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Illusion

Der Saal war voll. Und wie ich forschend schickte
Die Augen rings, da beim Klavier erblickte
Ein Mädchen ich. Den Noten zugewandt,
Stützte den Kopf sie träumend in die Hand.
Ich sah nur ihres Haares reiche Wellen.
Das lockte mich, sie ganz mir vorzustellen:
Ihr hold Oval, ihr kindlich Angesicht,
Darauf der erste Traum ergießt sein Licht,
Der Lippen keusche Beeren, frisch entsprossen,
Die Stirn, darauf der Frieden ausgegossen,
Wie auf dem Marmor liegt der Mondenschein.
Und weiter träumte ich: ihr innres Sein,
Ihr Sehnen, Sinnen in des Reifens Jahren, –
Und all das las ich aus den dunklen Haaren,
Ein Maler fast, hab ich sie hingestellt.
Da bangte mir, daß diese ganze Welt,
Die ich erträumt, mit einmal stürzen werde.
Ich senkte meinen Blick fest auf die Erde,
Das Bild im Herzen, floh ich fort von ihr.

Warum, ihr Illusionen, dürfen wir
Nicht sterben, eh das Leben euch zerschlagen,
Nicht euern hellen Glanz hinübertragen?
So, unsre Stirn geweiht von eurem Flug,
Auskosten bis zur Neige wir den Trug.


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