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Boecklin und der Tod

Im vollen Sinnen saß er da,
Vom Genius geleitet, sah
Er nach dem Meer, dem Sonnenstrahle,
Da fiel ihm ein: Dich selber male!

Den Pinsel nahm er froh zur Hand,
Als plötzlich hinter ihm wer stand,
Er wandte sich und sah im Lichte
Den Tod mit grinsendem Gesichte.

Da ward ihm plötzlich weh und ach,
Er fühlte sich mit einmal schwach,
Der Laut blieb in der Kehle stecken,
Die Farben wurden voller Flecken.

Nach einer Weile näher faßt
Er in das Auge seinen Gast,
Sieht, wie das Haupt er jetzo neige
Und spiele seltsam auf der Geige.

Die Geige, die Gevatter streicht,
Die war ein Knochen, ausgebleicht,
Ein zweiter Knochen war der Bogen,
Als Saiten Frauenhaar gezogen.

So sang er: »Alles Lug und Schein!
Denn hier und dort bist du schon mein,
Ich folg dir nach auf jedem Gange,
Du weißt kaum, wie ich dich umfange.

Saugt aus dem Becher Schwung dein Mund,
Ich sitz als Grauen auf dem Grund,
Schäumt dir der Farben reich Gepränge,
Ich sing darinnen Grabesklänge.

Thu' was du willst, doch du bist mein,
Ich hab dich, alles Trug und Schein,
Was kannst du, sprich! Ich mach's erschlaffen
Ich will und Torso ist dein Schaffen.«

So gab er mit dem Knochen Takt,
Der Töne scharfer Katarakt
Stob, wie ins Dunkel Funken stieben.
»Nun fange an, mag's dir belieben!«

Allein der Meister lacht dazu,
Den Pinsel faßt er dann in Ruh:
»Verfehlt mein Freund, ist dein Beginnen!
Du selber ziere jetzt mein Linnen!

Du folgst mir immerdar, ich weiß,
Und lauerst auf des Pinsels Fleiß,
Ein Knacks, der Pinsel bricht in Stücke,
Du siegst – es bleibt kein Mensch zurücke.

Doch ein Triumph bleibt uns allein:
Zu tauchen in das tiefste Sein,
Und Schöpfer sein, just wo du lauerst,
Mit deiner Sense uns durchschauerst.

Mir ist's Geheimnis, doch auch dir,
Wo Lug und wo die Wahrheit hier,
Du schreitest blind, doch ich kann sehen:
Mein Sehnen wird nicht ganz vergehen.

Drum geh nur immer hinterdrein,
Sag hundertmal: mein bist du, mein!
Und spiele fort und sing dein Liedel,
Gieb mit dem Kopf den Takt zur Fiedel

Freund Klapperbein, mir gilt es gleich,
Denn meine Seele, voll und reich,
Fängt unter deinem Aug' das Leben,
Das mich umdrängt mit lichtem Weben.«

Der Pinsel fliegt dahin mit Macht,
Es spielt der Tod, der Meister lacht,
Er schafft und hat sein ganz vergessen –
Freund Hein mag warten unterdessen!


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