar zu sehen seyn wird, daß du mir es wieder schreiben wirst – es macht mir jederzeit große Freude, so einen geschickten Enckel an meinem Augst zu haben – auch übst du dich dadurch im Schreiben das auch sehr gut ist – Sehr gern wolte ich dir auch mit etwas neuem von hir aufwarten aber da ist nichts das der Tinte werth wäre – nur dem Vater kanst du sagen, daß unser vortreflicher Theatermahler zwey neue Decorationen beyde Straßen vorstellendt gemahlt hat bey deren Anblick ich den Vater nur auf eine Minute her gewünscht hätte denn so was sieht mann nicht alle Tage! Solte die Meße was sehenswerthes herkommen; so will ich dir es schreiben – Behalte die Großmutter in gutem Andencken – das will ich mir ausgebethen haben. Vor Heute genung – Lieber Sohn! Liebe Tochter! Was ich von Augst begehre geht auch Euch an Behaltet mich lieb und gedencket zu weilen an Eure

treue Mutter u Großmutter Goethe.

N. S. Auch vor die Lieder dancke auf beste – potz Fischgen! was wollen wir Singen! Der Tittel auf rothpapier bedeutet daß in dem Buch – Herrmann und Dorothea seine Vergötterung erhalten hat.


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