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Aus der Nachlaßsammlung: »Das Schwert des Damokles«.

(1908.)

Das Schwert des Damokles

1.

Da hängt es hoch bei Nacht, bei Tage;
Ich fühl's, wie seine Spitze rage,
Mir stets bedrohend Sinn und Sein –
Oh, wie mich von dem Schwert befrein!

An einem Haare seh ich's hangen ...
Wie lange hält's? – Was hilft das Bangen?
Das hemmt nicht seinen Fall fürwahr,
Und immer schwächer wird das Haar.

Zuweilen scheint es mir, es wende
Mein Schicksal sich, das Schwert verschwände,
Allein, eh' ich mich recht besinn',
Ist meine Hoffnung auch schon hin.

Und wieder hängt es oben, wieder,
Und auf mein Herz hier zielt es nieder,
Im Traum der Nacht, in Tages Bann,
Ich frage mich: Wann fällt es, wann?

Ich möchte arbeiten und leben
Und seh den dünnen Faden schweben,
An dem das Schwert, das scharfe hängt
Und mich wie Teufelsspuk bedrängt.

Was hab' ich alles schon erfahren!
Da droben hängt und hing seit Jahren,
Wie morgen hangen wird der Stahl ...
Und was sein Name ... Ideal? Der letzte Vers kommt unerwartet. Vielleicht hat der Dichter an den aufreibenden Kampf um das Ideal gedacht, der sein ganzes Leben beherrscht hat.

 

2.

Und wieder bannt meine Gedanken
Der Spitze Schweben,
Ich seh dich unablässig schwanken
Ob meinem Leben;
Will es aufs neu zu blühn beginnen,
Du treibst des Glückes Traum von hinnen.

Mag locken mich der Klang der Lieder,
Der Spruch der Weisen
Oder der Reiz der Frauenglieder –
Stets wirft dein Eisen
Mir Gift ins Glück, ins Herz mir Schrecken,
Gewillt, mich aus der Höhe hinzustrecken.

Schon der Gedanke, daß nun jähe
Das Schwert kann sinken,
Zerstört die Welten, die ich sehe,
Der Blüten Blinken,
Zerreißt die Fäden meines Daseins alle
Und macht der Lippen Süßigkeit zu Galle.

Die Freuden hast du mir zersplittert,
Wie karg sie waren,
Mir immer mehr die Lust verbittert
Von Jahr zu Jahren,
Ich weiß, daß über mir du stets ausdauerst
Und lauerst, lauerst, unaufhörlich lauerst!

Oft scheinst du nur Phantom, nur nächtig
Gebild der Nerven,
Und deinen Druck, noch bin ich mächtig,
Ihn abzuwerfen! – –
So triff! – Umsonst! Hinauf in Wolkenferne
Entschwindest du, blitzend gleich einem Sterne!

Ach, ich muß weiter leben, tragen,
Im Staub mich winden,
Den Scheitel bietend voll Verzagen,
Todangst empfinden,
Daß ich die Strophe unvollendet lasse
Und mich im Tigersprung dein Streich erfasse!

 

3.

So fall einmal
Und laß mich nicht mehr harren!
Schon wird's zur Qual,
Bang zu dir aufzustarren,
Nach Tantals Früchten sehn, die meine Sehnsucht narren!

Mein Geist will sein,
Und dies mein Herz will pochen!
Tief saug ich ein,
Was reich ununterbrochen
Des Lebens Reigen beut mit seiner Pulse Kochen!

Ist Tod dein Bild?
Und bist du der Erleger?
Du Rüde, ich Wild?
Ich Beute und du Jäger?
Tönt bald der Glocke Schlag zum Tritt der Leichenträger?

Wie, oder soll
Ich dauernd stehn im Leide?
Und grauenvoll
Vorfühlen deine Schneide,
Da aufzufangen sie zu feig die Hände beide?

Du Schreckgesicht,
Wirst du denn nie verschwinden?
Und rasten nicht
Die Nöte, die mich binden?
Kein Engel will zu mir mit seinem Schild sich finden? – –

So falle denn: –
Doch du bleibst oben schweben!
Sieh und erkenn,
Schlimmer als Tod so leben
Und fühlen Tag und Nacht dich überm Haupte beben!

Gut, hang denn dort,
Ich will dich lachend schauen!
Bleib hier, geh fort –
Ich denk mein Lied zu bauen,
Die düstre Epopöe von Schrecken und von Grauen!


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