Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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258. An Goethe.

den 2ten Juni 1797

Lieber Sohn!

Die Mercure – Modejournale und das Geld vor das Loteriloß dieses alles ist glücklich angelangt – meinen besten Danck davor! Die letzte |:Gott gebe daß sie es war:| Geschichte drohte unserer Stadt mehr Unglück und Schaden, als alles vorhergegangne – denn wir gliechen Leuten die in guter Ruhe und größter Sicherheit in tiefem Schlaf liegen – weil sie Feuer und Licht ausgelöscht glauben – so was glaubten wir auch – und wie mann eine Hand umwendete war Vorsicht und Mühe unnütz und wir waren im größten Unglück. Senator Milius brachte schon am 2ten December voriges Jahres vom Nationahl Confent die Neutralität vor unsere Stadt von Paris |:wo Er sich 6 Wochen aufgehalten hatte:| mit – die Declaration vom Confent war vortreflich zu unsern gunsten abgefaßt besonders wurden wir über den letzten Rückzug vom 8ten September 1796 sehr gelobtet und geprießen – wer hätte da nun nicht ruhig seyn sollen? Das waren wir auch – kein Mensch emigrirte – niemandt schickte etwas weg – die meisten Meßfremden |: besonders die Silberhändler von Ausspurg:| hatten ihre Buten ofen und blieben ruhig hir – die Frantzsosen waren nahe an der Stadt – wir erwarteten sie in einer Stunde – die Kayerlichen waren zu schwach um sich zu halten – wir sind Neuterahl erklährt – also ist von keinem Bompatemant die Rede – genung ich kuckte zum Fenster hinaus und wolle sie ankommen sehen – das war Mittags um 2 uhr – aufeinmahl kommt die Fritz Metzlern mit Sturm in meine Stube ruft schir auser Odem Räthin es ist Friede! Der Commendant von Milius hat einen Courir vom Bononaparte – es ist ein jubel – Gott befohlen ich muß weiter die gute Nachricht verbreiten u. s. w. Gleich daraus kommt der Burgemeister Schweitzer – und Syndicus Seger in einer Kusche um ins Frantzöische Lager zum le Feber zu fahren und Ihm zu gratuliren – wie Sie an die Hauptwache kommen – werden Sie von den Bürgern umringt die Kusche muß stillhalten – Sie versichern die gute Nachricht vom Frieden – Alt und jung schwingt die Hüte ruft Vivat es ist ein Jubel der unaussprechlich war – wem in aller Welt fält es jetzt ein an Unglück zu dencken!! Keine 6 Minuten nach dieser unbeschreiblichen Freude, kommt die Kayerliche Cavaleri zum Bockenheimerthor herein gesprengt |:so etwas muß mann gesehen haben beschreiben läßt sichs nicht:| der eine ohne Hut – dort ein Pferd ohne Reuter – und so den Bauch auf der Erde gings die Zeile hinunter – auch hörte mann schißen – alles gerithe in Erstaunen was ist das vor ein Friede so rief immer eins dem andern zu – nun zu unserer Errettung. Ein Kayerliger Leutenant hatte |: und zwar ohne Order :| die Gegenwart des Geistes in wehrender galopate den Gattern am Thor zu und die Zugbrücke auf zuziehen – ohngeachtet noch nicht alle Kayerliche in der Stadt waren – das war nun unser Glück, denn wären die Frantzosen nachgestürmt; so wäre die Masacker in der Stadt loßgegangen – und hätte ein Bürger sich nur der Sache angenommen; so war Plünderung und aller Greuel da – und am Ende hätte es geheißen wir hätten die Neutralität gebrochen – die Frantzosen Tod geschlagen u. s. w. Burgemeister Schweitzer und Seeger wurden geplündert le Feber wolte durchaus nicht glauben daß Friede wäre – Er hätte noch keinen Courir – von unserer Neutralität wüßte Er kein wort – Endlich überredete der Kayerliche Commandant den Generahl le Feber mit in die Stadt zu kommen – versicherte auf sein Ehren wort – daß Friede wäre und daß freylich der Courir nicht bey allen Generahls zugleich ankommen könte – darauf ging Er mit – der Burgemeister Schweitzer auch und mehrere vom Magisterath gingen alles in Römischen Kayser trancken – und alles endigte sich zu unserm Glück. Dem braven Leutenant – und dem Wirth im weißen Lamm in Ausburg haben wir allso unsere Rettung zu dancken – der erste macht das Thor ohne Order zu haben zu – der andre weißt dem Courir einen kürtzern Weg nach Franckfurth er kommt auf diesem weg 6 Stunden früher – Gott hat wohl schon durch geringre Mittel aus großen Nöthen geholfen – und solte mein Glaube an die Ewige Vorsehung wieder einmahl schwach werden – so will ich mir zurufen: dencke an den 22ten Aprill. Die Frantzosen sind jetzt täglich |: weil sie noch in der nähe liegen:| in unserer Stadt – besuchen fleißig das Schauspiel – Vorgestern war auf Verlangen des neu vermählten Erbprintzen von Heßencaßel und seiner Gemahlin Palmira das ist eine Oper!! sie wird hir mit aller möglichen Pracht gegeben. Hir kommt auch die No. von Lotteri Loß – Lebe wohl! Grüße alle und behalte lieb

deine treue Mutter Goethe.


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