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Beim Niederreißen des Strafhauses St. Wenzel in Prag

Dröhnend fährt aus fleißiger Hand die Hacke
Heut zum ersten Hieb in die alten Mauern –
Niederbröckeln Steine und Sand und mächtig
Fallen die Streiche.

Hohl tönt's durch die Gänge und dumpf rollt's nieder.
Hundert Hände reißen herab die Balken,
Wirbel Staubes wallen empor zum Himmel.
Hacken und Äxte

Schmettern laut in lustiger Arbeit! Bald sind
Bloßgelegt des Riesenkolosses Wände,
Das Gebälk, die Stützen, durch die jetzt freundlich
Lächelt der Frühling.

Und das Blau sieht heute zum erstenmale
In die Räume, drinnen die Ketten klirrten,
Drin die Schatten herrschten, der Fluch, die gleichen
Schritte der Wache.

Das Gemäuer fällt. Und mit jedem Steine,
Der, von Sand und Mörtel gefolgt, herabsinkt,
Sinkt auch was, wie schmerzliche, tiefe Klage,
Flüche und Seufzer.

Sinkt auch was von deinen Gespensterschatten,
Du Vergangenheit! Ja, von Thränen naß scheint
Hier der tote Stein, den die Hand der Arbeit
Donnernd zerschmettert;

Sie, die feste, heilige Hand voll Schwielen,
Die sich nährt mit ehrlichem Fleiß und Mühen,
Reißt die Kerker nieder, erfüllt von Flüchen,
Sprengt nun den Käfig,

Drin sich eingezwängt das Verbrechen krümmte,
Das vom Blut des Bruders befleckte Haupthaar
Schüttelnd, drin der Erbe des Kain büßt' in
Ketten und Dunkel.

Ein Symbol der kommenden Zeiten seh' ich:
Nieder reißt den Kerker die Hand des Fleißes,
Wie die Räuber trieb aus dem Tempel Christus,
Jagt nun die Arbeit

Das Verbrechen fort mit des Zornes Geißel,
Wirft voll Kraft die Schuld und die Sünde nieder,
Macht dem Boden gleich der Verzweiflung Wohnhaus,
Rufend der Freiheit.

Rasch ans Werk! Nun sinket, ihr grauen Wälle,
Jeder Streich giebt freieren Raum dem Himmel,
Durch den Riß des engen Gemäuers winkt schon
Drüben dein Ufer,

Altes Prag! Dein herrlicher Dom im Nebel,
Des Laurenziberges erquickend Grün und
Häuserreihn! Aus blühenden Bäumen lächelt
Smichow herüber.

Rasch ans Werk! Und wo die Gefängnismauern
Sich in grauen Linien trostlos dehnten,
Da ersteh bald Haus und Palast und blühe
Schule und Werkstatt.

Wo zuvor mechanischen Gangs der Webstuhl
Träg sich von der Schuldigen Hand bewegte,
Da ertön' in Stätten der ernsten Arbeit
Dröhnen der Hämmer.

Dröhnet, tönt als Glocken der großen Zukunft!
Wo in langen Reihen die Ketten klirrten,
Wo im grauen Kleid die Gefangnen schritten,
Strenge geleitet,

Jage bald der heiteren Jugend Reigen,
Fülle laut mit munterem Lärm die Gassen,
Wälze sich die Schar mit Tornistern jubelnd,
Endet die Schule.

Totenstille lagerte sonst hier – siehe!
Heute tönt der siegende Hammer weithin,
Arbeitslärm, der Leiter Befehl und stetes
Wagengerassel.

All dies kündet fröhlich der Zeiten Wandlung,
Kündet fröhlich, daß nicht das Haus der Schuld bloß,
Band und Kette, nein, auch die Schuld nun selber
Hin in den Staub sinkt.

Zähneknirschend muß sie die erste weichen,
Muß erliegen Michaels Schwert, der Dämon
Flieht stets weiter bis in des fernsten Thule
Eisige Zonen.

Glorreich tritt die Trümmer die freie Menschheit,
Durch Gedanken stark und die ernste Arbeit:
Daß sie waren, schreibt in die Sterne Klios
Eherner Griffel.


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