Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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390. An Goethe und Christiane.

den 8ten September 1807

Lieber Sohn!

Dein Aufenthalt in Carls baad hat mir große Freude und manches Vergnügen gewärt – denn ich hörte lauter gutes und schönes von dir – Herr Stadel kam mit großem Jubel – brachte mir liebe Nachrichten – und ich hatte einen frohen Tag – Aber die Lisel! daß die vor Freude nicht närrisch wurde war ein großes Wunder – die Spitzen sind ganz herrlich – und daß du sie gekauft hast, daß ein Mann wie du an sie gedacht hat – das verwirlwete sie so, daß der Wahnsinn nicht weit entfernt war |: denn Stoltz ist ihre Hauptleidenschaft:| Wie kan ich das je vergelten? – Das will ich ihr sagen – wenn jemand von Weimar her kommt – Sohn – Tochter, oder Enckel dann mache sie ihre Sachen so brav wie bey der Frau Geheimde rathin – das ist das beste womit sie sich danckbahr beweißen kan – auch ich dancke dir vor das schöne Geschenck – und habe schon an deine Liebe Frau geschrieben – und meinen Danck mit der Liessel ihrem vereingigt. Deine Liebe Frau hat mir auch bey Ihrer Ankunft in Weimar einen gar lieben Brief geschrieben. Das Spaa Wasser hatte sogleich besorgt – Gott! Seegne die Nach Cur! Den Brief an Herrn Milius habe sogleich bestelt. Jetzt habe alles fein und richtig beantwortet – nun Franckfurther Neuigkeiten. Vergangenes Jahr war Frau Syndicus 4 Monath in München bey Ihrem alten Freund Fritz Jacobi – ein gewißer Profeßer Breyer wurde von Landshut nach München an die neue Academi – |: wo Fritz Jacobi Semmering und andre sich schon befanden:| berufen – Frau Syndicus Ihre Tochter Hennriette und oben benanter Breyer Logirten sampt und sonders bey Fritz Jacobi – Breyer dem gefieht das Mägchen Er trug Ihr seine Hand an, und wurde – – – – abgewißen – Sch[l]ossers kamen im Herbst Hieher zurück – und die Sache war bendigt. Im Mertz dieses Jahr, hatte die gute Schlossern das große Unglück ihren Sohn an einem Nerfenfieber das Er sich in den Preusischen Spietälern in Königsberg zugezogen hatte zu verliehren – da Sie mit Ihrer Tochter allein war und beide äußert niedergeschlagen; so wurde beschlossen Lotte Jacobi von München Hieher kommen zu laßen um eine kleine Diversion zu machen: Sie kam – unter allerhand Gesprächen und gespräsel kam auch Profeßer Breyer wieder aufs Tapet Tante Lotte wußte so viele gute Eigenschaften; so viele edle Thaten von Ihm zu erzählen daß Hennriette in einem Anfall |:Gott mag wißen wie und aus was Grund: Ihm in einem Brief Hand und Hertz anbot – Ihn einlude herzukommen u.s.w. Mittlerweile war man beschäfftigt alles nach München zu schaffen – Ihre Wohnung küngigte Sie auf – Tag und Nacht wurde gepact – Ballen auf Ballen gingen nach München, die Betten wurden eingepact ich liehe Ihnen ober und unter Betten – die Kupperstiche wurden abgenommen – lehre Wände – Lehre Stuben – es sähe aus wie in der Zerstöhrung Jerusamen – Nun kommt der Herr Profeßer Breyer als Bräutigam – Er macht mir wie billig eine Visitte – ich finde an Ihm einen artigen Mann – Er hat in Jena studirt – erzählte viel von dir und wie ich schon gesagt habe Er gefiel mir – das war Donnerstag, ich sahe Ihn Abend im Schauspiel – den andern Tag also Freytags – kommt um Mittag der älteste Doctor Schlosser – sagt mir mit verstöhrtem Gesicht Hennriete nähme Breyer nicht, die ehemahlige Abneigung wäre bey seiner Erscheinung wieder aufgewacht – hätte seinen Abschied – und ging den Augenblick nach München zurück. Der krim der Jacobi einen braven Mann so zu beschimpfen – das Geträsche in Franckfurth – das fragen wie u warum das mahle dir selbst aus – nun gings an ein Logi suchen – Kisten und Kasten musten zurück u. d. mehr die Frau Syndicus bleibt also vor der Hand hir. Ist das nicht eine drollige Geschichte?? Ich vor meine Persohn schreibe nun alle Narrheiten die sich in kurtzer Zeit hir gehäuft haben der erstaunlichen Hitze zu, in Rom sind 60 Menschen Närrisch worden – so arg ists nun freylich bey uns nicht – aber auch Rom und Franckfurth!!! Der Herr Geheimde Rath von Gerning hat einen Geistigen Umgang mit einer empfindsamen wittwe – verspricht sich mit ihr – wird in der Kirche dem Gebrauch nach aufgeboten – wird aber so offte das wort Coupolation ausgesprochen wird ohnmächtig – sie scheiden in Pace von einander u. s. w. Demoiselle Busmann Enckelin von Frau Bethmann Schaff hat einen Bräutigam – soll nur noch etwas warten läßt sich aber von Clements Brentano entführen – die Hitze ist gantz einlein Schuld – denn wenn es schlechte Menschen wären ja da wäre es ein anders anders – aber es sind allezusammen edle Seelen die schwatzen von Grundsätzen – Pflichten – Moralischen Ausübungen der Pflichten gegen Eltern Verwanden u. s. w. Da lobe ich mir das Stockische Hauß da lieben die Eltern die Kinder – die Kinder die Eltern da ist einem so wohl alles was in dem Circkel lebt freut sich des Lebens – Was habe ich diesen Sommer wieder vor vergnügte Tage mit Ihnen in Ihrem Garten verlebt – da habe ich Mährgen erzählen müßen |: denn unter uns:| das ist meine Brillante Seite – da wurde von dir gesprochen – von deiner Lieben Frau – von allem was das Hertz froh und das Angesicht frölig machte – alles ohne Chrien und Brühen. Die guten Königsberger haben eben erfahren was Ihr leider auch erfahren habt enorme Einquartirung – Nicolovius hat ohnweit Königsberg ein hübsches Landgut das wurde auch sehr mitgenomen Fourage – Pferde – Ochssen – was mit zu nehmen war mußte mit Er mußte aus seiner Wohnung in ein ander Hauß unters Tach in elende Kammern Er hat 6 Kinder 5 Knaben ein Mädelein, der älteste 10 Jahr alt lag kranck auf den Tod – der mußte mit in die Miserabele Wohnung – seine Frau wollten sie prüglen weil sie 12 Eyer verlangten und waren nur 2 im Hauß u. s. w. Louise ist aber gerade so ein braves Weib, wie Ihre Tante Goethe und hatte eben den Muth – die Hertzhaftigkeit und den Frohsinn. Nach einigen Tagen da ordnung und Ruhe Hergestelt waren – ging Sie mit Mann und Kinder ins Fränsoische Lager – Vergaß über der Ordnung – Schönheit – und der Exelenten Musick alle ausgestandene Leiden, bewiße dadurch daß Sie von mir abstammte und von meinem Blut war. Betine Brentano ist über die Erlaubnüß dir zuweilen ein plättgen zu schicken zu dörfen entzückt – antworten solt du nicht – das begere Sie nicht – dazu wäre Sie zu gering – belästigen wolle Sie dich auch nicht – nur sehr selten – ein Mann wie du hätte größeres zu thun als an Sie zu schreiben – Sie wolte die Augenblicke die der Nachwelt und der Ewigkeit gehörten nicht an sich reißen.

Jetz noch ein Wort an meine Liebe Tochter. Eestens werde Ihnen ein Kleid schicken das zu einem Überzug vor Ihren Peltzrock sehr schicklich ist – es ist beynahe noch neu sonst würde es nicht zu dem Zweck paßen – attlas und andere Seiden zeuge sind zu dünne und verschieben sich gleich – finden Sie es aber nicht nach Ihrem Geschmack so tragen Sie es als Kleid. Castanien sollen auch kommen dieses Jahr müßen sie prächtig seyn. Dißmahl habe ich aber geschrieben, daß mir die Finger wehe thun – und vor der Hand weiß ich auch weiter nicht als daß wir täglich noch Einquartirung haben.

Lieber Sohn – Liebe Tochter Lieber Enckel Lebt wohl diß wünsch von Hertzens Grund

Eure treue Mutter u Großmutter Goethe.


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