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Gespräch

Sie gingen miteinander, blühend jung,
Und beide voll der schönsten Hoffnungen,
Mit denen uns das Leben mächtig lockt
Und die die Zukunft ach so karg erfüllt.
Sie gingen die Allee entlang, 's war Abend.
Der nahe Herbst wob in der Bäume Wipfel
Den farbenbunten Reiz der welken Blätter.
Trüb lag die Gegend, nur der Westen noch,
Wo jetzt der Abendröte heller Streif
Im Wasserspiegel bebte, lächelte,
Doch war's ein schmerzlich Lächeln schon des Herbstes.
Da hob das Antlitz er von ihrer Schulter,
Auf die gelehnt, in ihren braunen Haaren
Er süß geträumt und sagte ruhig:
      Heute
Auf unsrem Wege mußt' ich immer denken,
Wie's möglich ist, die Erde und dies Leben
Nicht stets zu lieben: Alles ist doch Liebe,
Sie atmet allwärts.
      Über ihre Lippen
Flog mild ein Lächeln, wie durchs Haupt des Dichters
Der Fittich eines Engels blitzend fliegt,
Und ernsten Tons, darin der Schmerz erklang,
Doch schon gedämpft und sanft und ausgeglichen,
Sprach sie, zu sich mehr, als zu ihm gewendet:

Recht hast du, Freund, ja – alles ist die Liebe.
Die Toten selbst, die in der Erde ruhn,
Sie schlafen ruhig auf der Liebe Blüten.
Ihr Bett, die Erde, ist durchwärmt von Liebe.
Und wenn sie einmal nur in ihrem Leben
So treu und innig sich geliebt wie wir,
So reicht der Strahl für alle Zeiten aus,
Auch wenn es keine Auferstehung gäbe.

Und weiter spann er den Gedanken aus:

Und erst die Lebenden! Wozu die Worte!
Sieh, wie an Birke und am Hagedorn
Die Blätter beben; sicher schauten hier
Auf weichem Moos zum Himmel Liebende,
Und frag den Vogel nur, der weiß genau,
Wie ihre Küsse hier so hell erklangen.
O Teure, glaube mir es, wär' ich Gott,
Die Engel müßten in der weiten Welt
Die süßen Küsse aller Liebespaare
Einsammeln mir und einen Riesenbecher
Stellt' ich mir aus dem Blau des Himmels her
Und tränke aus dem Becher all ihr Glück.
Und traun, wie oft ich ihn geleert, ich riefe:
Schön ist die Welt! Engel, noch einen Becher!

Sie lachte; freilich lachte sie nicht laut,
Nur in der Seele innen und davon
Bekam ihr Antlitz einen solchen Glanz,
Sowie der Mond, der, eh' er aufgegangen,
Vorleuchtend schon auf dem Gewässer bebt.

Sie gingen heim. Daß aus der Liebe Becher
Sie ewig trinken, segne sie, o Himmel!


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