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Faust in Prag

In der alten Schmerhofschenke
Giebt's heut Lärm und Mummerei,
Doktor Faust aus Wittenberg hält
Die Studenten alle frei.
Wandernd, wallend ohn' Ermüden,
Auf dem Wege nach dem Süden
Hält er kurze Rast in Prag.
Im Kolleg am Morgen weichen
Mußten Meister flugs den Streichen
Seiner Logik Schlag auf Schlag.

Auf den Abend dann zum Schmerhof
Lud er das Kolleg zu Gast,
Was an Wein und Met vertilgt ward,
Macht den Schenken wirblig fast.
Faust, in der Studenten Kreise,
Sprach, der Wissenschaft zum Preise,
Trank ihr Blühen und Gedeihn,
Manchem Baccalauren sprangen
Drob die Thränen von den Wangen
Nieder in den klaren Wein.

»Traun, ein Weib, das unersättlich,
Ist und bleibt die Wissenschaft,
Weih dich ihr, sie löst kein Rätsel,
Aber saugt an Hirn und Kraft.
Alchymie, Magie – die beiden
Lassen dich nicht trostlos scheiden,
Das sind Mägdlein, keck und klug,
Lassen volle Becher blitzen,
Machen Gold und dem Novizen
Winkt schon weißer Hüften Bug.

Wer sich ihnen weiht, ist immer
In den besten Stand versetzt, –
Ihrer Meister, geb' zum Besten,
Freunde, ich ein Pröbchen jetzt.
Aber Spaß müßt ihr verstehen!
Glaubt nicht, an den Kragen gehen
Würd' es eurer Seele schon –
Alles ist auf Witz gegründet,
Auf die Rede, wohlgeründet,
Und das Spiel der Konklusion!«

Wie im Auerbachschen Keller
Führt er nun die Stückchen vor:
Die Kredenz des Schenken hob sich
Als ein Dromedar empor,
Schwerter flogen ganz alleine,
Aus dem Tische sprangen Weine
Stark wie auf des Küfers Hub,
Unter Klängen mächtig brausend,
Flogen durch die Stube sausend
Lilita und Belzebub.

Stühle schritten mit Gesichtern
Auf und ab und dickem Bauch,
Kannen stiegen selber aufwärts
Auf den Sims, der schwarz von Rauch,
Flugs dreihundert Katzen fuhren
Durch die Fenster, keine Spuren
Trug davon der Scheiben Glas,
Und dem Wirt, der kam zu schauen,
Rasch am Kopf ein Paar von grauen
Langen Eselsohren saß.

Zwölfe schlugs. Es schwieg das Lärmen,
Zu der Runde, bänglich still,
Sprach nun Faust: »Nun schaut, da jetzo
Ich mein Höchstes leisten will.
Will die Menschenseel' euch zeigen,
Rein und echt seht auf sie steigen,
Nehmt im Nebelduft sie wahr, –
Kein Betrug, der euch erboße –
Nostradam, Albert der Große
Sah sie so und Abälard.

An der Wand nun gegenüber
Spannt er eine Leinwand aus,
Zeichnet Ringe ohne Ende,
Drudenfüße, wirr und kraus,
Zieht dann leise magische Kreise
Und ruft laut in Donnerweise:
»Auf entsteigt des Grabes Schlund!
Ob ihr Nimrod, ob ihr Abel,
Ob euch Rom gezeugt, ob Babel,
Ob ihr Drache, Leu, ob Hund!«

Alexander vor den Blicken
Herrlich als der erste kam.
Ajax und der wilde Hektor
Und Andromache voll Gram.
Und zuletzt die Leinwand füllend,
Helena, in Glanz enthüllend
Ihren ewig schönen Leib,
Ebenso, wie die ergrauten
Männer Trojas einstens schauten
Das berückend holde Weib.

Und die Schar olympischer Götter
Zeigt sich auf der Leinwand hier,
Da ruft einer aus der Menge:
»Heimische Stoffe wollen wir!«

»Recht so!« tönt es aus dem Haufen,
Laß den alten Trödel laufen,
Unsre Ahnen laß uns sehn.
Faust läßt sich vom Lärm nicht stören,
Heißt mit mächtigem Beschwören
Neue Seelen auferstehn.

Und Libuscha naht, die Stirne
Schmückt ein Stern in goldner Pracht,
Wenzel, hoch im Schlachtgewühle,
Von der Engel Hut bewacht,
Bretislaw, an Kräften mächtig,
Ottokar, gar stolz und prächtig,
Der verfloßnen Zeiten Glanz,
Vorgebeugt dann Karl der Vierte,
Der sein Heim in Liebe zierte,
Vater er des Vaterlands.

Lauter Beifall! einer rief dann
Wieder: »Laß die Toten ruhn!
Zeig uns andres, König Wenzel
Samt dem Henker zeig uns nun!« –
»Seht ihn hier! und sein Gefährte!«
Lachte Faust, die Runde kehrte
Nach der Ecke schnell sich um,
Wahrlich, er saß da, ein Grauen!
Zuckte nicht mit seinen Brauen,
Sah nur in den Becher stumm.

Drauf ein andrer: »Auf der Leinwand
Zeig uns nun Magister Huß,
Kuttenbergs Dekret erwirkte
Er mit männlichem Entschluß.«
Sturm und Schwung! man hebt die Becher
Und Begeistrung füllt die Zecher:
»Heil ihm und er lebe lang!
Er bezwang den römischen Schrecken,
Wußt' in unsrer Brust zu wecken
Unsrer Väter Thatendrang!«

Und schon zeigte auf der Leinwand
Sich das ernste Angesicht
Und der Prediger von Bethlem
Stand da in erhabnem Licht.
Traun, ein Antlitz, glanzumflossen!
Enger rücken die Genossen
Und ein heiliger Schauer kreist,
Jeder fühlt: in dieser Stunde
Trat in ihre frohe Runde
Ein unsterblich hoher Geist.

Aber sieh, rings um die Leinwand
Welcher glühend rote Brand?
Sieh, er wächst und schon umzüngelt
Lodernd er des Stoffes Rand.
»Feuer! Flieht!« Und alle weichen.
Wild erregt macht Faust ein Zeichen,
Und es schwindet Glut und Held.
»Wird uns Höllenspuk bereitet?«
Ernst spricht Faust: »In Flammen schreitet
Jeder Hochgeist durch die Welt!«

Ob der Stumpfen Haß die Flamme
Unter seinem Fuß entfacht,
Ob sie schlägt aus seinem Herzen,
Gleich gilt's – bricht sie nur die Nacht.
Denn der Genius wird geboren,
Daß in Zeiten, nachtverloren,
Er die Fackel schleudre frei,
Daß sie lodernd Licht verbreite,
Und er selbst das erstgeweihte
Opfer seiner Flamme sei!


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