Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

321. An Christiane Vulpius.

den 22ten Mertz 1802

Liebe Tochter!

Hir übersende den Türckischen weitzen wünsche daß er wohl gedeien möge. Sie haben mir wieder durch Ihr liebes Schreiben einen sehr frohen Tag gemacht – Gott! vergelte es Ihnen! Aber das muß wahr seyn – Weimar ist der wahre Sitz der Musen das Teusche Athen – die glücklichen Einwohner können ihren Geschmack recht bilden – sie bekommen nichts zu sehen – als schönes und vortrefliches – ihr Auge gewöhnt sich an die schönen Formen – genung sie werden in allem Aufgeklärt, da wir arme Sterbliche ewig Kinder bleiben – den meisten meiner Landes-leute ist der Bauch ihr Gott – wahre Hippeldantze – vor das Geld ihrer Gastereyen könte die größte Mahler und Zeichnungs Academi unterhalten werden – und diese Bachanalien sehen der Langeweile so ähnlich, wie ein Troppen Wasser dem andern. Genung von diesem elenden Geschlecht. Den Aufzug auf der Maskarade hätte ich wohl sehen mögen – besonders den Lieben Augst – grüßen und küßen Sie Ihn von mir. Was wird es aber erst vor Herrlichkeiten bey der Vermählung des Erbprintzen geben!!! Etwas gutes muß ich doch auch von uns schreiben – Willmer hat einen Fond zusammen gebracht – wovon die Schauspieler im Alter unterhalten werden sollen und damit eine große Sorge von diesen Menschen abgewältzt – auch ist der Verlust der Madam Kanabich durch die berühmte Lange reichlich ersetzt. Ihnen meine Liebe Tochter können andre Neuigkeiten kein Vergnügen machen weil Ihnen die Menschen unbekandt sind – aber meinem Sohn sagen Sie daß der Doctor Moors |: sonst Lammsensohn genandt :| der mit Ihm auf einen Tag gebohren Stadtschuldheiß geworden – und unser Vetter der Doctor Textor die Senator würde erhalten – und beyde Ihn hertzlich grüßen laßen. Jetzt eine gantze Litaney von Bitten an Ihnen Liebe Tochter – die Sie die Güte haben werden mir gelegenlich zu besorgen. Vom vorigen Jahr fehlen mir folgende Sachen – vom Mercur 1801 No. 7 – vom Janus 1801 No. 4. 6. 9. 12 – da ich von diesem Jahr noch gar nichts erhalten habe, so vermuthe ich, daß villeicht Sie die Journahle nicht mehr bekommen – da ich dann freylich mich zufrieden geben müßte. Leben Sie wohl! Grüßen hertzlich meinen Sohn und den Lieben Augst zu deßen Confirmation ich Ihm Taußendt Seegen wünsche, und behalten lieb

Euer aller
treue Mutter Goethe.


 << zurück weiter >>