Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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300. An Christiane Vulpius und August von Goethe.

[September 1800.]

Liebe Tochter!

Ihr Liebes Schreiben hat mich wieder sehr froh und glücklich gemacht – wenn ich gute Neuigkeiten von Weimar höre; so werde ich immer verjüngt – und meine Freunde haben meine gute Laune in vollem Maß zu genißen – Ihr guter Brief kam gerade zu rechter Zeit – denn die Freitheits-Männer drohten uns wieder unser Geld abzunehmen welches uns den keinen guten Houmor verursachte – denn es sind kaum 4 Wochen – daß sie 300 000 gulden auf neue von unserer Stadt erpreßten – da kamen nun gerade gute Nachrichten von Ihnen allen – da ward ich froh – und dachte Geld hin – Geld her – wenn es nur in Weimar bey deinen Geliebten wohl und vergnügt zugeht; so schlafe du ruhig – das thate ich denn auch bey all dem wirr warr. Daß Sie meine Liebe den Sommer vergnügt zu gebracht haben freut mich sehr – die Groß mutter hat auch ihr mögligstes gethann um auf Gottes schöner Erde diesen Sommer vergnügt und froh zu seyn – und es ist mir auch gelungen ohne jedoch meine von langen Jahren her gewohnte Ordnung zu unterbrechen – doch mit aller meiner Ordnung will ich doch die Reiße zu Ihnen nicht verschwören – wer weiß was in der Zeiten Hindergrund schlummert – das Verlangen mich einmahl wieder zu sehen kan nicht größer seyn, als das meinige ist einmahl Ihre schöne Häußliche Ordnung und Wirthschaftlichte Beschäftiungen mit meinen Augen anzusehn – und Ihnen meinen Mütterlichen Danck mündlich davor abzustatten. Biß diese schöne Zeit erscheint – erfreuen Sie mich von Zeit zu Zeit mit angenehmen schrieftlichen Nachrichten – wofür ich Ihnen immer hertzlich dancken werde. Mit den Castanien sieht es dieses Jahr schlecht aus, die Zeitigung und ihre güte geht mit den Trauben Schritt vor Schritt – die Trauben werden nicht zeitig – nicht einmahl zum Eßig taugen sie – folglich mögten sie vor dieses Jahr genoßen seyn – doch will ich mein mögligstes thun – ob vielleicht hie und da welche gerathen seyn könnten – Schicke ich keine; so geben Sie Mutter Natur schuld – nur mir nicht. Jetzt auch ein paar Worte an meinen Lieben Augst. Nur soviel noch an Ihnen meine Liebe Tochter! Tausend Grüße an meinen vielgeliebten Sohn von

Eurer allen treuen Mutter Goethe.

N. S. großen und schönen danck vor die Mercure u Modejournahle, sie sind dißmahl sehr Intereßant.

Lieber Augst!

du hast mir wieder eine rechte Freude mit der Beschreibung von deiner Sommer Wallfahrt gemacht – das war recht schön daß deine Liebe Mutter – Deine Liebe Tante und du Gottes freye Luft so schön genoßen und neues Leben und Gesundheit eingeathmet habt – dadurch hast du neue stärcke erlangt um diesen kommenden Winter brav Schrittschu zu laufen – damit du dich nun nicht erkältest soll ein gantz musterhafter Oberrock und eine warme weste erscheinen. Ich mögte dir gar gerne auch einmahl etwas von meinen Wanderungen erzählen – aber das ist ohnmöglich, denn ich wandre um 6 uhr Abens die Treppe herunter, um 9 uhr die Treppe herauf – da ist nun nichts Intreßantes zu berichten – doch etwas wobey ich deinen Vater hergewünßt habe – in die Oper Tittus – da hat der Italienische Mahler 5 neue Decorationen gemacht – wo ich bey der Erscheinung des Capitohls biß zu Thränen bin gerührt worden – so prächtig war das, und der Einzug des Tittus anzusehen. Lebe wohl! Behalte mich lieb, und glaube daß ich immer bin

deine dich Liebende Großmutter Goethe.


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