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Die Aussätzigen

Im düstern Strandgebiet am Toten Meere,
Wo trüb der Jordan bricht durch wüste Schlucht,
Zieht sich ein Thal, drauf liegt des Leides Schwere,
Und furchtbar drückt hier der Verzweiflung Wucht.

Dort klaffen Höhlen auf der schmalen Enge,
Getrennt durch rostige Gitter von der Welt;
Aussätzige wohnen dort in großer Menge
Und rasseln mit den Ketten, daß es gellt.

So mahnen jeden sie, den Ort zu fliehen.
Nur manchmal hinter diesen Gittern zeigt
Sich ein Gesicht, das Flecken dicht durchziehen,
Ein heißes Aug', das sich zur Erde neigt.

Die Ketten rasseln ... einer naht der Stelle ...
O eile, Wandrer! Unter deinem Fuß
Welkt hier das Kraut, trüb wird des Himmels Helle,
Nur Geier und Schakal giebt dir den Gruß!

Er achtet's nicht, geht näher ohne Schwanken,
Den jeder flieht, dem Orte eilt er zu,
Dort macht er Halt und redet an die Kranken
Und mischt sich unter sie in fester Ruh.

Er legt die Hände auf die kahlen Schädel,
Drückt ihre Hand, die fast zu Schnee erblich,
Sein Wort ist so beruhigend und edel,
Sein Lächeln ist so mild und mütterlich.

Die Armen, die zu ihm die Hände heben,
Sie sehen um sein Haupthaar goldnen Schein,
Er kam, ein Fürst, des Ruhm wird ewig leben
Als Thau des Trostes für die schwere Pein.

So in des Lebens eitle Not und Plage,
Wie Christus jenen Leidenden genaht,
Wie seliger Thau an einem heißen Tage,
Führt dich, allmächt'ge Liebe, her dein Pfad!

Ihr arg Bedrückten, klirrt mit euren Ketten,
O zeigt das Antlitz, das vom Gift zerstört –
Wer Furcht im Herzen hat, der mag sich retten,
Ertönt, ihr Ketten nur, die Liebe hört!


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